Vor etwa 30 Jahren habe ich im Buch des Professors Werner
Gilde „Wege zum Erfolg“ den sehr wesentlichen Satz gelesen: „Informationen zu
bekommen ist Hole- und nicht Bringepflicht.“ Das japanische Wirtschaftswunder nach
dem 2. Weltkrieg und das heutige chinesische Aufstreben beruhen darauf. Darauf
sind selbst Geheimdienste ausgerichtet… Allerdings hat auch der erfolgreichste
deutsche Geheimdienstchef Markus Wolff in seinen Memoiren festgestellt, dass
unter schwierigsten Bedingungen die den Politikern verschafften Informationen
nicht selten unzweckmäßig verwendet wurden …
Hier in der Visastelle bekommt man
sie ganz offiziell – oder?
Das „Informationen bekommen“ bedeutet aber immer noch,
Fragen zu stellen – richtig? Vielleicht auch anders – richtig Fragen zu stellen
– einverstanden?
Bevor wir weitermachen: wir haben eine Verabredung in der Familie:
sag die Wahrheit. Vor allem bei deutschen Behörden. Wo so viel Information gespeichert
ist, kommt jede Schwindelei teuer zu stehen.
Deshalb hat Pavlo auch ohne
Bedenken die Belehrung zum Visaantrag unterschrieben, in der unter anderem vor
Falschaussagen gewarnt wird.
Nun greife ich zurück auf den Visaantrag. In dem werden
Fragen gestellt. Unter anderem die nach dem Besuchszweck. Unter Punkt 21. stehen
dazu 11 Fragen mit vorgegebenen Antworten – mit Kästchen zum Ankreuzen. Pavlo
hatte angekreuzt „Besuch von Familienangehörigen oder Freunden“. Mit mir hat er
ja Verwandte angeheiratet bekommen und ein paar Freunde existieren aus vorherigen
Besuchen auch schon (siehe „Die Kuh im Propeller“ I). Antwort also: wahr!
Hier ziehe ich – weil mein Temperament das verlangt – den ersten
Satz aus den vier Seiten (!) Begründung
der Ablehnung heraus. Von gleicher Güte sind darin mindestens 12 lange Sätze.
Die zu verarbeiten, fällt sogar einen deutschen „Bäuerlein“ schwer. Die ukrainischen
Bäuerlein schauen einfach weg!
Deshalb hier ein Zitat aus dem Brief der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland Kiew,
Visastelle, vom 29.08. 2012:
„Ukrainische Staatsangehörige bedürfen gem. § 4Abs. 1 Satz 1
AufenthG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 539/201, geändert durch Verordnung
(EG) Nr. 1932/2006, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1244 vom
30.11.2009 i. V. m. Art 2 Nr. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen
Visakodex der Gemeinschaft (im folgenden Visakodex) für die Einreise und den
Aufenthalt im so genannten Schengengebiet (und damit auch Bundesgebiet) eines
Aufenthaltstitels in der Form des Visums.“
Ach nee – das alles wussten wir natürlich nicht! Schon am
13. Juli 2009 letztmalig geändert?
Haben wir instinktiv richtig gehandelt, einen Visaantrag zu
stellen anstatt gleich zur Grenze zu fahren --))
Für mich nenne ich alle diese "Literaturhinweise" (§ 4Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 539/201, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1932/2006, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1244 vom 30.11.2009 i. V. m. Art 2 Nr. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009), die nichts für den Empfänger verwertbares enthalten, schlicht und einfach "Informationsmüll".
Für mich nenne ich alle diese "Literaturhinweise" (§ 4Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 539/201, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1932/2006, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1244 vom 30.11.2009 i. V. m. Art 2 Nr. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009), die nichts für den Empfänger verwertbares enthalten, schlicht und einfach "Informationsmüll".
Weil bei mir langsam die Lust vergeht, mich mit dem für
normale Menschen unverträglichen Beamtendeutsch zu befassen (in anderen Sprachen
reden die Beamten ähnlich!), will ich auch meine Leser nicht weiter ermüden.
Kommen wir zu den angeblichen „Fakten“.
Zitat (Quelle siehe oben):
„Sie sind ledig, arbeitslos und haben keine Kinder. Sie
verfügen daher über keine ausreichende familiäre und berufliche Verwurzelung in
der Ukraine. Sie machen auch keine Umstände geltend, anhand derer erkennbar wäre,
dass Sie über eine besondere finanzielle oder soziale Bindung verfügen. Wie Sie
Ihren Lebensunterhalt tatsächlich bestreiten, ist nicht ersichtlich. Es ist
nicht davon auszugehen, dass Sie dafür aus eigener Kraft aufkommen können. Eine
gesicherte Existenzgrundlage besitzen Sie daher nicht.“
Klasse finde ich auch diesen Satz im obigen Abschnitt: „Sie
machen auch keine Umstände geltend, anhand derer erkennbar wäre, dass Sie über
eine besondere finanzielle oder soziale Bindung verfügen.“
Hier wiederhole ich mich:
Das „Informationen bekommen“ bedeutet aber immer noch,
Fragen zu stellen – richtig? Vielleicht auch anders – richtig Fragen zu stellen
– einverstanden?
Fragt die Leute doch! Woher, verdammt nochmal, soll der
Antragsteller wissen, was Ihr von ihm wissen wollt? Wie kann er ungefragt „etwas
geltend machen“? Haben die für solche Texte Verantwortlichen denn gänzlich die
Verbindung für sinnvolle sprachliche Formulierungen und Verbindungen verloren?
Ist das bundesdeutsche Bildungssystem noch schlechter, als ich von ihm denke?
Nehmen wir den Satz noch weiter auseinander.
„Sie sind ledig, arbeitslos und haben keine Kinder.“
Müssen ein Mann (respektive eine Frau) verheiratet sein, um
ein Visum zu bekommen? Steht das in der Änderung vom 13. Juli 2009?
Die Visastelle lebt, wie mir scheint, neben dem Leben. Auch in
Westeuropa gibt es den Trend, die Ehe als ein soziales Auslaufmodell anzusehen.
In der Ukraine heißt die Lebensform „gemeinsamer Haushalt“ etwas anders – „grashdanskij
brak“ (in etwa „Bürgerehe“ – also ohne behördliche oder kirchliche Absegnung).
Muss eine Person – aus obigem Grund – zwingend in Arbeit
sein? Und Rentner? Behinderte?
Ist es Pflicht, auch Kinder zu haben?
Der höchste Dienstherr der Visastelle - der deutsche Außenminister - ist weder verheiratet,
noch hat er Kinder. Kennt er diese drei merkwürdigen Gründe für eine Ablehnung
von Visa?
Vor allem die beiden letzten Gründe schließen automatisch
jeden zehnten Antragsteller aus dem Verfahren aus. 11 % der Weltbevölkerung
sind gleichgeschlechtlich orientiert – werden folglich in der Ukraine noch
nicht offiziell als Lebensgefährten registriert und können den Beweis nicht
erbringen, verheiratet zu sein und Kinder zu haben (bei Frauen biologisch
jedoch denkbar …).
Die drei letzten Sätze:
Die drei letzten Sätze:
„Wie Sie Ihren Lebensunterhalt tatsächlich bestreiten, ist
nicht ersichtlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass Sie dafür aus eigener
Kraft aufkommen können. Eine gesicherte Existenzgrundlage besitzen Sie daher
nicht.“
Warum wurde nicht nachgefragt? „Es ist nicht davon
auszugehen … „ sollte wohl heißen: „Wir gehen davon aus, dass Sie dafür aus
eigener Kraft nicht aufkommen können.“ Der Satz ist dann klarer, also
zweckmäßiger für das Verständnis – aber soll er das denn? Auf welcher
Information beruht dieses Herumgeeiere?
Dass eine Reihe von Leuten in aller Welt „Mieteinkünfte“ haben und davon
leben – nie gehört, weil nicht erfragt! Die erzielte Miete beträgt das
Mehrfache von Muttis Rente – die wird aber hier als Existenzgrundlage
begriffen. Also in der deutschen Visastelle wieder „das Leben leben neben der
Wirklichkeit“!
Heute mache ich hier erst einmal Schluss. Wie es so schön
heißt: mir läuft die Galle über. Sie werden noch die Folge 6 zu lesen bekommen.
Wenn ich wieder ruhiger formulieren kann.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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