Mittwoch, 21. November 2012

Vor und nach Wahlen...

        In meinem Post "Kleiner Unterschied" vom 09.11.2012 auf diesem Blog habe ich den Humor der Ukrainer bezüglich ihrer eigenen Währung geschildert. Die Hrywna war scheinbar "stärker" geworden. Der kurzzeitig für den Valutakauf günstigere Kurs wurde von besonders vorsichtigen Leuten zur regelrechten Flucht in diese "zweite Währung" genutzt. Die wird hier auf Angeboten zum Kauf/Verkauf von Fahrzeugen oder Immobilien direkt als "bedingte Einheit" (u. e. - Abkürzung in der Landessprache) hinter die Preisangabe gesetzt.   
        So intensiv wurde "umgerubelt", dass zeitweilig die Banken keine US-Dollar mehr zur Verfügung hatten, ihre kaufwilligenKunden zu bedienen.

        Inzwischen ist auch Bewegung in den Brotpreis gekommen. Das von mir bevorzugte Schrotbrot hat mit 15,4 % Preisanstieg nicht den größten Sprung gemacht. Aber wie das so ist - in einer deutschen Zeitung fand ich vor Jahren den bissigen Kommentar eines Autors: "Diejenigen, welche Wahlversprechungen machen, stehen nach jeder Wahl vor den von ihren Vorgängern geleerten Kassen."  Der einfache Mann respektive die resolute Frau auf dem Markt sagen das hier etwas drastischer...

        Nun ist jemand in der obersten Volksvertretung - der Werchownaja Rada - auf eine glänzende Idee gekommen. Hin bis zu einem Gesetzentwurf.
        Allerdings günstig nur für jene, welche ihren Zahlungsverkehr per Buchgeld regeln. Überweisungen und so. Auch in Valuta.

        Die Kommentare aus der Bevölkerung ließen mich an einen Ausspruch des deutschen Philosophen Peter Abälard (um 1100 u. Z.) denken, der sehr knapp das Wesentliche so formulierte: "Das sittlich Gute oder Böse liegen in der Absicht, nicht in der Handlung." 

        Der Sinn des Gesetzesentwurfes: beim Tausch von Valuta in Landeswährung habe die den Vorgang abwickelnde Bank 15 % der Summe im Interesse des Staates einzubehalten.

        Heute ist dieser Entwurf zu Fall gekommen.

        Sie können die Idee nach ihrem Verständnis bewerten. Ich unterlasse dazu einen Kommentar. Das ist zwar nicht besonders ehrlich - aber politkorrekt für einen Gast dieses Landes.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





        

Montag, 12. November 2012

Letzte Reise

        Auf meinem Blog http://erlebnis-leben.blogspot.com/ habe ich vor einiger Zeit die "Abenteuer des Schienenstrangs 2012" gepostet. Die Reise war schon in Kovel zu Ende. Erst jetzt habe ich erfahren, dass sie die letzte für mich war. Der direkte Zugverkehr Kiew-Berlin ist endgültig eingestellt. Die maximal 5 Wagen - davon zwei Kurswagen aus dem Lande und ab Warschau mit einigen aus Russland angekoppelt -  waren einfach unwirtschaftlich. Die Einstellung ist verständlich.

        Damit verschwindet eine Quelle für Erlebnisse und Erinnerungen aus meinem Leben. Die begannen schon mit dem Einsteigen in Kiew. Waren die Mitfahrer im Abteil zwei sehr umfangreiche und ältere Ukrainerinnen, konnte der manchmal wesentlich ältere Kavalier natürlich nicht erwarten, dass eine von ihnen den Bettplatz in der dritten Etage enterte - also Tausch. Dafür die Einladungen zu Frühstück, Mittag- und Abendessen in einer Menge und mit einer Vielfalt, dass die ausufernden Formen ihre Erklärung fanden... 

        Bis vor kurzem das Alkoholverbot in den Zügen durchgesetzt wurde, gab es hin und wieder Diskussionen mit trinkfesten Bürgern des Landes, welche die gemäßigte Zurückhaltung des doch schon "eingemeindeten" Deutschen einfach nicht akzeptieren wollten. 
        Die "Prüfung" durch einen nach Deutschland berufenen Professor aus dem Bereich Dünnschichttechnologien, welche mit 4 zu 1 für mich endete und mit der Bemerkung, dass die abgeschlossene russische Akademie doch eine achtenswerte Bildungsstätte sei.
        Die junge Frau, welche verweint zur Beerdigung des Vaters in die Ukraine zurückfuhr. Sie sprach von ungeklärtem Selbstmord und bedankte sich kurz vor Kiew für Zuhören und tröstende Worte einschließlich der Geste, sie sich an meiner Schulter ausweinen zu lassen.
        Das 45 kg schwere Ersatzteil für eine Straßenreparaturmaschine, das ich am Zoll vorbei unter der Sitzbank mitbrachte, damit weiter im Sommer an der Straße gebaut werden konnte - Sünde und Geschichte!

        Aber auch anderes gab es. Fröhlichkeit, nette Gespräche, die Möglichkeit, gegen den um 20-30 Euro geringeren Fahrpreis ab Berlin nach Kiew mitgenommen zu werden, wenn am Schalter kein Billet mehr zu haben war. Da rückten die SchaffnerInnen etwas zusammen und machten ein Dienstabteil frei...
        Ab Kiew bekam man nicht selten weiblichen oder männlichen geschäftigen Besuch, der eine geraume Zeit durch die Abteile stromerte, um Schmuggelware zu verstecken. Der Korken: ein Ukrainer hatte 17 Flaschen eines anscheinend angefangenen Tafelwassers auf die Tische in vielen Abteilen abgestellt und sammelte das vor Berlin wieder ein. Er erklärte mir, dass der hochwertige Selbstgebrannte für 30 Hrywna je Liter gekauft sei bei einem Freund, der ihm nur exklusive Ware liefere. Die 15 Liter wären als Scotch Whisky in der Kneipe nachgeschenkt mindestens 300 Euro wert. 
        Die ukrainischen und polnischen Zöllner schraubten die Waggons fast regelrecht auseinander. Bei der konfiszierte Ware - Zigaretten und Wodka - gab es viele Tränen der Betroffenen und andere Folgen - und doch fuhren Erfolgreiche bis Rzepin mit -letzte Station vor der deutschen Grenze.

Aus - vorbei.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







Sonntag, 11. November 2012

Fußball-Nachlese


        Die Ärzte der Intensivstation im Krankenhaus „Kalinin“ in Donezk erzählten folgende merkwürdige Geschichte. Ich habe sie auch von Dritten gehört.
        Während der Fußballeuropameisterschaft wurde mit der Schnellen medizinischen Hilfe ein relativ junger Engländer eingeliefert. Mit einer augenscheinlich starken Vergiftung. Der sehr temperamentvolle junge Mann versuchte ins Koma zu fallen, was die Ärzte verhindern konnten. Immerhin ist Donezk als Industriestandort vom Engländer John James Hughes gegründet worden. Da musste man seinen Landsmann unbedingt wieder auf die Beine bringen. Vor dem Viertelfinale stand der Bursche wieder auf eigenen Füßen.
        Der war einige Schritte vor der Ewigkeit aufgewacht und fluchte als erstes unflätig. Es stellte sich heraus, dass er in einen Supermarkt gegangen war und erstmalig in seinem Leben eine so riesige Kollektion an „harten Getränken“ gesehen hatte – alle zu Preisen zwischen 5 bis 10 Euro. Dazu außerdem preiswerten roten Kaviar, soviel der Geldbeutel erlaubte. Also richtig ran …

        Immerhin hatte er 70 Pfund Sterling für „kleine Ausgaben“ dabei. Also kaufte er einige Flaschen „Weißen“ und eine größere Menge Kaviar ein und begann ein Gelage zu Ehren des englischen Fußballs. Er machte das mit englischer Großzügigkeit: einen Becher roten Kaviar spülte er mit einen großen Glas Wodka herunter. Den Zyklus wiederholte er.
        Nach dem vierten oder fünften Durchgang machte sein Magen-Darm-Trakt nicht mehr mit. Die Intensivmediziner mussten die Erzengel Gabriel für ihn spielen, um ihn auf die Erde zurück zu holen.
        Allerdings nicht für sehr lange …

        Einen Tag später brachte die „Schnelle Medizinische“ ihnen den Knaben wieder. Mit eben jenen Anzeichen der Vergiftung und intensivem Wodka-Kaviar-Duft. Bevor er das Bewusstsein verlor, begrüßte er die schon bekannten Ärzte höflich, um danach ins Nirwana abzutauchen. Mit großer Mühe holten sie ihn von dort zurück. Nach einem mächtigen Einlauf rieten die Mediziner ihm, doch wenigstens auf Trennkost umzusteigen – nicht Unmengen von Eiweiß mit großen Bechern Alkohol zu mischen.

        Der Angelsachse schien verstanden zu haben. Er erkannte seine Schuld an.

        Zwei  Tage später war er wieder da – mit der „Schnellen Medizinischen“ und einer schon gewohnten Weißkittel-Mannschaft. Aus seinen Worten war zu entnehmen, dass er das „neue Leben“ mit einem zünftigen Abschied vom vergangenen begehen wollte – die Reste mussten weg.
        Die Intensivstation bebte vom Gelächter der diensttuenden Mediziner. Vor allem, als der Engländer einen von ihnen mit „Guten Tag Igor!“ begrüßte und herzhaft rülpste. Zur dritten Magenspülung in einer Woche kamen sogar die Kollegen aus dem Leichenschauhaus herbei gelaufen.

        Besonders lustig fanden alle, als der erwachende Engländer die Frage stellte, wohin er das Geld überweisen könne, welches seine mehrfache medizinische Behandlung koste. Als er erfuhr, dass diese Dienstleistung in der Ukraine kostenfrei ist, versuchte er, ein viertes Mal ins Koma zu fallen. Man konnte ihn überreden…

Es gibt hier auch lustige Ereignisse.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





Freitag, 9. November 2012

Kleiner Unterschied ...

        Die Ukrainer scherzen: "Was ist der Unterschied zwischen den USA und der Ukraine - Kürzel UA?" Die Antwort: "Die Amerikaner haben den $ fest in der Mitte."
        Nun ist jemand auf die Idee gekommen, das als Überlegung an den Wahlen zu probieren. Vor einer Woche wurde hier das Parlament gewählt - etwas später in den USA der amerikanische Präsident. Mit der Wiederwahl Obamas ging international der Dollar in die Knie. Der Spaßvogel meinte: "Wir zählen schlechter (die zentrale Wahlkommission wurde erst gester damit fertig) - und doch geht es mit der Hrywna aufwärts."

        Die Wiederwahl Barack Obamas wurde hier unter den Leuten wenig diskutiert. Das Hemd ist eben näher als die Jacke.Die Frage an verschiedene Geschäftsleute "Wie läuft es?" wird mit "Eben so..." beantwortet. Etwas gesprächigere meinen, dass die ökonomisch staatstragende Mittelschicht wie in Deutschland hier sich nicht flächendeckend entwickeln kann. Der politische Wille sei nicht da. Wer ihn hätte, sei zu schwach, ihn durchzusetzen. Deshalb sei von "leben" nicht zu reden, lediglich von "überleben".

        An der Haustür des Mietshauses, in dem wir wohnen, ein Plakat: "Kommen sie zum Verkauf von Konfiskat am ...vor/im Kulturhaus des Reifenwerks Rosava." Um zu überleben, riskieren einzelne kleine Geschäftsleute, mit aus der Türkei direkt oder aus China über Vermittler spottbillig eingekauften Gebrauchsgütern ohne Handelslizenz im Trubel des Marktes Sonnabends/Sonntag die Ware mit kleinem Gewinn loszuschlagen. Die Kontrollen der Steuerfahndung bringen den Erfolg, dass sich bei lizensierten "Wiederverkäufern" diese Ware sammelt und besagte Verkaufsaktion gestartet wird.

        Da ich hier sehr vorsichtig selbst nur mit Zustandsbeschreibungen bin, um nicht als persona non grata aus der Familie gerissen zu werden, rede ich lieber über den großen nördlichen Nachbarn. In Russland haben zumindest Präsident und Außenminister aufgeatmet. Selbst wenn Präsident Obama ab und an eigene unvorhergesehene Wege einschlägt - er ist bekannt und folglich berechenbarer. Die Zusammenarbeit kann besser werden.

        Was den deutschen Internetnutzern vielleicht schon aufgefallen ist: die Nicht-doch-Zensur in Russland. Es gibt seit einigen Tagen eine technisch hervorragend ausgerüstete Zentrale, deren Aufgabe darin besteht, alle Darstellungen und Verherrlichungen von Kinderpornographie, Suchtmittelgebrauch und Suizid im Internet zu finden und zu unterbinden. Um vor allem die unkritische junge Generation davor zu schützen.
        Die Frage ist wie immer in solchen Bereichen: sind die damit befassten Personen Leute mit Gewissen?

        Ein mir sehr sympatischer, kluger und kritischer Ukrainer hat diese Eigenschaft genannt, als er den neuen russischen Verteidigungsminister Schoigu charakterisierte. Meine ich auch.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

P. S.

        Wir in der DDR waren ehrlicher. An unseren Freikörperkulturstränden (FKK) konnte jeder schamhaft oder schamlos - Ansichtssache - sich voll bräunen lassen oder anderen live dabei zuschauen. In der BRD sind diese harmlosen Sitten strenger - dafür quellen die Massenmedien von Porno über.
        Weil mir hier ab und an Seiten, die unverfänglich beginnen, vom Provider anschließend als "nicht verfügbar" gemeldet werden, hat das damit zu tun, dass hier die "Zensur" dafür existiert. Was von einigen vielleicht als mangelnde Meinungsfreiheit bemeckert wird. Ich kann damit gut leben.





Dienstag, 6. November 2012

Wieder Minister!

        Wer selbst bloggt, wird wissen, dass ab und an ein Anstoß da sein muss. Deren waren es mehrere - bis auf den jetzigen. Der Reihe nach.

        J. W. v. Goethe hat einen Satz geschrieben, den Journalisten kennen sollten: "Wahrheitsliebe zeigt sich darin, dass man überall das Gute zu finden und zu schätzen weiß."

        Weil ich gestern in einem anderen russischen Fernsehprogramm den Gouverneur des Gebietes Krasnodar sah, wie er ruhig und sachlich neue Mieter in neue Wohnungen einer der beiden Neubausiedlungen in der vom Hochwasser fast völlig vernichteten Stadt Krymsk begleitete, will ich mich bei ihm entschuldigen. Denn mein Post vom 13.10. d. J. "Putin ist weit" war auf Basis einer anderen Fernsehsendung doch etwas zu scharf - wenn auch berechtigt. Es ist immer "Der Teelöffel Teer in einem Honigfass", welcher den Gesamteindruck beeinträchtigt. Die Wohnungen der nächsten Neubausiedlung sind vor der Fertigstellung - was geschaffen wurde, kann sich sehen lassen.

        Dann hat endlich in Russland auch die lange fällige Aktion zum Schutz der Nichtraucher begonnen. Die Regierung hat erste Beschlüsse zur drastischen Einschränkung des Rauchens an öffentlichen Plätzen gefasst. Die Duma wird die Gesetzentwürfe absegnen, denke ich. Dann wird endlich auch in diesem Land die Anzahl der auf Rauchen und seine Nebenwirkungen zurrückzuführenden Todesopfer zurückgehen - gegenwärtig etwa 400.000 Menschen jährlich.

        Als ich am 27.10. den Post "Werden Köpfe rollen?" schrieb, war ich sicher, dass diese Situation bereinigt werden wird. Allerdings hat mich die Personalentscheidung des russischen Präsidenten erst überrascht - und dann richtig gefreut.
        Es ist für einen Berufsoffizier selten, dass er mit einem Militär aus der Führungsspitze der Armee, in welcher er Dienst versieht, eine Art enges Verhältnis aufbauen kann. Hier ist der neue Minister lediglich eine Person, mit der mich keine professionellen Bedingungen verbinden - außerdem bin ich ja Deutscher. Allerdings habe ich eine sowjetische Militärakademie abgeschlossen und verfolge im Original, was Armee und Flotte Russlands angeht.
        Diese überraschende Ernennung des vorherigen Ministers für Zivilverteidigung und Katastrophenschutz (s. Post "Mein Minister" vom 13.07.2012) und kurzzeitigen Gouverneur des Gebietes Moskau Sergej Schoigu auf den Posten des russischen Verteidigungsministers zeigt mir, dass Präsident Putin den Kurs auf Kompetenz und Redlichkeit im Amt pragmatisch fortsetzt.

        Dem neuen Minister wünsche ich - auch wenn das ihn kaum erreicht - im Interesse aller russischen ehrlichen Militärs weiter viel Gesundheit und Schaffenskraft. Durchsetzungsvermögen hat er ...

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger