Samstag, 10. Oktober 2015

Sechs Wochen abwesend ...

Durch eine Operation am linken Kniegelenk war ich für sechs Wochen in der Heimat ferngehalten, habe ich hier nichts geschrieben. Weil ich nichts davon halte, nur die Meinung Dritter wiederzukäuen oder zu kommentieren. So wichtig wie das Letztere ab und an sein kann. Aber eben auch nur bei genauerer Kenntnis der Dinge. 
Seit Mitte August hat sich hier im Inneren nichts für die Allgemeinheit wesentlich positiv Wirkendes ereignet. So sagen es zumindest die ernst zu nehmenden Leute aus unserer Umgebung. Aber auch im Fernsehen werden recht offen erst vor kurzem abgelaufene Vorgänge kritisiert, die dem Land insgesamt keine Ehre machen. 
Was alle Menschen begrüßen, ist gemäß den Verhandlungen von Paris die Einstellung der Kampfhandlungen an der „Nordost-Front“ und dazu noch der Abzug einiger Arten von Maschinenbewaffnung mit Geschoßkalibern unter 10 cm auf 15 km von der Frontlinie. Darauf sollen bis 18. Oktober alle Granatwerfer ebenso abgezogen werden. 
Weil aber die Separatisten ihre Anhänger entweder nicht unter Kontrolle haben oder es darauf anlegen, kommen ständig Provokationen mit Schützenwaffen vor. Also Verstöße gegen den abgesprochenen eingestellten Waffeneinsatz, die häufig unter den patriotisch gesinnten Verteidigern wieder Opfer kosten. 

Der ukrainische Premierminister rief das Parlament – die Werchownaja Rada – auf, doch unbedingt das Paket der von der Regierung eingebrachten Gesetzesvorschläge anzunehmen, weil nur dann die Visafreiheit in Sicht und die nächste Tranche der Finanzhilfe vom internationalen Währungsfond kommen wird. Für den Fall, dass einzelne Abgeordnete die Stimme verweigern, schlägt er vor, ihnen die Diplomatenpässe zu entziehen, damit sie sich wie alle anderen Bürger in die Warteschlangen vor den ausländischen Konsulaten einreihen könnten. Eine Art "Strafe für sowjetische Verbraucher". 
Während einerseits der ukrainische Justizminister verkündet, dass die bisher sehr aufwändige Registrierung eines neuen Unternehmens nun in einem Tag erledigt sein kann – ein Fortschritt im Computerzeitalter – ist das Schließen vieler Kleinstunternehmen (Kioske) deutlich sichtbar, weil sich die Inhaber keine der amtlich geforderten Registrierkassen leisten können. 

Der „Bernsteinkrieg“ in der Westukraine geht weiter. Kaum ein Westeuropäer weiß, dass in den sandigen Gebieten Wolhyniens und nahe dabei (ähnlich der polnischen und russischen Ostseeküste) Bernstein im Tagebau abgebaut werden kann. Das nutzen einerseits viele Arbeitslose für einen schmalen Lebensunterhalt aus, müssen das gefundene aber veräußern. Das große Geschäft machen jene, die den ohne Lizenz gegrabenen Bernstein aufkaufen und im großen Stil ins Ausland verbringen. Da geht vieles nur mit Bestechung und Vetternwirtschaft, gegen welche das „Antikorruptionsbüro“ wirksam vorgehen soll. 
Jedoch stellen die meisten meiner Gesprächspartner darauf ab, dass es bisher über die Vorwürfe wegen Bestechung hinaus noch nirgends von rechtskräftigen Verurteilungen zu hören war. 
Meine Entgegnung, dass vielleicht die Reform in der Rechtsprechung noch nicht beendet sei, man von den amtierenden Richtern also keine gerechten Urteile erwarten könne, wird zur Kenntnis genommen - mehr nicht. Eine Antwort: viele der Beschuldigten haben inzwischen das Land bereits verlassen. Aber immer noch flössen beachtliche Valutabeträge in die offshore-Banken… 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr 

Siegfried Newiger





Samstag, 26. September 2015

Erzwungene Enthaltsamkeit



Zum Grund der "Enthaltsamkeit" kann wer will etwas unter "Erlebnis Leben.com" lesen. 
Weil ich seit Mitte August 2015 nicht in der Ukraine war, kann ich die aktuelle Situation im Lande nur bedingt einschätzen. Die Dinge dort werden hier in Deutschland eigentlich nur am Rande behandelt. Denn das eigene Hemd „Flüchtlinge“ ist näher als der ukrainische Schal. Nur sollte nicht vergessen werden, dass selbst in dem osteuropäischen Land etwa 1,4 Millionen Personen auf der Flucht sind. Selbst wenn sie schon größtenteils mehr oder weniger notdürftig untergebracht sind – auch sie blicken teilweise nach Westen. In zweierlei Hoffnung: auf wesentlich wirksamere Hilfe sowohl als auf Einreise. 
Wenn sie es überhaupt mitbekommen haben, dass die fünf deutschen "Eurofigther" im estnischen Ämaari bei jedem Alarm mit voller Bewaffnung starten, juckt sie diese Art der Hilfestellung gegen Russland wenig. Auch wenn der deutsche Luftwaffeninspekteur Müllner meint, dass diese volle Kampfausrüstung mit schwerer Bewaffnung für die Moral der Truppe wichtig sei. Die geflohenen Ukrainer haben von dieser nach meiner Auffassung unnötigen Geste gegenüber Russland direkt nichts. So, wie mir im Januar/Februar 1945 auf der Flucht vor der Ostfront alles andere egal war außer Essen für uns und ein warmes Nachtlager. Deshalb kann ich arabische Muslime und ukrainische orthodoxe Christen in ihren Bestrebungen voll verstehen. Selbst wenn einige darunter sind, deren Ziele ganz anders bewertet werden müssen. 
Die langwierigen Gespräche der drei Außenminister Steinmeier, Lawrow und Klimkin in Berlin am 13. September beweisen andererseits, dass deutsche Politiker aktiv um die Beilegung des Konflikts im Donezbecken bemüht sind. Positiv ist, dass seit etwa zwei Wochen die Waffenruhe entsprechend dem Minsker Abkommen erstmalig relativ dauerhaft eingehalten wurde. 

Die Handlungen der Krim-Tataren, ihre gemeinsame Blockade von aus Russland eintreffenden Lebensmitteltransporten an dem Zugang zur Krim, einem regelrechten „Flaschenhals“, um gegen die Menschenrechtsverletzungen Russlands gegenüber dieser nationalen Minderheit zu protestieren, finden immer mehr Unterstützung auch auf der Halbinsel, wie ich von vertrauenswürdigen Gewährsleuten erfuhr. Auch wenn damit eine Verschlechterung der Versorgung verbunden ist. 
Diese Aktion wird gewiss eine Winzigkeit an der Position Präsident Putins vor der UNO am 28.09.2015 nagen. 

Zuletzt ein Strich im Geschehen. Wenn Sie Russisch verstehen, können Sie das folgende Video gewiss direkt auswerten.  https://www.youtube.com/watch?v=-KAdvHFwiqA  
Für mich ist es im Kontext mit einer Twitter-Bemerkung des amtierenden Ministerpräsidenten Jazenjuk verständlich. Er fordert in ihr die Änderung des bestehenden Systems. Im Video ist der Gouverneur von Odessa, Michail Saakaschwili, etwas direkter. Er meint, dass der mit seinen Reformen gescheiterte Pan Jazenjuk von seinem Posten abberufen werden sollte. In diesem Zusammenhang mehren sich die Stimmen, welche die Berufung eben des Herrn Saakaschwili in diese Funktion sehr deutlich befürworten. 
Wir werden sehen. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Samstag, 19. September 2015

Janis Varoufakis im Gespräch



Den Post beginne ich einmal anders – mit einem Zitat von der ersten Seite des „neues deutschland“ (nd) vom19./20. September 2015: „Der US-Ökonom und Träger des Wirtschaftsnobelpreises E. Stiglitz ist von Janis Varoufakis beeindruckt, sieht nicht SYRIZA, sondern die Gläubiger-Politik gegenüber Griechenland als gescheitert an und kritisiert das demokratische Defizit Europas.“ Zitat Ende 
Als ich heute Morgen den dunkelrosaroten Blickfang der obigen Zeitung sah und das Zitat ganz las, nahm ich das Blatt mit. Um daheim den gesamten Artikel zu lesen. Er war so gut wie erwartet. Bleibt zu hoffen, dass die geäußerte Meinung auch zu jenen dringt, welche an den Schalthebeln der ökonomischen Entscheidungen sitzen. 
Denn eigentlich hat Herr Stiglitz mich überholt. Nicht, was den Nobelpreis anbetrifft. Weil ich doch nicht größenwahnsinnig bin. Aber zu Janis Varoufakis hatte ich hier aus ähnlichem Grund schreiben wollen. Der Anlass: ich habe sein Buch „TIME FOR CHANGE – Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre“ (Carl Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-44524-6) fast in einem Atemzug ausgelesen. 
Was ich vor Jahrzehnten bei Karl Marx mit gewissen Schwierigkeiten lernen konnte – weil ich musste – ist hier leicht fasslich und mit praktischen Beispielen aus der von ebendiesem Marx im Wesentlichen zutreffend vorausgesagten wirtschaftlichen Jetztzeit sachkundig und sinnvoll angereichert. Die Leichtigkeit der Darlegung zeigt, wie sehr Varoufakis den Stoff beherrscht. Der zweite Teil des Titels rührte mich an. Der Verfasser hat eindeutig keine anderen Ambitionen als die von ihm formulierten. Nur: sie sind bescheiden ausgedrückt – das Buch sollte Literatur für alle oberen Gymnasialklassen sein! 
Wenn im Gespräch mit Simon Poelchau (nd) Herr E. Stiglitz zu J. Varoufakis formuliert: „Er ist eine sehr dynamische Person und ein sehr guter Ökonom.“ – dann vertraue ich dem Mann, welcher 1999 unter Protest seinen Posten als Chefökonom der Weltbank verließ. Weil er deren Politik nicht vertreten wollte. Allerdings bin ich dann auch gezwungen, seine im erwähnten Gespräch geäußerte Meinung zu Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu akzeptieren: „Es war eindeutig, dass er die Krise nicht aus den Augen eines Ökonomen betrachtet. Für Schäuble geht es nur darum, dass in Europa die Regeln eingehalten werden.“ Diese Einschätzung ist leider bitter.
Die harsche Kritik von Mister Stiglitz daran, dass Europa Regeln nicht ändern will, welche es kaputt gemacht haben (so von ihm gesagt - kaputt), sollte die Entscheidungsträger aufmuntern, sich damit zu beschäftigen. Aber die werden abwimmeln. Weil sie „neues deutschland“ nicht lesen, kennen sie auch das Gespräch nicht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. 
Oder doch? 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger









Donnerstag, 6. August 2015

Hiroshima gedenken...



Was an diesem Tag vor 70 Jahren in der japanischen Stadt Hiroshima geschah, ist heute einerseits unvorstellbar, andererseits denkbare Bedrohung. Heute Abend läuft erneut im russischen Kanal „Unser Planet“ der Film zu diesem schrecklichen Ereignis. 
Hier ziehe ich ein Zitat vor, geäußert vom Franzosen Peter Abaelard vor etwa 900 Jahren: „Das sittlich Gute oder Boese liegen in der Absicht, nicht in der Handlung.“ Mit diesen Worten bin ich einverstanden. Sie gehen besonders alle jene etwas an, welche kriegerische Handlungen planen. Einschließlich jener im ukrainischen Donbass. 
Der Einsatz der Atombombe in Hiroshima – kurz darauf in Nagasaki – sollte nach offizieller geschichtlicher Lesart die japanische Seite zur Beendigung des Krieges zwingen. Das aber war bei der fürchterlichen Wirkung der Kernwaffe zu erwarten. Sachlich ist es jedoch ein Kernwaffenversuch an Zivilisten gewesen. Für den Massenmord an rund 230.000 Menschen allein in Hiroshima haben sich Offizielle der USA meines Wissens niemals entschuldigt. Ja, Hiroshima war auch Garnisonsstadt – aber die Opfer waren in erster Linie Zivilisten. Ein in 2009 gestorbener, ehemaliger Pressefotograf der Armee hat zwei Fotos gemacht von der Brücke über den Fluss, auf welche einige der mit vielen und großflächigen Brandwunden übersäten Menschen sich in Hoffnung auf Rettung geflüchtet hatten. 
Die Aussagen einzelner, wie durch ein Wunder überlebender japanischer Augenzeugen sowie die spätere Auswertung dieser Fotos durch erfahrene japanische Ärzte und Physiker konnte mit nachweisen, dass die überwiegende Anzahl der Opfer eben durch die Strahlenverbrennungen getötet wurden. 
Für mich ist augenscheinlich, dass von US-amerikanischer Seite dieser Waffeneinsatz in jeder Beziehung ein Test sein sollte. Denn alle später von US-amerikanischen Ärzten und anderen Kommissionsmitglieder angefertigten Protokolle, Messergebnisse und Proben konservierten menschlichen Gewebes wurden als „Geheim“ eingestuft und standen zur Zeit, als der Film gedreht wurde, noch nicht zur Auswertung offen. 
Allerdings hat auch die japanische Seite an den Ereignissen grausamen Anteil. Ein Zeuge, zu dem Zeitpunkt junger Soldat, wurde zur Evakuierung auch von Personen auf oben erwähnter Brücke eingesetzt. Der dem Kommando gegebene Befehl: nur junge Soldaten retten. Deutlich wurden Frauen und Kinder ausgenommen – ein Zeichen dafür, dass die Entscheidungsträger vor Ort nicht an Aufgabe, sondern an die Fortführung des Krieges dachten. Als ich die sicherlich gestellte, aber auf Augenzeugenbericht beruhende Szene davon sah, wie ein Soldat einbittendes kleines Mädchen abwies, habe ich vor Wut fast geheult. 
In meinem Post  http://mein-ostblock.blogspot.com/2015/07/dilemma.html habe ich versucht deutlich zu machen, dass Soldaten im Schützengraben oder im Cockpit des Bombers keine Wahl mehr haben, wenn sie durch eine Berufswahl oder persönliche „Berufung“ (bzw. Mobilmachung) an die jeweilige Stelle gekommen sind. Wie Völker ihre Politiker zwingen können, mehr auf echte Gemeinsamkeit hin zu arbeiten statt auf bewaffnete Auseinandersetzung, weiß ich nicht. 
Dass dies aber nötig ist, beweist das Gedenken an Hiroshima. Nicht nur mit Schweigeminuten! 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger