Montag, 29. Juli 2013

Kreuz und Kreuzer

In der Vorwoche wurde in Russland die Vorfeier zum „Tag der Taufe des russischen Volkes“ zelebriert. Dazu waren als Leihgabe aus Griechenland die Reste des Kreuzes gebracht worden, an dem nach der Überlieferung der Apostel Andreas der Erstberufene gekreuzigt wurde. Zu dieser hierher per Flugzeug transportierten Reliquie der orthodoxen Kirche bekamen die russischen Christen fast eine Woche lang Zutritt. Die Reihe der geduldigen Besucher war extrem lang und die Öffnungszeiten der russischen Hauptkirche mussten mehrfach den Bedürfnissen angepasst werden. Die Versorgung der Wartenden durch freiwillige Helfer mit Tee, Trinkwasser und einfachem Brei aus der hier geschätzten Buchweizengrütze war gewährleistet.
An einem feierlichen Gottesdienst mit dem russischen und ukrainischen Patriarchen in dieser  Kirche hatten die höchsten Kirchenvertreter aus insgesamt 15 Ländern teilgenommen. Sie waren anschließend auch von Präsident Putin empfangen worden.

Am gestrigen Sonntag nun gab es das erste zum Thema passende Ereignis in Kiew: die Eröffnung des Zutritts der hiesigen Gläubigen zu genannter Reliquie. Sie war am Vorabend mit einem Sonderzug aus Moskau hierher gebracht worden. Mit dem waren auch alle oben erwähnten Kirchenfürsten gekommen.
Mit einem hier so genannten VIP-Gottesdienst davor gab es das den eigentlichen Feiertag – zurückgehend auf den 28. Juli 988 – prägende Ereignis. Denn an ihm nahmen die Präsidenten der Ukraine, Russlands, Serbiens und Moldawiens teil. Sie bekreuzigten sich formvollendet.
Schon lange nicht mehr habe ich in den Massenmedien so häufig die Wortverbindung „Kiew – die Mutter der russischen Städte“ (Киевмать городов русских) gehört und gelesen wie an diesem Tag. Das erinnert mich an eine provozierende Frage: was ist der Unterschied zwischen Gott und Historikern? Die Antwort: der Allmächtige kann die Geschichte nicht mehr ändern…

Der – nicht immer ganz freiwillige – Taufakt vor 1025 Jahren im Dnepr wurde von Fürst Wladimir veranlasst. Deshalb besuchten die hohen Gäste auch den Wladimir-Hügel in Kiew. Besonders ist für mich anzumerken: der ukrainische Patriarch alle Zeit ohne Leibwache. Seine Antwort an Journalisten sinngemäß: „Für mich brauche ich keine Leibwache. Ich gehe mit Gott zum Volk. Warum mich dann abschotten? Der HERR ist mein Schutz.“
Verbindet ihn für mich deshalb ein wenig mit dem bescheideneren Papst aus Rom.
Hier ist anzumerken: ich bin Atheist.

An diesem Sonntag gab es eine militärische Komponente: der „Tag der russischen Kriegsmarine“ und jener auch der ukrainischen wurde hier in Sewastopol gemeinsam begangen. In dem Hafen, in welchem Teile der russischen Schwarzmeerflotte zeitweilig Heimatrecht haben.
Die Präsidenten der Ukraine und Russlands bekamen von den Kommandierenden der Paradeteile die Meldungen über die Bereitschaft zur militärischen Show, dann fuhren sie im „Admiralsboot“ die Paradeordnung ab und begrüßten die Teilnehmer. Insgesamt 20 Einheiten nahmen an ihr teil. Die Verbindung in der Überschrift zu den Kreuzern: das Andreaskreuz in Blau ziert die Fahne der russischen Kriegsmarine.
International dürfte in diesem Zusammenhang wieder die Erklärung von Präsident Janukowitsch beachtet sein, in welcher er die strategische Partnerschaft mit Russland betonte.

Abends fand in Kiew ein Konzert statt – auf dem Unabhängigkeitsplatz. Der und die anliegende sehr kurze, aber recht breite Hauptstraße, der Krestschatik, waren voll festlich gestimmter Menschen – die Kameras zeigten erstaunlich viele Priester in ihren dunklen Gewändern. Das Programm – eine geschickte Mischung ukrainischer und russischer Volkslieder, von denen die meisten mitgesungen und zu denen auch spontan getanzt wurde. Als der vor allem laute Teil mit zeitgenössischen Weisen begann, tat ich, was ein kluger Mensch als den Vorteil aller elektronischer Medien bezeichnete. Ich schaltete ab – weder die Melodien noch die als Tanz ausgegebenen Zuckungen der jungen Leute können mich begeistern.  

Allerdings erwischte ich auch noch ein Propagandaelement aus der Mottenkiste. Zur Zeit der Präsidentschaft von Herrn Justschenko gab es dafür die „arme alte Frau“ Paraska, welche ständig irgendwo ins Bild kam und Lobeshymnen auf ihn sang.
Hier wurde diesmal eine relativ gut, aber nicht besonders geschmackvoll gekleidete, jedoch nicht besonders helle Dame ins Licht gesetzt, um mit einigen –zig Protestierenden Stimmung gegen den Besuch von Wladimir Putin zu machen. Sie schien ihren Text nicht besonders gut gelernt zu haben. Deshalb rief sie laufend nach dem ukrainischen Le Pen, Herrn Oleg Tjagnibok. Das hilflose „Oleg, Oleg!“ sowie ihr zielloses Umherirren wurden bald peinlich, die Szene abgeschaltet.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







Mittwoch, 24. Juli 2013

Löwenpark

Der Löwenpark „Taigan“ hat mit der namentlich bekannten Taiga nicht unbedingt etwas zu tun. Außer der Tatsache, dass auf einem riesigen, natürlich belassenen Freigelände hier die dort fehlenden vielen Löwen leben. Also mit einer bedingten Freiheit. Das 32 Hektar große ehemalige Militärgelände wurde sinnvoll gestaltet. Dort, wo nach meiner Meinung schon immer alte Bäume standen, wurden diese organisch in das deutlich jüngere Ensemble der Bauten eingefügt – genauer: sie wurden zweckmäßig ansprechend umbaut. Damit sieht es bei oberflächlichem Hinschauen aus, als ob auf dem Gelände schon vor langer Zeit ein Park gestaltet wurde.
Über einen hohen metallischen „Laufsteg“ werden die Besucher den Löwen vorgeführt. Denn die Simbas liegen gewöhnlich faul in der Sonne, Ausnahmen gibt es aber. Gemächlich trollen sich einzelne Tiere an einen anderen Liegeplatz. Der auch im Schatten des Motors eines Transport-LKW`s sein kann. Sieht aus, als ob der vierbeinige Fahrer dort etwas repariert… Sonst sollen besondere Aktivitäten, wie unsere Gastgeber aus eigener Anschauung berichteten, die Zeiten der Fütterung sein. Einschließlich gefährlich aussehendem Gerangel um die besten Stücke.



Im ganzen Park ist Füttern erlaubt – allerdings vernünftiger Weise nur mit den dafür zum Kauf in einzelnen Pavillons angebotenen Produkten – rohes Fleisch für Raubtiere eingeschlossen. Das senkt sicher ein wenig die Kosten für die Fütterung durch den Zoo selbst. Aber macht vor allem auf die Kinder den unvergesslichen Eindruck.
Besonders dann, wenn die Eltern noch einige Fotos mit einem Löwen- oder Tigerjungen bezahlen (rund 5 Euro). Das macht sogar Erwachsene Freude – wie das Foto von Natascha mit Tigerkind belegt.
  
           Selbst mache ich beim Füttern eher einen etwas angespannten Eindruck. Denn dass mich eines der Tierlein wenn schon nicht beißen, so doch aber schmerzhaft in einen Finger kneifen könnte, war doch nicht auszuschließen. Außerdem möchte man ein wenig gerecht verteilen, wenn sich die Tiere auch drängeln.

Es gibt außer der Erlaubnis die Tiere zu füttern noch einen etwas eigenen „Service“. Das Angebot, im zum Park gehörenden Hotel für eine Nacht gegen einen erheblichen Aufpreis einen Junglöwen mit im Zimmer zu haben. Das finde ich schon etwas übertrieben.

Außerdem gibt es einige dem Publikumsgeschmack (herrührend aus Märchen ) untergeordnete Details der Gestaltung, die mir nicht gefielen. Ein Beispiel: Steinpilze wachsen eben nicht auf Wiesen – auch werden sie von Igeln nicht gesammelt. Das widerspricht ein wenig dem im Wesentlichen auf Aufklärung ausgerichteten Stil des Parks.
Dafür wurden wir ausführlich darüber informiert, dass die weißen Löwen im Park keine Albinos oder ähnliches sind, sondern aus einem bestimmten Gebiet in Afrika stammen, das ich mir jedoch nicht gemerkt habe und wo sie häufiger sind. Sie besitzen keine für Albinos typischen roten Augen. In freier Wildbahn haben sie es schwerer zu überleben – Beutetiere bemerken sie rascher und flüchten.

Die Leitung des Löwenparks hat noch sehr umfangreiche Pläne, für die man gutes Gelingen wünschen darf. Wie unsere Gastgeber berichteten, sind z. B. im Kampf um den kostenfreien Parkplatz vor dem Park von gewissenlosen Schuften mehrere wertvolle Tiere vergiftet worden, darunter ein Tiger und ein Menschenaffe.

Wie aus den Berichten zu meiner Krimreise zu sehen, gibt es in der Ukraine einiges zu entdecken. Auch wenn ein Schriftsteller aus der ehemaligen DDR recht hatte mit seinen Worten:                                                                                                                                                 
„Reisen – das ist die Erwartung, dass es anderswo anders ist.
Reisen – das ist die Enttäuschung, dass es anderswo anders ist.“

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr


Siegfried Newiger    




                                                                                                                                                                        

Dienstag, 23. Juli 2013

Sewastopol ist die Reise wert

Wir hatten den zweiten Tag etwas unglücklich geplant – uns zu viel vorgenommen. Nach dem Besuch von Balaklawa gab es nur eine kurze Fahrt durch Jalta und danach die Reise nach Sewastopol.
Die Stadt gefiel mir. Sowohl was die Lage, aber auch die wiederhergestellte Bausubstanz betrifft. Die halbstündige Kutterfahrt über die Buchten bei gutem Wetter mit einer sehr überlegten Darstellung der wirtschaftlichen und militärischen Geschichte des Hafens und seiner Erbauer wie auch Nutzer bot viel Bedenkenswertes. Erneut kam der Krimkrieg von 1853 bis 1856 ins Gespräch.
Er kostete zur Abriegelung der Einfahrt in den Hafen einen Teil der russischen Schwarzmeerflotte – die Schiffe wurden dort versenkt. Ihnen zum Gedenken wurde eine Säule mit einem Adler darauf errichtet – auf Höhe ihrer Versenkung. Wir bekamen sie bei einem ausgedehnten Spaziergang am gut ausgebauten Ufer erneut zu sehen.
Die britische Leichte Brigade vor Balaklawa verlor von 463 Kämpfern 110 an Toten und fast vierhundert Pferde, die an dem Krieg sicher nicht mitschuldig waren. (siehe vorheriger Post) Dann kam von russischer Seite die Opferung der Schiffe und die fast einjährige Verteidigung von Sewastopol – die Menschenopfer sind schwer zu erfahren.

Was aber sind das für Zahlen im Vergleich mit jenen aus dem Zweiten Weltkrieg, in welchem in Sewastopol während 250 Tagen Belagerung fast kein Stein auf dem anderen blieb?                                                                   
Dann ergab sich anschließend für mich die Frage aus dem Besuch der unterirdischen Werft: wer hätte das Recht auf Überdauern in den Kasematten von Balaklawa vor einem Kernwaffenschlag auf sie bekommen? Von wem war die Entscheidung über Tod oder späteres Vegetieren in der Atomwüste zu treffen? Wie verdrängt militärisches Kalkül auf allen Seiten die dringend überlebenswichtigen Überlegungen: was ist vorrangig zur Stabilisierung von Frieden in allen Regionen der Erde zu tun? Alle diese Fragen habe ich unseren Gastgebern nicht gestellt.

Denn wir hatten noch ein Treffen vor uns. Schon in der Dämmerung fuhren wir nach Simferopol. Dort trafen Anatolij und Natascha, die beiden Absolventen des Bautechnikums, ihren Studienfreund – nach extrem kurzer telefonischer Anmeldung. Die Telefonnummer hatte meine Frau mit fast kriminalistischer Findigkeit herausbekommen. Wie das so häufig mit ähnlichen Treffen ist – das unvorbereitete Wiedersehen nach 38 Jahren wurde ein voller Erfolg. Wir fanden ein kleines preiswertes Cafe, in dem wir etwa zu Abend aßen, wo vor allem aber Erinnerungen ausgetauscht wurden. Nach etwa zwei Stunden fuhren wir weiter und kamen gegen ein Uhr nachts endlich ins Bett. Mit dem Plan, am nächsten Tag gut ausgeschlafen den „Löwenpark Taigan“ zu besuchen.
Er ist bei dem Ort Belogorsk zu finden und der einzige Tierpark in Europa, in welchem auf einem Gelände von 32 Hektar mehr als 50 Löwen leben – vorwiegend im Freigehege. Aber dazu mehr im folgenden Post.


Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




Samstag, 20. Juli 2013

Balaklawa unterirdisch...

                Die felsige Straßenschlucht von Balaklawa ist bekannt durch die dort am 25. Oktober 1854 verlaufene Schlacht im Krimkrieg zwischen den russischen Streitkräften und jenen dort vereinigten Kontingenten Englands, Frankreichs und der Türkei. Die militärische Beurteilung ist widersprüchlich. Denn es ist häufig davon die Rede, dass es ein auf Irrtümern beruhender und wegen persönlichen Antipathien nicht richtig übermittelter Angriffsbefehl an die britische Leichte Brigade war, der Auftakt zu deren verlustreichem „Todesritt“ wurde.

                Unsere Gastgeber luden uns ein, am Tag nach unserer Ankunft in Nishnegorskij mit ihnen über Jalta nach Sewastopol zu fahren. Die Idee, einen Abstecher nach Balaklawa zu machen, um das dortige U-Boot-Museum zu besuchen, kam ihnen erst unterwegs. Da ich mich vor der Reise ein wenig mit der Krim und ihrer Geschichte vertraut gemacht hatte, war mir die politische Situation in etwa geläufig. Auch, dass der ehemalige sowjetische Generalsekretär der Kommunistischen Partei Nikita Chrustschow unter Verletzung der sowjetischen Verfassung die Krim der Verwaltungshoheit der Ukraine untergeordnet hatte. Vom genannten Museum hatte ich aber noch nie gehört.

                Auf dem Weg gab es zusätzlich eine Überraschung. Wir sahen noch die Reste der schon beseitigten Erdrutsche, welche in diesem Jahr infolge heftiger Regenfälle auf der Krim an der Strecke Simferopol-Jalta erst vor kurzem zur Vollsperrung der Straße geführt hatten. Wir erfuhren, dass das auf der längsten mit Oberleitungsbussen befahrenen Strecke in Europa natürlich extreme Behinderungen im Berufsverkehr mit sich gebracht hatte.

                Der Wechsel von der eher „sanften“ Hügellandschaft um Nishnegorskij zu der felsigen Gegend um Jalta war recht beeindruckend. Auf mich als Militär im Ruhestand machte allerdings die atombombensicher in das Felsmassiv untergebrachte Werft für U-Boote der Schwarzmeerflotte einen viel größeren Eindruck. Deren Ausbau begann 1953.
                Der Zugang zu dem rund 600 m langen Kanal, in welchem gleichzeitig 5 mittlere oder 7 kleine U-Boote Platz fanden, war geschickt getarnt worden. Einlaufen bzw. auslaufen durften die U-Boote nur in der Dämmerung oder nachts. Die 5 m dicke Stahlbetondecke des Kanals mit dem Felsmassiv darüber hielt nach den Berechnungen eine Explosion aus, die von Kernwaffen mit dem 10-fachen Potential der in Hiroshima eingesetzten stammen konnte.
                Die in drei streng voneinander geteilte Sektionen unterteilte Werft besaß etwa 600 Mitarbeiter als Stammbelegschaft, dazu die kaserniert unterirdisch untergebrachten U-Boot-Besatzungen. Die Räumlichkeiten waren so ausgelegt, dass kurzzeitig bei Gefahr atomarer Angriffe etwa 3000 Personen gesamt behelfsmäßig untergebracht werden konnten. Das ausgefeilte Sicherheitssystem verlangte, dass jeder Mitarbeiter 5 verschiedene spezielle Ausweise bei sich führen musste. Wer in der ersten Sektion arbeitete (Entladen und Vorbereiten der Überholung), kannte gewöhnlich niemanden von jenen, welche zur speziellen Sektion „Aufrüstung mit Raketen mit Atomsprengköpfen“ gehörte.

                Während unsere Frauen darüber moserten, dass während der rund 20 Minuten „Seereise“ auf dem 8 m tiefen Kanal kein außer Dienst gestelltes echtes U-Boot zur Besichtigung vor Anker lag, bewerteten wir Männer den aberwitzigen Aufwand an Mitteln und Kräften, die dem Lande anders hätten zu Geltung verhelfen können. 

              Warum musste die Doktrin des „Wer nicht mein Freund ist, der ist mein Feind!“ damals und heute greifen an Stelle des „Wer nicht mein Feind ist, der ist mein Freund!“?

Fortsetzung folgt!


Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







Donnerstag, 18. Juli 2013

Reise, Reise...

                Die Überraschung am Vorabend: der Yoga-Viktor. Den hatte ich vor etwa einem Jahr kennen gelernt, als er mit einem nach Kanada ausgewanderten Landsmann, welcher jedes Jahr in Belaja Zerkov Urlaub macht, an unserem Spazierweg Yoga-Übungen zelebrierte. Ich kam mit dem Hund in einer Übungspause vorbei, wurde höflich begrüßt und freundlich befragt. Seit der Zeit treffen wir uns in unregelmäßigen Abständen auf unseren Spaziergängen. Weil wir, bedingt durch familiäre und andere Ereignisse, uns schon lange nicht gesehen hatten, rief mich Viktor an. Ob ich denn noch meinen Abendspaziergang zur gewohnten Zeit erledige? Ich bestätigte. Er hätte sich nur gern wieder mit mir unterhalten.
                Vor diesem Spaziergang bekam ich einen Auftrag meiner lieben Frau. Ich solle aus einem Geldautomaten auf gewöhnliche Weise unsere Reisekasse  auffüllen. Was ich auch versuchte. Zwei Automaten lehnten meine Karte ab, was mich heftig ärgerte. Denn ich musste weiter wandern als geplant. Allerdings brachte nach deutscher Regel „Alle guten Dinge sind drei!“ der dritte Versuch das erwartete Ergebnis. Meine Natascha korrigierte mich später. In der Ukraine hätte ich zu formulieren „Gott liebt die Dreifaltigkeit.“ Ich vermied eine Diskussion über religiös verbrämte Gebräuche.

                Wegen dieser Ungelegenheiten hatte ich den Viktor schon völlig vergessen, als er plötzlich vor mir auftauchte. Wir begrüßten einander herzlich, tauschten Neuigkeiten aus und waren bald in einer interessanten Unterhaltung. Als wir uns verabschiedeten, reichte er mir den Plastikbeutel, welchen er bei sich trug. „Sie erinnern sich. Ich hatte einmal gefragt, ob sie Honig mögen. Hier ein wenig aus eigener Ernte.“ Ich bedanke mich herzlich. Wie nicht selten hier eine Geste, die den liebenswerten Charakter des achtenswerten Teiles der hiesigen Bevölkerung zeigt. Der dreiviertel Liter Honig erwies sich als von exzellentem Geschmack. Eben Hausmacherart – wie man hier sagt.

                Die Fahrt im Auto quer durch das Land auf die Krim bot nichts so Abwechslungreiches, dass das hier erwähnt zu werden verdient. Die ukrainischen Straßen sind schon abwechslungsreich – es geht da um sehr gute Streckenabschnitte und über Teile, die eher einer Panzerteststrecke ähnlich sind. Jedoch habe ich unter „Wege oder Richtungen?“ in diesem Blog meine Meinung auch zum ukrainischen Straßenbau als ökonomisches Problem gesagt. Also übergehe ich hier einige Bemerkungen… Was angenehm war: das Tankstellennetz mit ausreichendem Angebot an Gas. Wir haben nämlich unseren Skoda auf das wesentlich preiswertere Gas umrüsten lassen.

                Dann gab es da noch die „Fernsorge“ unserer Gastgeber. Sie riefen häufig an, um uns zur rechten Zeit nahe des kleinen Ortes zu treffen, damit wir nach 750 km bei hohen Temperaturen auch richtig ans Ziel kämen. Die Hausfrau ihrerseits wollte mit einem frisch vom Herd genommenen Abendessen glänzen.

Fortsetzung folgt!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger


               


Samstag, 6. Juli 2013

Die Lufthansa und die Russen

Am 01. Juli 2013 flog ich von Frankfurt/M. nach Kiew. An Bord einer Lufthansa-Maschine. Links vor mir über den Gang hin saß ein junger Mann. Nach der Aufforderung des Flugkapitäns in Deutsch und Englisch, für die Startperiode bis zum Signal „Anschnallen beendet“ die elektronischen Geräte auszuschalten, reagierte er erst einmal nicht. Das kann sein, weil er weder die eine noch die andere Sprache verstand. Als ihn die wirklich hübsche Stewardesse darauf aufmerksam machte, doch den Sitz aus der Liegestellung aufzurichten und das iPod auszuschalten, reagierte er erst einmal – scheinbar. Als die junge Frau einige Schritte weiter gegangen war, schaltete er wieder ein. 
Als ich ihn darauf hin derb an der Schulter fasste und in Russisch aufforderte, das Gerät auszuschalten, erregte er sich. Ich hätte ihm das kultiviert sagen können, ohne ihn anzufassen. Mein Argument: man hätte ihn bereits dreimal gebeten, sein elektronisches Gerät auszuschalten – er habe daraufhin unkultiviert mit Ungehorsam reagiert. Ich fühle mich mit für die Sicherheit auch anderer Passagiere verantwortlich, weil ich um mögliche Folgen wisse. Das wurde mit seiner nun regelrechten Handlung beendet – garniert mit einem bösen Blick über die Schulter. 

Weil auf der Plattform „gutefrage.net“ heute eine diesbezügliche Frage gestellt wurde, habe ich etwas in meinen Notizen geblättert, um diesen Post zu schreiben. 

Es gibt eine EU-Vorschrift für den gewerblichen Luftverkehr, die EU-OPS, in der auf Seite 254/11 geschrieben steht: Der Luftfahrtunternehmer darf niemandem an Bord eines Flugzeugs die Benutzung eines tragbaren elektronischen Geräts gestatten, das die Funktion der Flugzeugsysteme und -ausrüstung beeinträchtigen kann, und er hat alle angemessenen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass niemand ein solches Gerät an Bord eines Flugzeugs benutzt." 
Im Betriebshandbuch der Lufthansa steht unter "Elektronische Geräte 11.2.“: „Der ungenehmigte Betrieb von elektronischen Geräten an Bord, z. B. Mobiltelefonen, Laptops, CD-Spielern, elektronischen Spielen und Geräten mit Sendefunktion, Radio-Spielzeug und Walkie-Talkies, ist verboten und kann strafbar sein.“ 

Weil nicht nur die Russen, sondern viele, vor allem junge Menschen, eher bereit sind, einem amerikanischen Flugzeugkonzern zu glauben, hier einige Zeilen dazu. 
Die Zeitschrift "ABC News" zitiert den Experten Dave Carson, der beim Flugzeughersteller Boing diese Probleme bearbeitet. Er sagt, die erwähnten Geräte strahlten Signale aus, welche hochsensible elektronische Sensoren an Bord beeinflussen oder ganz außer Betrieb setzen könnten. Dazu reicht das Signal eines Handys aus. Betroffen sind vor allem Instrumente, die z. B. für Landungen bei schlechtem Wetter zuständig sind. In einem Testraum von Boeing konnte "ABC News" sich von der Wirkung solcher Signale überzeugen. Die Werte für iPhones und Blackberrys lagen über der festgelegten Grenze, iPads noch darüber. 

Der Weltluftfahrtverband hatte im Jahr 2011 eine Studie in Auftrag gegeben, zu untersuchen, wie elektronische Geräte an Bord auf die Flugsicherheit Einfluss haben. Es waren 125 Airlines befragt worden, welche über 75 Vorfälle berichteten, die nach begründeter Meinung von Mitgliedern der Crew auf die elektronischen Geräte der Passagiere zurückzuführen waren. Hier nur ein Beispiel: Auf einem Flug wechselte die Anzeige der Flughöhe rasch. Als man Passagiere aufforderte, ihre elektronischen Geräte auszuschalten, wurde alles wieder normal. 

Was hier steht gilt vor allem dann, wenn die Flugzeuge älter sind. Weil allerdings die Airlines nicht das Produktionsdatum für den von Ihnen gebuchten Flieger dazuschreiben und Sie selbst dann trotz dieser Information die elektronische Störsicherheit der Maschine nicht einschätzen können, gilt: die Aufforderung von Flugkapitän und Stewardessen, für kurze Zeit bei Start und Landung elektronische Geräte auszuschalten, sollte befolgt werden. 

Was hat das eigentlich mit der Überschrift zu tun? 

Die Lufthansa verlässt sich sichtlich und hörbar darauf, dass ihre Passagiere mindestens Englisch sprechen. Im Flieger von Frankfurt nach Kiew hätte es sich nach meiner Auffassung gehört, den Halbsatz aus der EU-OPS zu realisieren: „… und er hat alle angemessenen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass niemand ein solches Gerät an Bord eines Flugzeugs benutzt." Dazu gehört, dass eine Information in der Landessprache des Start- oder Ziellandes erfolgt. Wenn einfach davon auszugehen ist, dass vorwiegend russische oder ukrainische Bürger an Bord sind. 
Vor allem auch deshalb, wenn man in den Chefetagen der Lufthansa wissen sollte, dass ein großzügiger Umgang mit Disziplin zu dem neuen Verständnis der Russen und Ukrainer von Freiheit gehört. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Mittwoch, 3. Juli 2013

Andere Länder, andere Sitten...

          Der Flughafen von Warschau wird mir deshalb in Erinnerung bleiben, weil er mir ganz gegen die Ordnung auf Polens Straßen eine Überraschung bereitete. Wer sich auf Polens Straßen verirrt, kann als Minimum nicht ordentlich lesen. Auf dem Flughafen muss man allerdings auch noch einiges wissen. Zum Beispiel, dass dieses Land mindestens ukrainischen Bürgern die Einreise erlaubt zum Aufenthalt hier - allerdings nicht in den anderen Ländern der Europäischen Union. Das liest sich denn auch bei der Einreise so: NO SCHENGEN. Wer also im Transit weiter will, muss die anderen Gänge benutzen.
          Da nun kam bei dreien aus unserem von Kiew eingeflogenen Flugzeug, welche nach Deutschland weiterreisen wollten, eine kleiner Marsch in die Irre auf uns zu. Am elektronischen Tableau hatten wir gelesen, dass der Abflug nach Berlin vom Gate 34 erfolgen würde. Also gingen wir den Gang "Transit" entlang. An einer Kreuzung liefen wir logischer Weise nicht dorthin, wo die Gates von 1 bis 24 ausgeschildert waren. Als wir zum dritten Mal bei den verwunderten Sicherheitsbeamten unser Gepäck zu Kontrolle durchleuchten ließen und sie mich wegen des Herzschrittmachers einzeln behandelten, kamen wir beiderseitig mit der Frage aufeinander zu, wo wir denn endlich unser Gate finden würden. Einer der beiden geleitete uns zu einer Treppe, an der unauffällig, aber doch deutlich auf Gate 25 - 42 hingewiesen wurde. Unsere kleine Gruppe kam rechtzeitig zum Einchecken. Auch der Herr, der laut meckerte, ließ sich mit meinem sachkundigen Hinweis auf die pass-abhängigen unterschiedlichen Ströme von Reisenden beruhigen. Allerdings wäre ein etwas auffälligerer Wegweiser an wie gewohnt gut sichtbarer Stelle ratsam... 

          Das Erstaunen über einen anderen als übliche Umgang mit Problemen kam nach der Rückkehr in die Ukraine auf mich zu. Weil ich mich erst dort wieder in die russischen Nachrichten einschalten konnte. 
          Der russische Präsident Putin spielte auf ungewöhnliche Weise dem amerikanischen Dissidenten Edward Snowden den Ball zurück. Er betonte erneut, dass die russischen Spezialdienste mit der Affäre nichts zu tun hätten. Wenn Mister Snowden in Russland bleiben wolle, müsse der Menschenrechtler eine Bedingung erfüllen. Diese klänge aus seinem, des russischen Präsidenten Mund etwas eigenartig, sei aber ernst gemeint: Snowden müsse aufhören, den amerikanischen Partnern Russlands Schaden zuzufügen. Das lehnte Snowden ab. 

          Putin hat sich für mich erneut als Vollblutpolitiker erwiesen, ganz nach den Worten des tschechischen Schriftsteller-Präsidenten Havel: Politik ist auch die Kunst des Unmöglichen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger