Mittwoch, 31. Dezember 2014

Geschafft!

Die Ukraine hat nun nach zweiter Lesung und Abstimmung vom 29. Dezember 2014 ihr Budget für 2015. Die Tatsache ist positiv zu werten, selbst wenn nur 233 Abgeordnete für das Dokument gestimmt haben. Das sind bei 420 aktuellen "Volksvertretern" knapp über 50 %. Nicht gerade üppig. Wie im vorangegangenen Post mit Bert Brecht formuliert: es beginnen "...die Mühen der Ebene...".
Die ökonomische Situation ist eindeutig eine Krise. Daran haben alle Bereiche ihren Anteil, dazu der "verdeckte Krieg" im Donbass. Die zwar vom Brennwert hochwertige, aber nur mit Subventionen kostendeckend zu fördernde Kohle aus dieser Region fehlt gegenwärtig. Da sind wegen Problemen bei der Einfuhr von dazu noch minderwertigerer Kohle schon die Stromabschaltungen vorprogrammiert. In unserem Hausaufgang war die Zeittafel aufgehängt: von 08 bis 10 Uhr, 16 bis 18 Uhr uns 20 bis 23 Uhr waren veranschlagt. Noch hat allerdings keine Warnung sich bewahrheitet. Denn der in Saporoshe wegen Schäden im elektrischen System  zeitweilig ausgefallene Block des dortigen AKW ist inzwischen wieder ans Netz geschaltet. 
Allerdings hat gegenwärtig der Winter mit Schnee und Frost zugeschlagen. Das könnte nach den Feiertagen, bei Beginn der täglichen Arbeit erneut zu Energieengpässen führen.

Der Oligarch Rinat Achmetov hat für die Ostukraine eine beispielgebende Struktur geschaffen. Der Stab seines Fondes hat etwa 1,5 Millionen Hilfspakete mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und anderen Waren des täglichen Bedarfs direkt an Bedürftige verteilt. Die logistische Sicherstellung ist für mich bewundernswert. Eine Gruppe von Offizieren des ukrainischen Offiziersbundes hat diese Aktion eine gewisse Zeit begleitet und festgestellt, dass sie organisiert und sehr zielgerichtet abläuft, die Pakete wirklich an die bedürftigen Rentner, kinderreiche Familien, Alleinerziehende gelangen. Personalisierte Hilfe also. Die wenigstens Überleben sichert.  

Anschließend an den vorangehenden Post noch einige Bemerkungen zu den USA. Es geht nicht darum, alle Bürger dieses Landes in einen Topf zu werfen. Nur sind die in vielen Artikeln unterschiedlicher Medien genannten Ziffern für mich dazu da, das kritische Gegengewicht zu der lobenden Berichterstattung zu bilden. Das meiste hier stammt, um aktuell zu sein, aus dem vor Kurzem entdeckten http://www.contra-magazin.com 

Offiziell gibt es rund 9 Millionen Arbeitslose in den USA - die Kenner gehen von der doppelten Zahl aus. Die Dunkelziffer kommt deshalb zustande, weil sich schon sehr viele der zahlreichen Langzeitarbeitslosen nicht mehr registrieren lassen. Ukrainer sind erstaunt, wenn ich ihnen von den dort lebenden rund 3,5 Millionen Obdachlosen berichte. Wollen mir das nicht glauben. Dass ebenfalls mehr als 46 Millionen Personen auf Lebensmittelmarken angewiesen sind. Zum Überleben! Im Frieden! Dazu sind fast ebenso viele nicht in der Lage, sich eine Krankenversicherung zu leisten. Werden also häufig, selbst unter Lebensgefahr, nicht einmal notversorgt. 
Die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen in den USA werden häufig auch von den vielen "eingekauften" Wissenschaftlern erzielt, welche mit vergleichsweise in den Heimatländern großartigen Gehältern und exzellenten Arbeitsbedingungen in die Vereinigten Staaten gelockt werden. Da ist es fast erheiternd, wenn der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazejuk davon spricht, dass in den Jahren der Unabhängigkeit im Lande keine mit dem Nobelpreis gewürdigte wissenschaftliche Leistung erzielt wurde.

Für 2015 würde ich mir wünschen, dass die UA (Ukraine in der Autonummern-Schrift) bei allen Schwierigkeiten doch kein $-Zeichen zwischen die beiden Buchstaben bekäme.

Bleiben Sie vor Allem recht gesund!

Denn dann können Sie Erfolg, Liebesglück, Anerkennung und andere Freuden voll auskosten.
Frei nach Johann Wolfgang von Goethe: "Kein kranker Mensch genießt die Welt." 

Ihr

Siegfried Newiger 


P. S.
Über einen Like oder einen Kommentar würde ich mich freuen...


Montag, 29. Dezember 2014

Arbeitsstress im Parlament...

Die Werchowna Rada, das ukrainische Parliament, tagt in den letzten Tagen fast ohne Unterbrechung. Denn zum Jahresbeginn sollte das Budget für 2015 beschlossen sein. In der Diskussion kam es zu erregten Auseinandersetzungen. Eine Abgeordnete forderte wegen der nach ihrer Auffassung unsozialen Ausarbeitungen der Regierung im Projekt des Dokuments den Rücktritt derselben. 

Wenn ich die Diskussionsbeiträge der populistischen Abgeordneten höre, scheint mir der Wunsch nach einer sozialen Gerechtigkeit à la UdSSR immer noch in deren Köpfen zu stecken. Mit den überall und fast für alle gleichen Einkünften, aber zumindest mit den wie heute gefüllten Warenregalen. Gewohnheiten aus der Vergangenheit sind eben langlebig. 

Die Beobachtungen der Situation in den westeuropäischen Staaten, den USA und so weiter sind hier überwiegend positiv getunt, unterscheiden sich so deutlich von sowjetischer Medienpräsenz. Allerdings sollte den Abgeordneten mehr Information zum Nachdenken zugänglich sein. Es fehlt für mich in ihren Überlegungen grundlegende politökonomische Substanz. Beispielsweise die Tatsache, dass ein jeglicher Staat in erster Linie der Interessenvertreter des in ihm beheimateten Großkapitals ist. Oder wie das der deutsche Kabarettist Dieter Hildebrandt so knapp und treffend, relativ neutral formulierte: "Politik ist nur der Spielraum, welchen die Wirtschaft ihr lässt."

Wenn die westeuropäische Presse besser, weniger subjektiv ausgewertet würde, die Arbeitslosenzahlen etwas genauer interpretiert, die statistischen Zahlen für Obdachlose und an der Armutsgrenze Lebenden kritisch erfasst würden, ergäbe sich daraus für den ukrainischen Bürger ein weit weniger anziehendes Wunschbild "Europäische Union". Lediglich die Auswertung der an der Armutsgrenze existierenden Menschen gäbe Hoffnung: in der Ukraine jeder vierte, in Deutschland nur jeder neunte Bürger. Das macht Mut zum Wagnis - wenn man Spanien und Griechenland übersieht und andere Länder der EU auch.

Wahrscheinlich wird Dirk Müllers mich aufregendes Buch "SHOWDOWN - Der Kampf um Europa und unser Geld" (Verlag Knaur, ISBN 978-3-426-78612-3) hier nicht bald erscheinen. Daraus könnten wache Ukrainer absehen, wohin der Wagen wirklich rollt. Das dann noch zusammen mit den Tatsachen aus Paul Watsons "Bekenntnisse eines Öko-Terroristen" zur Korrektur ihrer Erwartungen nutzen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger 





Sonntag, 21. Dezember 2014

Gegensätzliches...

Genau kann ich das Datum nicht mehr nennen - aber die erwartete Sendung "Zu Gast bei Gordon" mit einem der beachtenswertesten ukrainischen Fernsehjournalisten war wie immer voll Spannung und Überraschung. 
Zumal ich von seinem Gast einiges erwartete. Das war der Chefredakteur des Senders "Moskauer Echo" - Alexej Wenediktow. Mir war bekannt, dass er die russische Politik seit Jahren sehr kritisch und dazu intelligent gekonnt, mit Sachkenntnis begleitete. 
Als profilierter Historiker und Philosoph, hat er in seinem Leben mit extrem vielen hoch interessanten sowie einflussreichen Persönlichkeiten über die Probleme von gestern und heute gesprochen. Seine Bemerkungen zum russischen Präsidenten Putin waren für mich deshalb wichtig, weil dieser von den meisten Ukrainern mit direktem Widerwillen genannt wird (verständlich, denn er ist Oberkommandierender des mit der Ukraine verdeckt kriegführenden Militärs). Mir gefiel, dass Wenediktow den russischen Präsidenten nicht als Apparatschik des Sicherheitsdienstes darstellte, sondern auf die direkte Frage von Dmitri Gordon auch antwortete, dass er bei aller oppositioneller Einstellung zu Putin diesen doch für einen sehr klugen Menschen halte. Auch andere Mitglieder der russischen Führungsebene kamen nicht eben schlecht weg.
Wenediktow verteidigte dabei, ohne das so hervorzuheben, die Haltung, dass man auch einen politischen Gegner nie intellektuell unterschätzen soll. 
Das Gesagte ist auf dem Hintergrund zu sehen, dass der Gast sehr wohl die Probleme für die ukrainische Bevölkerung sieht und eine proukrainische Haltung einnahm.
Die von Gordon wie gewohnt geschickt gelenkte Unterhaltung hatte immer dann ihre Glanzlichter, wenn der Vollblutjournalist Wenediktow mit seinen unerwarteten, stets humorvollen Antworten ein wenig "Unordnung" in die Veranstaltung einbrachte. Eine Sendung, die mir wegen ihrer inneren Wärme Genuss brachte.

Die Abstimmung in der Werchownaja Rada zum Aktionsprogramm der neuen ukrainischen Regierung fiel sehr zugunsten von Ministerpräsident Jazenjuk aus. Allerdings hatte ein wenig die inzwischen etwas mehr sensibilisierte "öffentliche Meinung" doch dafür gesorgt, dass keine 100 % - Mehrheit da war. Denn vor allem der Vorwurf, dass trotz einiger Erleichterungen der so wichtige Mittelstand und vor allem die Bevölkerung mit Einkünften am unteren Level die ökonomische Hauptlast zu tragen bekommen, hat für Nachdenken beim "Mann auf der Straße" und nicht nur dort gesorgt. Von der Vision "EU-Mitgliedschaft" als Retter aus den ökonomischen Turbulenzen wird - nach meiner unmassgeblichen Meinung - doch nicht alles Erwartete reifen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




 

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Fehlinformation...

Um aus einem Land mit kriegs- und krisengeschütteltem Leben aktuell zu berichten, darf man sich nicht auf Stückwerk bei der Information stützen. 

In meinem vorhergegangenen Post hatte ich dem General a. D. zugestimmt, welcher eine offensivere Informationspolitik bezüglich der militärischen Wirklichkeit forderte. Von einer zu schaffenden Institution dafür sprach. 
Das hatte ich als eine Art Beirat bei den höchsten Entscheidungsträgern aufgefasst. 

Nun ist doch wahrlich zu genanntem Zweck ein neues Ministerium aus der Taufe gehoben worden. Für Informationspolitik. Das hat eine Reihe von öffentlichen Diskussionen veranlasst. Auch solche der Leute auf der Straße: "Kein Geld für Panzer, aber für Beamte." Etwas härter war es auf den Plakaten zu lesen. Recht achtbare Journalisten fürchten um den Verlust der Pressefreiheit, der Meinungsfreiheit überhaupt. Und ich finde mich erinnert an Orwells "1984" mit dem "Ministerium für Wahrheit" und dessen Neusprech-Erfindung. 

Die Schaffung des Ministerium für  Informationspolitik hat nicht nur wegen der Besetzung des Ministerpostens durch Juri Stez, einen Poroshenko-Vertrauten, auch bei Journalisten aller Medien und in ihren öffentlichen Organisationen eine Protestwelle ausgelöst.

Die öffentlich übertragenen Teile der Sitzung des Ministerrats hat mir bewiesen, dass Ministerpräsident Jazenjuk die Probleme kennt und auch ausspricht. Das kann er noch ohne Einschränkungen, weil er an der Verursachung der meisten von ihnen keinen Anteil hatte. Allerdings wird sein diesbezügliches Polster immer dünner, die Geduld der Gesellschaft nimmt langsam und beängstigend ab. Denn Jazenjuk ist als Premier nun doch schon mehr als 100 Tage im Amt. Sein und seiner Minister Probleme sind doch, die zu hoch gespannten  Erwartungen ihrer Anhänger in so kurzer Zeit zu erfüllen.  
Wenn sogar aus dem Block Peter Poroshenkos Stimmen laut werden, dass das vorgestellte Programm der Regierung kein Meisterstück ist, sondern "chaltura" - also Flickwerk, sagt das schon etwas aus.
Der Abgeordnete der Werchowna Rada Juri Derewjanko sagte gegenüber einem Journalisten von IA REGNUM, dass vor allem die angekündigte Kürzung sozialer Ausgaben die ukrainische Verfassung verletzt.

Es beginnen, um das mit B. Brecht zu sagen, für die neue ukrainische Regierung "...die Mühen der Ebenen."

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





Mittwoch, 3. Dezember 2014

Kein GAU...

Sofort nachdem gegen 23.30 Uhr am 02. Dezember 2014 die Meldung über eine Havarie im KKW Saparosje (Ukraine) mit darauf folgender automatischer Abschaltung des Blocks Drei vom allgemeinen Netz an die Massenmedien gegangen war, begannen die Spekulationen. Auch in Deutschland.

Die Kommentare von offizieller Seite in der Ukraine waren spärlich. Vor allem: sie begannen erst am 02. Dezember 2014, obwohl das folgenbehaftete Ereignis schon am 29.11.2014 eingetreten war. Nach meiner Meinung ganz unberechtigt. Denn das erzeugt den Eindruck, dass sowjetische Medienpolitik des gesteuerten Verschweigens auch heute und hier immer noch betrieben wird. Die Menschen im Lande und auch in aller Welt haben nicht vor mangelnder Elektroenergie Furcht, sondern vor den schädigenden und sogar tödlichen Strahlen des Kernbrennstoffes. 
Eine sachlich zutreffende Bemerkung der Art, dass die Havarie die Baugruppen der eigentlichen Erzeugung der Elektroenergie betrifft, die Kernenergieanlage nicht betroffen ist, hätte sofort Klarheit in die Auffassungen von Freund und Feind gebracht. 

Als Ingenieur erlaube ich mir die Meinung, dass eine Formulierung wie "...wir verfügen noch nicht über genügend genaue Informationen..." genannten Spekulationen Tür und Tor öffnen. Der Chefingenieur des Werkes hatte spätestens 60 Minuten nach automatischer Abschaltung des betroffenen Großgenerators die Gründe dafür auf dem Tisch liegen. Mit sofortiger, technisch belegter sachlicher Darstellung hätten die Menschen Vertrauen gefasst. Damit hätte Angst, die das Leben im krisengeschüttelten Land mit unerklärtem, aber echtem Krieg heute ständig begleitet, verringert und nicht angeheizt werden können. Eine Information zur rechten Zeit (keine Echtzeit, aber so kurz wie möglich danach) würde die Glaubwürdigkeit der politischen Führung des Landes auch erhöhen...
Zufällig sah ich am heutigen Abend ein Studio-Gespräch mit einem ukrainischen Generalleutnant a. D. zur Medienpolitik. Seine Formulierung gefiel mir, ich zitiere sie sinngemäß. 
"Die neu geschaffene Institution muss eine offensive Medienpolitik durchsetzen. Ja, es gab im militärischen Bereich Fehler und Mängel. Sie vor dem Hintergrund der deutlichen militärischen Erfolge unserer tapferen Soldaten an der Front überzubetonen, eine Niederlagen-Stimmung zu bestärken, ist ungerechtfertigt."
Das Verhalten der offiziellen Entscheidungsträger ist in diesem Falle alles andere als verantwortungsbewusst.

Um eine genauere Betrachtung zur Sache selbst zu finden, empfehle ich Ihnen  http://maidantranslations.com/2014/12/03/wie-mache-ich-einen-ukrainischen-atomunfall/

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





     .