Dienstag, 26. August 2014

Minsk heute...

Von deutschen Freunden werde ich gefragt, was ich denn heute für Ergebnisse aus Minsk erwarte. Da ziehe ich mich darauf hin zurück. dass ich kein Prophet bin. 

Allerdings sah ich einige Tage zuvor den Film "Der letzte Tag der UdSSR" . Aufgebaut auf Tatsachen. Unter anderem war der erste Präsident der Ukraine, Herr Krawshuk, darin als handelnde Persönlichkeit in diesem Vorgang, aber auch als heutiger Kommentator zu sehen. 
Die Enthüllungen dieses Films sind das beste Beispiel dafür, wie wenig wir Bürger von dem erfahren, was in der Politik alles hinter den Kulissen abläuft. 

Für mich waren drei Bemerkungen bedeutungsvoll. Zuerst, dass der gesamte Vorgang der faktischen Beseitigung der UdSSR absolut nicht konform mit der gültigen Verfassung verlief. Es hätten damals dort 17 Präsidenten aus allen Republiken dabei sein müssen - es waren jedoch nur drei, die sich das Recht zur Entscheidung anmaßten. 
Zum zweiten: sie informierten nach der Prozedur des Unterschreibens der Urkunden den amerikanischen Präsidenten telefonisch vom "Ende der UdSSR". Das Recht hätte laut diplomatischem Protokoll nur der noch im Amt befindliche Präsident der Sowjetunion gehabt - Michael Gorbatschow. 
Der damalige Verteidigungsminister der UdSSR, Marschall Schaposchnikow, hatte der Gruppe der "Drei" die Loyalität der Streitkräfte versprochen und sie gesichert. Dennoch flog die ukrainische Delegation angeblich nach Charkow, um unterwegs der Besatzung die Weisung zu geben, in Kiew-Borispol zu landen. Man hatte eine verzögerte Reaktion von Gorbatschow erwartet.

Dieser Film hat mich erneut davon überzeugt, dass ich mich an einen Grundsatz halten sollte: nur das kommentieren, was als offizielles Ergebnis freigegeben wurde. Das aber deutlich und als eigene Meinung klar gekennzeichnet.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




    

Samstag, 23. August 2014

Auf die Spitze getrieben...

Heute ist hier in der Ukraine "Tag der Staatsflagge" und morgen der "Tag der Unabhängigkeit". Anlässlich einer feierlichen offiziösen Flaggenhissung auf dem Platz der Heiligen Sofia in Kiew sprach Präsident Poroshenko sehr gemäßigt und doch recht eindrucksvoll zum ukrainischen Volk.
Mit keinem Wort erwähnte er, was am Vortage in Moskau geschehen war. Ein mir bisher unbekannter Ukrainer hatte in der Nacht davor den Stern auf der höchsten baulichen Erhebung der Stadt, dem Turm auf dem Dach der Lomonossow-Universität, in die ukrainischen Landesfarben blau-gelb eingefärbt und dazu noch die Fahne des eigenen Vaterlandes aufrecht angebracht. Eine beachtliche Leistung. Gewissermaßen eine Spitzenleistung.
Einige meiner hiesigen Gesprächspartner meinten, dass die Idee hier im Sicheren ausgeheckt und auch entsprechend bezahlt worden sei. Der Einfall zeugt für mich erneut von dem eigenwilligen ukrainischen Humor: "Wir lachen, um nicht weinen zu müssen!" - sieht man auf die Ostukraine... 

Meine ukrainische Ehefrau erklärte mir gestern Abend noch, dass der "Fahnenträger" erklärt habe, sich einem russischen Gericht zu stellen, wenn vorher die Fliegerin Nadesda Sawtshenko freigelassen wird. Sie habe nur ihre soldatische Pflicht erfüllt, als Operator im Kampfhubschrauber Mi-24 ein zugewiesenes Ziel zu bekämpfen. Ihre Absicht sei nicht gewesen, dabei gezielt und vor allem vorsätzlich russische Journalisten zu töten. 

Nochmals will ich auf den Radikalenführer Ljaschko eingehen. Auch auf seine für mich existierende "Verbindung" zum verstorbenen Peter Scholl-Latour. Das gesamte Taschenbuch "Kampf dem Terror - Kampf dem Islam?" ist voll von hin und wieder sogar sehr harten Einschätzungen zu Politikern in aller Welt und deren "Erfolgen". Scholl-Latour hat dabei kein Blatt vor den Mund genommen. 

Die Seiten 199 bis 204 dieses Taschenbuches (ISBN 3-548-36679-1) zum Beispiel zeigen das sehr genau am Doppelspiel der USA-Politik mit den irakischen Kurden 1991. Welche zum Putsch gegen Saddam Hussein angestiftet und danach zum Abschuss freigegeben wurden.

 Wenn Ljaschko hier im Fernsehen einerseits formuliert, dass der Westen die Ukraine nicht verraten habe, weil keine Verträge dazu existieren, aber heute nicht einmal bereit ist, Nachtsichtgeräte zu liefern, ohne welche die ukrainischen Soldaten vor ihren Gegnern wie blinde Kätzchen seien - dann ist das wohl ein berechtigter Vorwurf. 
Stützt sich auch auf seine Zitate aus Churchill, den er gerade liest und sehr geschickt auf die Jetztzeit anwendet.

Vielleicht kann mich jemand aktuell beraten. Denn zum militärischen Zeremoniell hier wurde von den Soldaten "unter Gewehr" (im Präsentiergriff) die Nationalhymne mitgesungen. Für mich erstmalig bewusst wahrgenommen und als eigenartig befunden. Kennt jemand diese Gewohnheit auch bei anderen Armeen dieser Welt? 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Freitag, 22. August 2014

Was hätte er wohl gesagt...

Mein voriger Post bezog sich auf Peter Scholl-Latour. Weil mich sein Buch "Kampf dem Terror - Kampf dem Islam" (ISBN 3-548-36679-1) von 2004 so beeindruckt hatte, holte ich es zum Zitieren hervor - und legte es nicht wieder weg. Denn erneut überzeugten mich die kühle Sachlichkeit seiner wohl begründeten Argumente und die warme Anteilnahme am Schicksal aller von den vielen Fehlentscheidungen der Politiker aller Art betroffenen einfachen Leute. 
Wenn Sie irgend können und politisch interessiert sind - versuchen Sie, es zu lesen. Denn aus ihm erwächst ganz organisch das Verständnis dafür, dass in anderen Kulturkreisen, also auch bei Ukrainern und Russen, ganz andere Vorstellungen über die Welt, politische Systeme und die konkreten aktuellen Vorgänge bestehen. 

Was haben die Ambitionen der Politiker beider Seiten hier gebracht? Die Ukrainer werden der heutigen politischen Elite Russlands lange nicht vergessen, dass die aus geopolitischen Überlegungen geschickt organisierte Einverleibung der Krim als auch die kriegerischen Ereignisse in der Ostukraine sowohl Tote als auch Verwundete, die zukünftigen Krüppel, gebracht haben, dazu die Leiden und Kümmernisse der Flüchtlinge, die Zerstörungen der Infrastruktur in den betroffenen Landesteilen. Alles das hat zu einer wesentlich größeren politischen Einheit unter den "Leuten von der Straße" geführt.

Aber auch hier in der Ukraine gehen bei aller Mühe die politischen Reformen nicht so glatt,wie es viele wünschen. Wegen der zögerlichen Haltung beim Kampf gegen die Korruption hat die Bevollmächtigte des Ministerrats für Antikorruptionspolitik Tatyania Tshornowol sich von dieser Aufgabe befreien lassen. Einen Tag später trat der Wirtschaftsminister des Kabinetts Jazenjuk zurück. Seine Begründung vor der Kamera des Fernsehens: er könne die vor ihm stehenden Aufgaben mit den zahlreichen  gestrigen Mitarbeiter nicht lösen. 

Aus einem Interview des sehr vielseitigen Journalisten Dmitrij Gordon mit dem Rada-Abgeordneten und Leiter der Radikalen Partei Oleg Ljaschko habe ich den Eindruck bekommen, dass letzterer ein von seiner Mission überzeugten, geradliniger und intelligenter Mann ist. Der unter anderem verspricht, dass bei ihm als Präsidenten die Oligarchen in der Ukraine Steuern zahlen werden. Von sich behauptet er, in sozialer Hinsicht ein Linker und in nationaler Hinsicht ein rechter Radikaler zu sein. Es bleibt zu hoffen, dass ihn das nicht zerreißt. Seine Ansichten über die erforderlichen politischen und militärischen Aktionen der für die gegenwärtige Lage Verantwortlichen waren für mich sehr interessant. Allerdings erscheint mir seine Vision der Möglichkeit von russischen Panzern in Kiew und am Ärmelkanal bei fehlender Unterstützung der Ukraine mit zumindest militärischer Technik durch Westeuropa doch etwas überzogen. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







Donnerstag, 21. August 2014

Mein Peter Scholl-Latour

Erst gestern erfuhr ich aus dem sehr einfühlsamen Nachruf von Ullrich Wickert in der FAZ davon, dass der für mich fähigste deutsche Journalist gestorben ist - Peter Scholl-Latour. Wollte ich politkorrekt sein, müsste ich deutsch-französische geschrieben haben. Aber ich kenne eben die gekauften Bücher von ihm nur in meiner Muttersprache. Sein umfangreiches Wissen hat er immer sachlich passend und sprachlich deutlich, erzählerisch meisterhaft verpackt.

Da ist z. B. in seinem "Kampf dem Terror - Kampf dem Islam" (ISBN 3-548-36679-1) auf Seite 10 zu lesen und, wie mir scheint, mit Sicht auf sein Lebenswerk zu zitieren würdig: 
"In dem vorliegenden Buch werde ich - getreu dem von Montaigne entlehnten Grundsatz "je n'enseigne pas, je raconte - ich belehre nicht, ich erzähle" - ausschließlich auf persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zurückgreifen, auf eine Chronistentätigkeit am Ort des Geschehens, die mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt. Daran werde ich kein Wort verändern." 

Was sein Werk mit meinem Blog zu tun hat? Auf Seite 487 des genannten Taschenbuches fand ich einen besonderen Text. Ihn zitiere ich deshalb, weil ich die auf kühler Analyse und tiefgründigem Wissen beruhende Schilderung eines Eindrucks als zutiefst prophetisch ansehe:
"Symbolische Gesten und Riten spielen eine große Rolle in Fernost. Dehalb hat sich mir die Fernsehübertragung einer Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs des sogenannten APEC-Rates ..... im Oktober 2001 eingeprägt. Vor dem Hintergrund der futuristischen Skyline von Shanghai, über der ein grandioses Feuerwerk explodierte, hatten sich alle Großen dieser Weltregion um den "Drachensohn" Jiang Zemin zum Abschlußfoto versammelt. Wie die amerikanischen Präsidenten ihre Staatsgäste mit dem Überstülpen von riesigen Texashüten zu vereinnahmen pflegen - selbst Deng Xiaoping war mit diesem Cowboy-Attribut versehen worden -, so hatte der kleingewachsene Jiang seine pazifisch-asiatischen Partner in reichbestickte himmelblaue Chinesen-Jacken gekleidet und sich allein die rote Farbe der Herrschaft vorbehalten. Sogar George W. Bush und Wladimir Putin machten gute Miene zu dieser Maskerade, zu diesem allegorischen Spiel, das den Untertanen der Volksrepublik wohl als eine neue Form des Kotau, der ergebenen Huldigung vor dem "Himmlischen Thron" erscheinen mochte."

Ein nach meiner Empfindung warmherziger Mensch mit überragenden Fähigkeiten zum Erfassen und Beschreiben dieser widersprüchlichen Welt hat seinen Lebensweg beendet.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






Dienstag, 12. August 2014

Selbstgespräch

"Das ist doch unmöglich!" Damit begann das Selbstgespräch einer Ärztin. Sie hatte ich als eine Urlaubsvertretung meines Hausarztes besuchen dürfen. Unangemeldet und damit etwas länger wartend. Das hatte ich einkalkuliert. Nachdem ich meine Wünsche entsprechend den Bedingungen genannt hatte, welche mein Hausarzt seit Jahren kennt, kontrollierte sie meinen Blutdruck. Danach schaute sie in ein riesiges Buch. Machte nach einigen Minuten die oben einleitende Bemerkung.   
"Wissen sie, warum sie eben jenes Medikament nehmen sollen?" fragte sie mich. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass das eigentlich verschriebene vor einem Vierteljahr in den besuchten Apotheken nicht verfügbar gewesen war. Ich hatte weiterreisen müssen und keine Zeit gehabt, auf Bestelltes zu warten.

Sie wurde vor eine schwierige Wahl gestellt, wie sie mir erklärte. Denn in Vertretung habe sie nicht das Recht, mir für mehr als ein Vierteljahr Arzneien zu verordnen. Allerdings gäbe es eine Lösung. Wenn ich statt einem zwei Medikamente auf Privatrezept nehmen würde. Sie könne dann zwei preiswerte Mittel wählen. Was ich, ohne besonders auf die Zuzahlung zu achten, zuvor bekommen hatte, war das Produkt eines Herstellers, der daran richtig verdiente. Denn die Zusammenführung beider Wirkstoffe in einer Tablette ließe sich der mit etwa 70 Euro mehr je Packung bezahlen. Sie habe das soeben dem Arzneimittelkatalog entnommen. Die beiden Inhaltsstoffe gleichzeitig, jedoch getrennt in zwei Pillen eingenommen, hätten ebensolche Wirkung. Ich war mit ihrem Vorschlag einverstanden. 

Was hat dies mit dem "Ostblock Blog" zu tun? Nur scheinbar nichts. Denn mit der Assoziation der Ukraine an die EU kommen doch nicht nur deren Vorzüge auf die Bürger dieses Landes zu. Wer nur von Sonne redet, vergisst den Schatten. 40 Jahre DDR hießen unter anderem auch, dass uns neben den Mühen des Weges dorthin auch der fehlerfreie Sozialismus versprochen wurde. 

Als ich mich nach der Vereinigung "umqualifizieren" durfte, hat mich ein leider verstorbener Abteilungsleiter bei BOSCH in Hildesheim im Praktikum an zwei meiner beruflichen Qualifikation entsprechende Aufgaben gesetzt: Klärung der optimalen Liefergrößen an Vormaterial für die just-in-time-Produktion und Analyse der zu verschlankenden technischen Dokumentation aller Fertigungswerkzeuge entsprechend den aktuellen  und auslaufenden Produkten. Erst diese Arbeit hat mich praktisch damit vertraut gemacht, wie sachgerechte Auslese kostensenkend wirkt.

Eine Durchforstung des Arzneimittelkatalogs durch an der Kostensenkung im medizinischen Bereich wirklich interessierte und auch kompetente Personen könnte, Willen bei den Entscheidungsträgern vorausgesetzt, den Patienten und ihren ehrlichen Ärzten sicher die Kosten sparenden Ergebnisse bringen. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






Montag, 11. August 2014

Heimatklänge

Eine Reise in die deutsche Heimat über etwa 1500 km ist selbst im modernen Reisebus eine recht anstrengende Sache für einen älteren Herren. Auch, wenn seine Nachbarin eine ansehnliche und neugierige junge Ukrainerin ist.
Gut, wenn er dann am Ziel von einem befreundeten jungen Mann abgeholt wird. Ebenfalls Ukrainer. Bei der Familie war deshalb nach einem guten Mittagessen das Interesse an den Vorgängen in der eigenen Heimat besonders groß.
Auch bei ihnen musste ich erst einmal meine Erlebnisse von 1944/45 auf der Flucht von Ostpreußen ins "Reich" voran schicken, damit sie einen Teil meiner Einstellung der Situation in der Ostukraine entsprechend erfassen konnten. Wir kamen zu im Wesentlichen übereinstimmenden Auffassungen.

Dass die militärische Variante eines Versuchs zur Lösung angestauter Probleme die unzweckmäßigste ist. Von beiden Seiten.

Die folgenden Tage waren angefüllt mit Problemen des Kampfes um einige Dokumente und ärztliche Verordnungen, welche wegen Änderungen von Bestimmungen und Urlaub des "Hausarztes" einigen Mehraufwand erforderten. Nur wenn man sich daran erinnert, dass das Beständigste im und am Leben eben die Veränderungen sind, kann man gelassen die nötigen Schritte gehen.
Die zufällige, etwas anstrengende Unterhaltung mit einem in Berlin seit Jahrzehnten lebenden Bayern ergab ein sehr zur Stimmung meiner ukrainischen Freunde passendes Ergebnis. Er war unserer Auffassung zur Ostukraine!
Allerdings ergänzte er noch: "Wir Deutschen sind innerlich zu weit weg von den Orten, an denen in aller Welt Menschen durch militärische Gewalt sterben. Deshalb klagen die meisten über ihr Leben hier, ohne recht zu leiden."

Diese Bemerkung hat mich veranlasst, den folgenden Link mit in diesen Post einzubringen. Weil in dem Video unter anderem auch gesagt wird, dass und was wir alle und die Entscheidungsträger besonders aus der Vergangenheit lernen sollten.

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=C-C4YrIhbIQ

Vor allem ist darin die folgenschwere Mitverantwortung der leitenden deutschen Politiker bei Entscheidungen über Waffenlieferungen in alle Welt deutlich gemacht worden. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





Donnerstag, 7. August 2014

Wer ist wer?


Es ist etwas eigenartig – und doch bedingt. Dadurch, dass jüngere Generationen nicht einmal wissen, was gemeint ist.

Da regte sich doch kurz nach der beendeten  Fußballweltmeisterschaft, wo am Endspiel sowohl Kanzlerin Merkel als auch Präsident Putin als Zuschauer teilnahmen, bei den ukrainischen Twitterianern ein erstaunliches geschichtliches Wissen. Denn Frau Merkel wurde plötzlich „Frau Ribbentrop“ tituliert.

Das Minimum an Wissen, dass sich auch einige Deutsche der Generation heute 55-60-jähriger Westdeutscher angegoogelt hatten, reichte nicht weit über Namen und Funktion „Außenminister“ im 3. Reich hinaus. Den Test hatte ich durch Befragen Bekannter unangekündigt gemacht. Von ihnen hatte noch niemand gehört, dass es außer dem „Nichtangriffspakt Molotow-Ribbentrop“ dazu noch ein Geheimdokument gab, in welchen unter anderem Deutschland sowjetische Neutralität bei einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Westmächten und Polen garantiert wurde und die Aufteilung der Territorien Finnlands, Estlands, Lettlands und Litauens, Teile von Polen, Bessarabien und der Nordbukowina zwischen Deutschland und der Sowjetunion sowie ein Austausch seiner deutschen, ukrainischen und weißrussischen Bevölkerung vereinbart wurden.
Für mich ist eindeutig, dass die vorwiegend jugendliche Twittergeneration kaum auf die Idee einer solchen Personifizierung gekommen sein konnte. Grund: fehlende Geschichtskenntnisse. Folglich stecken da Leute dahinter, welche in die relative Einheit der westeuropäischen Staaten einen Keil treiben wollen.

Ähnliches geschah einige Tage später – ich bereitete mich in der Ukraine auf meine Reise nach Berlin vor. Gemeldet wurde, dass der englische „Independent“ darüber geschrieben hätte, dass zwischen Deutschland und Russland Geheimverhandlungen stattfinden würden. Ich bekam noch zweierlei mit: dass der leitende deutsche Vertreter des Bundestages in der Kommission Deutschland-Ukraine diese „Ente“ kategorisch dementierte – und dass die Journalisten berechtigt darauf aufmerksam machten, dass dieses Blatt seit einiger Zeit einem russischen Oligarchen gehört. Der sich gegen vorerst unbekannte Vorteile Mühe gibt, ähnlich wie die Twittergemeinde zu handeln. Also Westeuropa mit beliebigen Mitteln des Informationskrieges zu entzweien.

Wir haben allen Grund, uns Informationen immer kritisch anzusehen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






Samstag, 2. August 2014

Abzeichen oder Absichten?


Von Matthias Claudius stammt ein Gedicht, das etwa so weitergeht: „Es ist Krieg! Oh Gottes Engel wende…denn ich begehr nicht schuld daran zu sein.“

Ein Bekannter stellte mir heute eine eigenartige Frage. Ob ich die Symbolik des ukrainischen Asow-Bataillons der Nationalgarde als profaschistisch ansehe. 
Die dort verwendete sogenannte „Wolfsangel“ ist ein Symbol, das mit einiger Fantasie als eine Variante des Hakenkreuzes angesehen werden kann. Das ist falsch.

Denn das war ein etwa ab dem Mittelalter verwendetes schmiedeeisernes Fanggerät, an dessen Widerhaken Fleisch (vor allem Innereien) aufgespießt wurde. Soweit hochgehängt in einen Baum, dass ein hungriger Wolf danach springen musste, fing sie ihn im Maul und er verreckte elendiglich.
Mein Bekannter fragte danach, um von diesem Eindruck sein Verhältnis zur ukrainischen Nationalgarde mit abhängig zu machen. Ich konnte ihn darauf hinweisen, dass nicht wenige deutsche Orte dieses Symbol im eigenen Wappen führen.

Danach argumentierte ich ein wenig anders. Weil ich vergaß, wer das sagte oder schrieb, es aber ein „alter Grieche“ vor mehr als 1500 Jahren war, zitiere ich hier frei: “Im Krieg sterben als erstes Gewissen und Recht.“ Unsere Unterhaltung wurde etwas prinzipieller.
Da wies ich ihn darauf hin, dass der deutsche Schriftsteller Kurt Tucholsky in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts für seinen Satz: „Soldaten sind Mörder!“ vor ein deutsches Gericht gestellt wurde.  Noch 1982 wurde gegen deutsche Friedensfreunde verhandelt, welche diesen Satz leicht abgeschwächt zitierten: „Jeder Soldat ist ein potentieller Mörder – auch Sie, Herr W. In der Bundeswehr gibt es einen Drill zum Morden.“
Inzwischen hat sogar das Bundesverfassungsgericht endgültig festgestellt, dass diese allgemeine Formulierung keine persönliche Rechte und Interessen verletzt. Was folgt daraus?

Von beiden Seiten wird geschossen. Die bittere Wahrheit jedes Krieges heißt: „Schnell schießen und gut treffen.“ Dass damit ein anderer Mensch sein Leben verliert, wird moralisch verbrämt. Schutz der ethnischen Russen hier, Verteidigung des Vaterlandes dort…
Nur sinkt die Hemmschwelle der aktiven Kriegsteilnehmer vor dem aktiven Töten ständig. Damit geht das Gewissen seinen abschüssigen Weg.

Auf beiden Seiten!

Noch etwas will ich anmerken. Der Franzose Abälard formulierte ebenfalls lange vor uns: „Die Untat liegt nicht in der Handlung, sondern in der Absicht.“ Dort, wo Söldner oder Abenteurer sich für Geld in einen Krieg begeben, sind ihrer Absichten verwerflich. Wo unter dem Aspekt der Verteidigung Freiwillige sich finden, sind ihre Beweggründe für mich ehrenhafter. Es stört mich dabei keine Diskussion um „ähnliche Abzeichen“.

Allerdings haben die moralischen Folgen bei amerikanischen Boys, ebenfalls bei russischen Fallschirmjägern und deutschen Afghanistan-Veteranen auch gezeigt, welche psychologischen Schädigungen auftreten. Einschließlich der oben erwähnten, verringerten Hemmschwelle. Das ist das Schlimme – nach den auf beiden Seiten im Krieg vernichteten Leben. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger