Dienstag, 7. Mai 2013

Außerordentlich


Wenn hier schon einmal von einem mir extrem sympathischen russischen Minister die Rede war, dann hat Sergeij Schoigu mit seinen Handlungen der letzten Tage es wohl verdient, dass ich erneut meine Meinung von ihm sage. Es ist nicht seine Stellung als russischer Verteidigungsminister, sondern die Folgerichtigkeit seines Vorgehens, die mich besticht.

Aber erst ein Übergang zu einem anderen Thema. In den heutigen russischen Fernseh-Nachrichten dominierte ein Thema: W. Putin verlangte in einer zeitweilig öffentlich gemachten Sitzung Rechenschaft von der russischen Regierung zu von ihm vor einem Jahr festgelegten konkreten Aufgabenstellungen. Darunter: weshalb in einigen Regionen die Angehörigen des medizinischen Dienstes noch heute auf die zugesicherten Erhöhungen ihrer Löhne und Gehälter warten, wieso die Zuteilung von Bauland für kinderreiche Familien fast im bürokratischen Dschungel erstickt und andere Fragen aus dem sozialen Bereich. Seine Kritik war harsch und begann mit der Bemerkung, dass es nach einem Jahr Amtszeit doch nicht mehr auf die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung geschoben werden könne, wenn heute nur 2/3 der vorgegebenen Aufgaben erfüllt seien.
Ein Journalist bemerkte, dass in der Zeit seiner Anwesenheit Premier Medwedjew nicht das Wort genommen habe. Diese Information war, wie in einer späteren Ausgabe zu bemerken, eine Fehlinformation. Oder der Journalist musste die Runde vorzeitig verlassen...

Sergeij Schoigu ist erst vor kurzem als Verteidigungsminister ins Amt gekommen. Er hat bereits viele der wenig zweckmäßigen Festlegungen seines Amtsvorgängers außer Kraft gesetzt und viele von meinen militärischen Gesprächspartnern begrüßte Entscheidungen getroffen.

Eine derselben habe ich direkt angehört. Er war zur Einweihung der neuen Start- und Landebahn (SLB) auf dem Militärflugplatz Achtubinsk (Gebiet Astrachan) gekommen. Auf diesem Flugplatz werden alle für die Luftstreitkräfte Russlands gebauten Flugzeuge getestet. Im Staatlichen Flugerprobungszentrum Tshkalow“.  Während seines kurzen Arbeitsbesuchs schaute er nicht nur die Start-Landebahn an, sondern auch die neuesten Flugzeuge für die Luftstreitkräfte.
Zu der neuen SLB sagte er knapp und deutlich, wie von ihm gewohnt: „So ein Objekt in der heutigen Zeit früher als geplant in 11 Monaten zu bauen – das ist wirklich Mut und eine Heldentat der Erbauer.“
Ihm wurden neueste Entwicklungen vorgestellt, darunter der aus dem Werk in Nowosibirsk zum Ereignis eben erst überflogene Frontbomber Su-34, in Flugplatznähe zeitweilig eskortiert von dem vorher gestarteten Mehrzweck-Jagdbomber Su-30SM und dem Abfangjäger Mig-29SMT.

Dann kam der Moment, welcher mich zu diesem Post anregte. Sergeij Schoigu kritisierte einige seiner Mitarbeiter, vor allem aber ein Bauunternehmen: „Sie haben im September 2011 schon 60 % der Vertragssumme bekommen, haben erst 2012 mit dem Bau begonnen. Wir haben 2013 – warum sind die bestellten Wohnungen noch nicht zur Übergabe bereit?“

Er wandte sich an seine Verantwortlichen: „Dieses Unternehmen bekommt keine Aufträge mehr vom Verteidigungsministerium.“
Zu den Militärs gewandt, welche auf ihre Wohnungen warten: „Wir werden das verbessern.“

Die Vorbereitungen zur Parade am 9. Mai anlässlich des Sieges über den faschistischen Aggressor und seine Verbündeten habe ich häufig im Fernsehen verfolgt. Erstmalig war der Verteidigungsminister Russlands selbst bei der Generalprobe dabei – im für ihn bestimmten Fahrzeug. Alles echt. Das gab es selbst zu Sowjetzeiten nie.
Auch das ist für mich außerordentlich.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





Montag, 6. Mai 2013

Wege oder Richtungen?



Angeblich Napoleon Bonaparte formulierte schon vor langer Zeit: „Es gibt in Russland keine Wege, nur Richtungen.“ Das hat sich inzwischen etwas geändert. Allerdings waren der ehemaligen Sowjetunion aus unterschiedlicher Einschätzung der internationalen Situation die Panzer und die Militärflugzeuge wichtiger als die Straßen. Deshalb sind die vorhandenen Transportwege für den Straßentransport in miserablem Zustand. Was der staatlichen Führung von heute nicht angelastet werden sollte. Denn es  gibt unter anderem ein ehrgeiziges staatliches Programm für den Straßenbau. Mit der Einschränkung: wenn es nur erst durchgesetzt wäre…

Was den heutigen Regierenden von ihrer Opposition laufend angelastet wird: die Bereicherung aus dem Staatssäckel in allen Bereichen der Staatsmacht geht am Straßenbau nicht vorüber. Das ist heute nicht mein Thema – obwohl es unter den Nägeln brennt. Sondern die Frage nach der Verhältnismäßigkeit in der zum Thema „Straßenbau“ geführten Diskussion.

Wer von allen Kritikern bedenkt, dass Russland mit einer Fläche von 17.075.400 qkm der größte Staat der Welt ist? Dass die Nord-Süd-Ausdehnung über 2.000 km beträgt und die Ost-West-Ausdehnung rund 9.000 km? Dass auf einhundert Quadratkilometer dort rund  835 Menschen wohnen, in Deutschland sind es 23100 Leute. Das sind rund 28-mal so viele wie in Russland auf einen qkm! Wer überlegt, dass in diesem Land rund 40 % der Landfläche von Gebirgen/Hochland eingenommen werden, wo Straßenbau extrem schwierig ist? Doch ist der Vergleich mit Norwegen gestattet, wo diese Aufgabe effektiv gelöst wurde – nur in welcher Zeit und unter welchen Voraussetzungen? Die Wüsten-, Steppen- und Sumpfregionen Russlands sollten auch ins Kalkül gezogen werden – oder?

Vor einiger Zeit habe ich die Ukraine mit Deutschland verglichen. Sie war auch lange Teil der Sowjetunion mit entsprechenden wirtschaftspolitischen Vorgaben. Sie ist doppelt so groß in der Fläche als Deutschland, hat etwa die Hälfte an Bevölkerung. Folglich müsste der ukrainische Staatsbürger für einen entsprechenden Straßenbau das Vierfache dessen aufbringen wie der Bundesbürger.
Russland ist flächenmäßig etwa 47-mal so groß als Deutschland, hat eine Bevölkerung, welche etwa das 1,7-fache der deutschen zählt. Rechnet man ehrlich, dann müsste der russische Bürger etwa das 27-fache aus seinem Portemonnaie auf den Tisch legen, damit er auf einen Straßenausbau wie in Westeuropa rechnen könnte – und das über Jahrzehnte! Das übersteigt bei weitem das, was in der Ukraine auf den einzelnen Bürger zukäme – etwa das Vierfache dessen, was der deutsche Steuerzahler aufbringt. Das allerdings in Deutschland weniger den Neubau, sondern vor allem die Unterhaltung des Straßenzustandes betrifft. Der fast erst und langfristig in den letzten einhundert Jahren so hergestellt wurde.

Wer also unvoreingenommen die weitreichenden Pläne der russischen Führung bezüglich besserer Straßen in Russland beurteilen will, sollte diese Ausgangssituation nicht vergessen. Denn auch in den USA wurde das Straßennetz in sehr langer Zeit auf- und ausgebaut. Seien Sie bitte bei Beurteilungen kritisch und möglichst objektiv.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger