Montag, 23. März 2015

Bombenalarm...

Aus dem Fernsehen der Ukraine erfuhr ich am Sonnabend, dem 21.03.2015, dass von den damit betrauten Organen der Hauptstadt etwas mehr als 3.000 Bombenunterstände für die Bevölkerung vorbereitet sind. Einige davon wurden grob vorgestellt - meist vor allem die metallischen Türen mit riesigen Riegeln davor. Dazu kam die Information, dass auch 47 der Untergrundbahnhöfe als Unterstände genutzt werden könnten und eine gewisse Anzahl von Tunneln der örtlichen Straßenunterführungen. 

Für jemanden, der 1945 in der Nähe von Zossen bei Berlin Bombenangriffe mit der damaligen Technik erlebt hat, später ein berufliches Leben mit Technik der Luftstreitkräfte gelebt hat, ist Bombardierung heute eine ungeheuerliche Vorstellung. Aber die Ukrainer machen dabei noch ihre Witze: Sind die Russen vor 70 Jahren siegreich bis Berlin gekommen, wollen das die Enkel heute den Großvätern nachmachen. 

Die slawische Art, gewisse Dinge mit einem Lächeln zu beurteilen, wird sich auch der Militärattache bei der deutschen Botschaft in Kiew merken müssen. Denn nicht nur in Kiew wird trotz des Kriegszustandes im Donbas-Gebiet gefeiert, sondern auch in anderen Orten. 
Besagter Herr hat nun eine Bemerkung gemacht, die in einigen ukrainischen Massenmedien so kommentiert wurde, als ob er wegen dieser sicht- und hörbaren Lebensfreude den Ukrainern Mangel an Vaterlandsliebe vorwirft. Das ist gerade in dieser Zeit, wo die Vaterlandsverteidiger in erster Linie von den freiwilligen Volontären regelrecht versorgt werden, als eine  sehr unsachliche Äußerung empfunden worden.
Als bestes Beispiel kann ich das anführen, dass Volontäre für eine ukrainische Artillerieabteilung in der Tschechei vor einigen Tagen einen Grabenbagger für das mechanisierte Ausheben von Stellungen und Unterständen gekauft und hierher eingeführt haben. Von durch sie beim eigenen Volk gesammelten Mitteln!  

Wer mehr zu ukrainischer Vaterlandsliebe lesen will - auf diesem Blog unter http://mein-ostblock.blogspot.com/2014/11/volontare.html ist das möglich. Wenn der Herr Militärattache sich anschließt, würde mich das freuen...

Es ist nach 70 Jahren Frieden in Westeuropa eine unsäglich unangenehme Aufgabe, aus diesem Land zu der Problematik Krieg sachlich und dennoch parteiisch zu berichten. Denn noch trenne ich die Bevölkerung beider an der militärischen Auseinandersetzung beteiligten Staaten und ihre jeweiligen Führungsschichten sehr deutlich voneinander. 

Auch wenn ich meine, dafür Beweise anführen zu können, dass Gründe für diesen unseligen Waffengang und sein Anlass sehr unterschiedliche sind. Aber wer denkt so sachlich und ist zur Anerkennung bereit.

Schade, dass die ironisch-sarkastische Formulierung vom deutschen Dichter Bertold Brecht nicht greift: Stelle dir vor es ist Krieg und keiner geht hin!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger  




Sonntag, 1. März 2015

Ukrainische Spur...

Wenn die ukrainische Begleiterin des ermordeten Boris Nemzow aus Moskau wieder in ihrer Heimatstadt Belaja Zerkow sein wird, habe ich wie auch heute keine Lust, mich hier mit ihr zu unterhalten. 
Denn als mein Stiefsohn mir die schon im Internet erfahrene Information als brandneu vom Fernseher erzählte, hatte ich die Überschrift zu diesem Post schon im Kopf. 
Was kann in der heutigen Kriegssituation besser als die "ukrainische Spur" dazu geeignet sein, die innere Gegnerschaft bei denen zu erhöhen, welche auf beiden Seiten der Frontlinie Gründe zur Anwendung von Waffen dringend brauchen? 
 
Angeblich hätte Nemzow der jungen Frau geraten, ihr vom "Ehemaligen" (Ukrainer) empfangenes Kind abtreiben zu lassen. Was bei jenem eine wie sichtbar tödliche Reaktion ausgelöst hätte... Wer jedoch weiß, wie viele Frauen in Russland und der Ukraine abtreiben lassen, wird die angebliche Begründung für die Handlung des vorläufig verdächtigten "Ehemaligen" des Models als pure Erfindung, als konstruiert auffassen. 
 
Hier werde ich nicht spekulieren. Denn Schuldzuweisungen sind Gerichten vorbehalten. Allerdings ist seit hunderten von Jahren die Meinung des Franzosen Abälard nicht widerlegt: "Die Untat liegt nicht in der Handlung, sondern in der Absicht."
Also sind die wahren Hintermänner der Morde an Gegnern der Medici und anderer im Mittelalter, von Außenminister Walther Rathenau, der Rosa Luxemburg, an den Brüdern Kennedy, Mahatma und Indira Gandhi, Anna Politkowskaja und vielen anderen dort zu suchen, wo die Taten ausgeheckt wurden und werden.    
 
Als vor rund 2400 Jahren der wegen Verführung der athenischen Jugend und Gotteslästerung von einem ordentlichen (???) Gericht in Athen zum Tod durch Gift (Schierlingsbecher) verurteilte Philosoph Sokrates sich selbst verteidigte und mit seinen Freunden sprach, machte er sehr kritische Bemerkungen zur damaligen Demokratie. 
Das mir in russischem Original zugängliche letzte Interview von Boris Nemzow beim "Moskauer Echo", welches am Vortag seiner Ermordung ausgestrahlt worden war, hat etwas sokratisches. Nicht alles kann ich unbesehen mangels konkretem Wissen unterschreiben. Aber die gute Absicht war eindeutig zu spüren. Sein besonderes Verständnis für seine Landsleute, aber auch für die ukrainischen Nachbarn.
 
Seine Frage zum Beispiel, wie sich der gegenwärtige Oberkommandierende der russischen Streitkräfte, Präsident Putin, so unüberlegt von seinen Soldaten lossagt (die angeblich nicht im Donbass kämpfen!?), hat in erster Linie nicht nur für mich eine vorwiegend moralisch bewertete Komponente.
Die von ihm und seinen Gesinnungsgenossen am Nachmittag des 01. März 2015 in Moskau geplante Antikrisen-Demonstration trug die Bezeichnung "Frühling". Weil in der slawischen Welt der März mit Frühlingsbeginn gleichgesetzt wird. Geplant waren mehrere Themenkreise, darunter: die in Russland immer mehr einfache Menschen betreffende Wirschaftskrise, der Krieg gegen die Ukraine als sie verschärfende Bedingung, Befreiung der ukrainischen Pilotin Nadija Savchenko aus russischer Untersuchungshaft, Abschaffung der Zensur in Russland und freie Wahlen... Sein Interview strahlte Sachkenntnis aus, Intelligenz, Humor...
 
Die angekündigte Demonstration wurde leider zu einer großartigen Trauerfeier für ihn selbst.
 
Hier verneige ich mich vor dem Menschen Boris Nemzow.
 
Wäre er Präsident Russlands geworden, würden ihn die Umstände sicher mit zu Entscheidungen gezwungen haben, welche nicht nur günstige Auswirkungen bringen konnten. Das ist leider bei allen Politikern so. Aber vielleicht wäre das dennoch eine Chance für Russland gewesen...   
 
Bleiben Sie recht gesund!
 
Ihr
 
Siegfried  Newiger