Dienstag, 31. Dezember 2013

Abschluss 2013

              Heute Nacht fällt sicher keine Entscheidung, die morgen früh politische Wirklichkeit wird. Auch wenn viele Ukrainer, vor allem Hauptstädter, sich vielleicht an der geschickt motivierten Aktion „Die Ukraine ins Guinness-Buch der Rekorde“ beteiligen. Es geht mit fast sportlich geprägter Argumentation darum, denn Rekord eines – wenn ich richtig verstand – asiatischen Landes zu brechen. Dort haben über 100.000 Personen gemeinsam die Nationalhymne gesungen. Das und mehr will die Opposition auch in Kiew erreichen. 
              Zur Woche nach dem Jahreswechsel sind allukrainische Warnstreiks ausgerufen. Eine Zerreisprobe für die in 2013 schon recht angeschlagene Wirtschaft und damit für die gegenwärtige Staatsmacht. 
           Als Gast im Lande habe ich zwar Einsichten zum Geschehen – aber zu wenig Kenntnisse von Hintergründen und Bedingungen. Vielleicht auch zu wenig politische Fantasie, um den besten, genauer: um überhaupt einen Ausweg zu sehen. 
                  Vielleicht hat der russische Satiriker Sadornow recht: "Es gibt immer Leute, die daran glauben, dass ein guter Onkel vom Himmel fällt und es allen über Nacht viel besser geht." Die das verbreiten, sind davon aber nicht wirklich überzeugt - sie möchten gern dieser gute Onkel sein...

            Mich interessiert deswegen auch der nördliche Nachbar mehr – Russland. Es ist deutlich zu sehen, dass dort ständig in kleinen Schritten auf eine Vereinheitlichung der russischen mit den internationalen Normen hingearbeitet wird. Man sieht das zum Beispiel daran, dass hintern den neuen russischen technischen/technologischen Festlegungen in Klammern in etwa steht: „(Dies entspricht der EU-Norm … – und dann folgt die entsprechende Bezeichnung). 
             Die Botschaft des russischen Präsidenten an die Politiker des Landes, seine große Pressekonferenz und die folgenden, teilweise offenen Beratungen in den Gremien zur Verteidigungsindustrie und andere, die große Amnestie, die sehr deutlichen Forderungen und Handlungen bezüglich der Bestechungen im Bürokratenapparat, dazu andere internationale Auftritte – für mich ein Zeichen, dass unter der Leitung der gegenwärtigen Führungskräfte Russland seinen positiven Weg geht. 
               Mich können auch die Kritiker aus den Reihen der russischen Intelligenz nur dann überzeugen,  wenn sie machbare Lösungen für Probleme vorschlagen. Ihnen würde ich in einer gemeinsamen Diskussion immer die Frage stellen: wie würdest du mit – immer vorhandenen – Oppositionellen umgehen oder, was schlimmer ist – mit Terroristen? Wie sehen brauchbare gewaltlose Entscheidungen aus? 
              Als letztes sind die beiden Terror-Anschläge in Wolgograd zu nennen. Mich bewegt nicht nur die Zahl der unschuldigen Opfer von unverständlichen, unmenschlichen Selbstmordtätern und deren Hintermännern. Sondern die Tatsache, dass diese von anderen auch als „Widerstandskämpfer“ eingeordnet werden. 
             Da spielt für mich auch keine Rolle, dass genannte hochintelligente Personen von Putin oder Medwedjew erwarten, dass diese mehr Charisma haben sollten und sich vielleicht ästhetischer äußern. 
               Das ist eine Forderung, die klingt sehr schön (bei den anderen Zugehörigen zur dieser Intelligenz) – aber sie ist in der täglichen politischen Praxis für ein Verständnis bei allen Bürgern nicht unbedingt förderlich. Da ist das Kriterium: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ wesentlich sinnvoller. Für mich. 
            Dazu gehört auch, dass die amnestierten „Damen“ von Pussy riot sich für einen Boykott der olympischen Winterspiele in Sotschi durch ausländische Politiker einsetzen, um die Rechte der in Russland inhaftierten Gesetzesverletzer zu sichern. Das ist ein neues Element – aber es wird beide Seiten des Problems „Verbrechen-Strafe“ nicht aus der Welt schaffen. 
           Wissen diese Mädchen, dass in den USA 25 % aller weltweit Inhaftierten einsitzen, obwohl deren Bevölkerung nur etwa 5 % der Weltbevölkerung  ausmacht? Was sagen sie zu Guantanamo? 

Zum Neuen Jahr wünsche ich Ihnen vor allem: bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Montag, 23. Dezember 2013

Potpourrie

          Wenn ich die Informationen in anderer Reihenfolge bekommen hätte, brauchte ich diesen Post nicht zu ändern. Ein spanischer Politiker, Herr Martinez (wenn ich richtig erinnere) hat wohl den Politikern der baltischen Staaten vorgehalten, dass sie eine ungerechtfertigte Russland-Diskussion anheizen. Das große und wichtige Land hätte das nicht verdient. 
        Deswegen war ich darauf gespannt, was wohl zur Pressekonferenz mit Wladimir Wladimirowitsch Putin am 19. Dezember 2013 von einigen der mehr als 1300 Journalisten an Fragen kommen würde. 
          Das Erwartete folgte gleich nach der Eröffnung – vom russischen Reporter Shudodejew und dem ukrainischen Berichterstatter Zimbaljuk. Obwohl von Putin schon lange geäußert, dass Russland die ukrainische Wirtschaft nicht weiter subventionieren wolle, plötzlich ein großer Kredit von 15 Milliarden US-Dollar und eine 30 %-ige Senkung des Gaspreises. Worauf er rechne – Zurückzahlung mit Geld oder politischen Zugeständnissen wie Abkehr von der Europäischen Union und Beitritt zur Zollunion? Der ukrainische Journalist war in seiner zweiteiligen Frage etwas aggressiver – sprach aber ebenfalls zu diesem Thema. 
            Putin blieb gelassen. Er würde kommentieren – und das ohne jede Ironie.  Die Ukraine sei in einer schwierigen Situation – ökonomisch, sozial und politisch. Wer häufig die Worte vom Brudervolk und ähnlich nutzt, sollte dann auch zu denen stehen – also dem Volk der Ukraine wie ein guter Verwandter helfen. Ohne nach den Gründen für die bestehende Situation zu fragen und ohne Bedingungen zu stellen. Russland habe einen Stabilitätsfond von 175 Milliarden US-$ angespart und dazu Valutareserven in Gold mit einem Wert von 515 Milliarden US-$ und könne deshalb diese Entscheidung auch finanziell bewältigen – der Ukraine Geld zu borgen mit 5 % Zinsen. Das geschieht einerseits wegen der besonderen Beziehungen, andererseits auch wegen der noch existierenden wirtschaftlichen Kooperation in vielen Bereichen. Es würden also keine finanziellen Mittel verschleudert. 
             Putin analysierte anschließend ganz ruhig die Exportstruktur der Ukraine für die EU und mit Russland. Danach stellte er die zu erwartenden Veränderungen vor und wies darauf hin, dass Russland sich gegen absehbare ungünstige Veränderungen der außenwirtschaftlichen Bedingungen schützen müsse. 

           Am darauf folgenden Tag sah ich einen Ausschnitt aus dem „Runden Tisch“ der vier ukrainischen Präsidenten. Und hörte vom ersten unter ihnen einen bemerkenswerten Satz (sinngemäß zitiert): „Wir alle hier sind für die heutige Situation mitverantwortlich.“ 
            Es ist sehr selten, dass ein lebender Politiker so offen seine eigene Mitverantwortung anerkennt! Anschließend reichte Leonid Makarowitsch Krawtshuk eine Mappe mit einem Entwurf an Herrn Justshenko und formulierte: „Machen sie doch aus den zwei Seiten ein sechsseitiges Memorandum, für das wir uns weder vor Gott noch vor unserem Volk zu schämen brauchen.“ 
           Obwohl vom „Maidan“ die Forderung der führenden Leute erschallte (Herr Jazenjuk), genau wissen zu wollen, was wo unterschrieben worden sei, hörte ich von dort bisher keine mich überzeugenden Programmpunkte für wirtschaftliche Stabilisierung. 
          Das  erinnert mich an die Äußerung eines deutschen Politikers: „Nach der Wahl staunen gewöhnlich die Sieger darüber, dass von ihren Vorgängern so wenig in der Kasse geblieben ist, um die Versprechungen dieser Nachfolger einzulösen.“ 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Mittwoch, 18. Dezember 2013

Rathenau aktuell?

           Hier beginne ich mit einem Zitat vom 1922 ermordeten deutschen Außenminister Walther Rathenau. Weil im Internet nicht gefunden, zitiere ich sinngemäß: „In Europa kenne ich einige hundert Personen, die selten an die Öffentlichkeit gehen. Man nennt sie auch Wirtschaftskapitäne. Von ihren Entscheidungen hängt in der Politik mehr ab als von jenen der Politiker.“ 
         Weil ich das wohl unterschreiben könnte, hier einige Bemerkungen. Aus aktuellem Anlass meine Übersetzung aus einer öffentlichen Äußerung des ukrainischen Milliardärs Rinat Achmetow vom 13. Dezember 2013: „ Ich bin für eine starke, unabhängige und geeinte Ukraine. Wir sind ein Land – das darf nicht geteilt werden. Ich bin für einen Tisch der Verhandlungen. Damit sich Politiker, Staatsmacht, Opposition, moralische Lenker an diesen Tisch setzen und die Entscheidungen treffen, auf welche wir stolz sein können. Wiederhole: stolz sein, nicht sich schämen müssen. Entscheidungen, von denen die Ukraine und jeder Ukrainer etwas gewinnen, in kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive. Diesen Tisch würde ich den Tisch für Frieden, Kompromisse und für die Zukunft unseres Landes nennen. Auch wenn die Politiker an diesem Tisch ihr Rating verlieren. Das Wichtigste ist, dass das Rating der Ukraine aufwärts strebt.“ 
            Hier passt nun ein weiteres Wort von Rathenau her: „Ich habe niemals einen wirklich großen Geschäftsmann gesehen, dem das Verdienen die Hauptsache war.“ Es gibt keinen Grund für mich, Herrn Achmetow zu lobhudeln. Jedoch wird auch von ihm das politische Schicksal der Ukraine mit geprägt werden… 
             Wie schon in anderen Post`s ausgedrückt, bewährt sich auch heute wieder das, was ich angedeutet habe. Der russische Präsident ist der US-amerikanisch dominierten anderen Seite wieder einen Schritt voraus. Bevor Sie weiterlesen, schauen Sie sich vielleicht erst diese Videos an: http://www.youtube.com/watch?v=3ZpnOX4l7XA und auch die Fortsetzung http://www.youtube.com/watch?v=wEIWJx8GiGA
        Danach meinen hierher passenden Kommentar vom 15.12.2013 auf einer Website http://hdreinartz-ua.com/2013/12/14/gespannte-ruhe-in-kiew/

           Denn wenn wir nur Einzelheiten betrachten, verlieren wir ein wenig das ganze Bild aus den Augen. Ein typisches Beispiel für die Erarbeitung eigener Schlussfolgerungen ist für mich die Reaktion in Washington. Nach hier zu lesenden Meldungen wird dort so kommentiert: die in Moskau vom ukrainischen Präsidenten unterschriebenen Dokumente entsprechen nicht den Forderungen des „Maidan“! 
             Weil der Kredit wesentlich größer als jener von der Weltbank angebotene ist und dazu ohne die von ihr bekannten knebelnden Bedingungen (Lohn- und Rentenbegrenzungen, Tariferhöhungen…), hat sich jetzt die Opposition gleich etwas einfallen lassen. Klingt logisch: wenn das russische Gas wirklich um 30 % billiger wird,  sind folglich ab 01. Januar alle Tarife im Lande um 30 % zu senken. Popularismus reinsten Wassers! Dazu später. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Dienstag, 10. Dezember 2013

Familienpolitik...

          Die „Kriegsberichterstattung“ aus der Ukraine sollte eigentlich deutlich weniger werden. Denn es sind Verhandlungen angekündigt. 

         Wahrscheinlich weniger des Ultimatums der Opposition wegen, das auf nur 48 Stunden befristet ist. Die wichtigste Forderung darin: Rücktritt von Präsident und Regierung – mit allen daraus folgenden extrem teuren organisatorischen Maßnahmen (Wahlen u. a. m.) sowie deren Wirkungen. 

        Die an der Macht befindlichen Kräfte haben diese Macht noch und könnten die einsetzen. Ein syrisches Szenarium ist allerdings denkbar. Denn es gilt immer noch und immer wieder, was der amerikanische Schriftsteller Isaac Asimov formulierte: „Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.“ 

        Und an der staatsmännischen Weisheit beider Seiten hier habe ich seit gewisser Zeit Zweifel entwickelt. Auch wenn heute als Vermittler die drei ehemaligen Präsidenten der Ukraine auftreten werden. Denn unter ihrer Führung haben sich doch die Voraussetzungen der gegenwärtigen miserablen wirtschaftlichen Situation des Landes entwickelt. Oder nicht? 

        Die Diskussion zum Thema in der eigenen Familie ist nicht selten hitzig. Denn der einfache Weg, unter Einfluss gewisser Bilder und angepasster Kommentare eine begründete politische Meinung zu bilden, ist nicht selten Streitpunkt. Weil:zu den Bildern habe ich Fragen. Wenn es heißt: „Es wurde auf Kinder eingeschlagen!“ Warum haben die leitenden Oppositionsführer Familien zu Protestaktionen eingeladen? War nicht mit „Entgleisungen“ zu rechnen? 

       „Die Sicherheitskräfte haben selbst provoziert!“ „Was wissen wir, was ihnen zugerufen wurde? Du (der Stiefsohn) bist aus dem Auto gesprungen und hast dem Beleidiger deine Mutter die Fre… poliert – richtig?“ „Das war etwas ganz anderes!“ „Hast du etwas gehört? Nur die Reaktion mit dem Knüppel gesehen – oder? Auf die Beleidigung (Schläge mit Worten).“ 

        Etwas später: „Woher kommen auf einmal die vielen Knüppel her bei den „friedlichen“ Demonstranten? Aus Holz oder kurze Metallstäbe (Moniereisen). Liegen die gewöhnlich auf dem Kretschatik umher? Hat man die vielleicht „vorsorglich“ mitgebracht?“ 

           An anderer Stelle: „Mit welchem Geld haben die Leute, welche eine miserabel bezahlte oder keine Arbeit haben, sich denn die Reise in die Hauptstadt geleistet? In Hoffnung auf bessere Bedingungen in der EU über Nacht?“ 

          Die Reaktionen auf diese und ähnliche meiner Fragen wie auf jene zur Orangen-Revolution (siehe Post „Was war vor dem Maidan?“). „Du hast keine Ahnung und verstehst uns nicht!“ Man wird doch fragen dürfen… Um Ahnung oder gar Wissen zu erwerben. 

        Dann wird mir erklärt, dass der deutsche Außenminister Westerwelle ein Prachtkerl sei. Er hätte – ganz im Gegensatz zu mir – für das ukrainische Volk, für die Opposition öffentlich Verständnis gezeigt. Der Versuch zu erklären, dass ich das Verhalten dieses ranghohen deutschen Politikers als absolut unzweckmäßig und politisch instinktlos empfinde, weil es diplomatischer Etikette widerspricht (Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Staates), wurde mit Protest erwidert. Viel fehlte nicht, um zum Gegner des ukrainischen Volkes erklärt zu werden. 

       Als ich dann den Stiefsohn erinnerte, wie sehr die Untergebenen des deutschen Außenministers in der Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Kiew seine persönliche Assoziation mit der EU durch Verweigerung eines Visums verhinderten, wurde er zeitweilig etwas ruhiger. Der Vorgang kann unter „Die Kuh im Propeller“ (5 Post`s) im Archiv dieses Blogs nachgelesen werden. 


          Für das ukrainische Volk wünsche ich das erdenklich Beste. Wie das erreicht werden kann, weiß ich nicht. 


Bleiben Sie recht gesund! 


Ihr 


Siegfried Newiger






Montag, 9. Dezember 2013

Der schwarze Mann?

           Die Situation in der Ukraine ist unübersichtlich. Weil ich nicht berichten kann, was ich direkt gesehen und gehört habe, kommentiere ich ein wenig die ukrainischen Fernsehsendungen – von deren Fragen und Kommentaren ich allerdings nur etwa die Hälfte verstehe. Jedoch sind die Bemerkungen meiner Familie mit Rücksicht auf mich in Russisch. Also kann ich mir doch eine Meinung bilden. Allerdings werde ich die in Fragen verpacken. 
          Cato der Ältere (vor rund 2200 Jahren gelebt) soll, unabhängig vom Thema der Senatssitzungen, jede seiner Reden dort mit den Worten beendet haben: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Darf ich mich daran erinnert fühlen, wenn im ukrainischen Teil des Internets am Sonntagmorgen (08.12.2013) die eigenartige Formulierung eines ukrainischen Journalisten auftaucht: „Putin wird Janukowitsch bis 2015 (Wahljahr Präsident in der Ukraine) nicht in Ruhe lassen.“ Darf ich daran zweifeln? 
       Der russische Präsident hat bei seinen Pressekonferenzen im italienischen Triest (26.11.2013) und in Jerewan (Armenien, 02.12.2013) sehr eindeutig formuliert und mit Zahlen unterlegt, welche Unterstützung die russische Regierung und einzelne wirtschaftliche Bereiche der Ukraine gewähren. Alles in allem etwas über 35 Milliarden US-$! 
             Darf andererseits der Präsident Russland nicht darauf aufmerksam machen, dass nach vorliegenden Dokumenten die Ukraine von der EU veranlasst wird, zwei Monate nach Unterschrift unter den Assoziationsvertrag die Zollschranken der Ukraine gegenüber der EU drastisch zu verringern. Wenn die Ukraine im gegenwärtigen Status mit Russland verbleibt, bedeutet dieses „Anlehnen an die EU“ sachlich, dass die Waren von dort unter der Maske ukrainischer auf den russischen Markt strömen können. 
               Wer von Ihnen, meine Leser, würde als Präsident seines Landes dafür sorgen wollen, dass die bei 5,3 % stabilisierte Arbeitslosenquote im eigenen Land durch Überflutung mit Waren aus dem Ausland (unter Umgehung wirkender Verträge!) sich schlagartig erhöht? Dass ganze eigene Industriebereiche von Stilllegung bedroht werden? Oder würden Sie auch den Partner bitten: entscheide dich – so oder so. Sei dann auch bereit, die Folgen abzuwägen und zu tragen. 
          Wladimir Putin hat zweimal eindeutig – international hörbar – diese Einstellung ausgesprochen. Haben Journalisten Tatsachen zu berichten oder zweifelhafte Kommentare zu schreiben? Warum musste sich der sonst extrem ruhige russische Außenminister Lawrow etwas erregt mit dem Gerücht beschäftigen, es bestünden Pläne zum militärischen russischen Eingreifen in der Ukraine? Wer hat das niederträchtig erfunden? 
            Die politische russische Führung hat für mich deutlich gemacht, dass sie weitsichtig genug war, um die amerikanischen Bomber von Syrien abzuwenden, das dortige Giftgasproblem einer Lösung zuzuführen und die iranische Führung zum Einlenken in der nuklearen Problematik zu veranlassen. Das meiste davon durchsichtig und öffentlich – im Sinne internationaler Vorgaben (UNO). Dass einzelne Bereiche auch vertraulich sein müssen, ist unbestreitbar und für Unvoreingenommene verständlich. 
            Doch die Geheimverhandlungen der USA mit dem Iran wurden der Welt erst später bekannt. Wie auch ihre Geheimdienstanstrengungen. Vielleicht ist dieser Post auch schon gespeichert… Die Parallelen zu den Geheimverhandlungen der Westmächte während des 2. Weltkrieges hinter dem Rücken der Sowjetunion mit Hitlers Abgesandten zu einem Separatfrieden sind für mich unübersehbar. 
           Putin und seine Mannschaft haben aus der Geschichte gelernt. Das ist für mich deutlich. Auch im eigenen Land macht er sauber. Genauer: er versucht das. Denn ihm geht es wie einem der letzten russischen Zaren, welcher formulierte: „Nicht ich regiere Russland, sondern seine 247 (Zahl kann falsch sein) Gouverneure.“ Das bewies mir sein Auftreten vor den Delegierten der Allrussischen Volksfront (05.12.2013). Dort haben die Delegierten ihm direkt Beispiele angeboten – und er hat reagiert und notiert. Ich möchte nicht in der Haut jener stecken, die sich werden verantworten müssen.  

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger    





Sonntag, 8. Dezember 2013

Was war vor dem "Maidan"?

           Es gibt immer wieder Einschnitte – in jedem Leben. Einzeln, in der Familie, bei Verwandten und Freunden. Auch in Staaten oder bei Völkern. 
             Hier in der Ukraine erlebe ich zum zweiten Mal einen solchen Einschnitt. Den Euro-Maidan. Davor die Orangen-Revolution. 
             Als Erläuterung: ein Maidan ist in der Landessprache ein Platz. Hier ist der „Alexanderplatz“ von Kiew gemeint. 
            Damals schon, zur Orangen-Revolution, hatte ich eine, genauer meine eigene, abweichende Meinung. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Justschenko versprach doch dem ukrainischen Wahlvolk 5 Millionen neue, gut bezahlte Arbeitsplätze. Bei etwa 42 Millionen Einwohnern! Neue Arbeit für jeden achten Ukrainer, Greise und Babys eingerechnet! 
          Ich erinnerte mich daran, wie der deutsche Exkanzler Schröder vor seiner Wahl 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze versprach – um die Arbeitslosigkeit in Deutschland stark zu verringern. Und wie er bei aller ökonomischen Macht der Bundesrepublik an dem Versprechen jämmerlich scheiterte. 
           Also suchte ich im Internet nach Analysen zum Thema „neue Arbeitsplätze“ und wurde auch fündig. Der neue Arbeitsplatz einer Verkäuferin wurde mit etwa 60.000 Euro ausgewiesen, für einen Reinstraum in Mikrobiologie oder Mikroelektronik wurden etwa 300.000 Euro veranschlagt. Der Mittelwert für einen „statistisch neuen Arbeitsplatz“ in Deutschland wurde mit 100.000 Euro angenommen. 
         Ein Überschlag mit etwa 40.000 Euro im Mittel je neuen Arbeitsplatz in der Ukraine – also bei ortsüblichen Kostenanschlägen von etwa einem Drittel der deutschen – ergab für das „Versprechen“ Justschenko`s einen Finanzbedarf von rund 200 Milliarden Euro. Woher sollte diese Summe kommen?
       Die meisten meiner ukrainischen Gesprächspartner waren der Meinung, dass ich „Ausländer“ keine Ahnung von Land und Leuten hätte – obwohl ich damals schon 12 Jahre im Lande lebte. Außerdem hatte ich durch meine Arbeit einige tiefe Einblicke in wirtschaftliche Abläufe bekommen. 
           Bei meiner Meinung blieb ich – aber ich beharrte nicht darauf, meine Gegenüber zu überreden. Einzelne waren nachdenklich geworden. Nach Ende der Ära Justschenko waren die meisten so ehrlich, ihre Fehleinschätzung zuzugeben. 

    Heute ist die Situation eine ganz andere. Meine Auffassung: die leitenden Politiker haben versäumt, die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren. Einverstanden, die Verhandlungen mit West (EU) und Nord (Russland) sind vertraulich. 
        Aber die Informationen zur allgemeinen Situation hätten sich bei mehr politischer Voraussicht doch allgemein und verständlich formulieren lassen. Das hätte der anderen Seite Denkanstöße vermittelt – und den eigenen Leuten nicht das Gefühl, übertölpelt geworden zu sein. Mit der unerwarteten Entscheidung, auf dem Summit in Vilnius das Dokument zur Assoziation mit der EU nicht zu unterschreiben. 
   In zwei regelrecht "erzwungenen" Fernsehauftritten haben Präsident und Premierminister der Ukraine kurz vor der politischen Großveranstaltung in Vilnius doch sehr klare Argumente vorgebracht. Nur: wer aus dem Volk, das sich etwa zur Hälfte um seine Hoffnungen und Wünsche betrogen sah, wollte diese Begründungen hören? Man reagierte in diesen Gruppen wie das „vorbildliche“ Parlament, die Rada – politische Gegner niederschreien, statt deren Argumente anzuhören und zu entkräften. 

           Soviel zur Ausgangssituation - wie ich sie sehe. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger