Sonntag, 14. Oktober 2012

Bürokratie vom Feinsten ...

        Wenn der Präsident Russlands oder der Premierminister zu bestimmten innerrussischen Problemen sprechen, ist in letzter Zeit eine etwas "deutliche Note" nicht zu überhören. Eine Sitzung zu einem Problem ist mir sehr genau in Erinnerung. Nicht das Problem - sondern der Abschluss, den Dmitrij Anatoljewitsch Medwedjew so gestaltete (sachlich richtig, wenn auch nicht wörtlich exakt): "Was ist das hier für ein Protokoll? Alles irgendwelche Absichtserklärungen ohne bindende Entscheidungen! Das ist sofort zu überarbeiten! Dahinein gehört: Sache, Beschluss,Termin! sonst wird das nur wieder so ein Wischiwaschi!"

        Schon lange beobachte ich diese Art des pragmatischen Herangehens der führenden russischen Politiker. Sie leben - wie ich meine - in der Situation. Deshalb sind die Erklärungsversuche der von ihnen getroffenen Entscheidungen und Handlungen durch Dritte immer subjektiv - wie auch das, was ich von mir gebe. Denn - wenn man manche Ergebnisse betrachtet - sieht das alles nach einer " mächtigen Un-macht" aus. Ganz im Sinne von Nikolaus II - "Nicht ich regiere Russland, sondern zwanzigtausend Amtsvorsteher."

        Eine Kleinigkeit erlaube ich mir anzumerken: ich urteile gutwillig - meine ich.
        Zurück zu dem, was Sache sein sollte: Bedingungen für die Entwicklung einer Mittelschicht. Sie sind noch miserabel. Allerdings wissen Putin und Medwedjew das auch. 

        Ein Beispiel: ich betreue ab und an ein mittelständisches deutsches Unternehmen sprachlich - also als Dolmetscher. Es gab vor kurzem einen Vertragsabschluss mit einem russischen Unternehmen. Um die Zahlung organisatorisch zu sichern, war im Vertrag formuliert: "... 5 Banktage nach Unterzeichnung durch beide Seiten." 

        Beim russischen Partner gab es von Seiten seiner Abnehmer gewisse Probleme. Geld muss erarbeitet werden - es liegt eben nicht so herum. Als dieser Partner zu der bearbeitenden Bank kam, wurde ihm vorgeworfen, dass er die vom Vertrag vorgegebene Frist (auf Bankdeutsch: das Zahlungsziel) deutlich überschritten habe. Der Vertrag sei zu ändern!

        Es wurde zwischen den Partnern vereinbart, eine Anlage zu formulieren, sinngemäß so, dass das Zahlungsziel mit dem Moment beginne, wo beim Käufer das erforderliche Geld zur Verfügung steht. 
        Den Bankbürokraten gefiel diese Lösung nicht. Alles wieder zurück - wenn wir für solche Investition Geld planen, dann nicht so, als ob das nicht da sei ...

        Weil in Russland heute noch die Zahlungen in Valuten von extra dafür eingerichteten Konten erfolgen - US-Dollar von einem Dollarkonto, Euro- Zahlungen von einem Euro-Konto - ist  die Forderung zumindest verständlich, dass ein Vertrag solche Kontoverbindung nicht im Original enthalten darf, wenn sie erst später eingerichtet wurde. Also den Vertrag umdatieren ...

        Nun kommt dazu, dass jeder Vertrag dieser Art ein Dokument als Anlage enthält, welches vor seiner Unterzeichnung ausgefertigt wurde. In dem Angebot mit konkreten technischen und ökonomischen Kennziffern wird der potentielle Käufer gewöhnlich als "Auftraggeber" bezeichnet - der Verkäufer als "Auftragnehmer". Denn in der Vorverhandlung ist noch nicht geklärt, ob der Auftraggeber kauft.

        Die Bankbürokraten verlangten nun im Nachhinein. dass dieses Angebot mit dem Text des Vertrages in Übereinstimmung zu bringen ist - sonst könne die Zahlung nicht erfolgen ...

        Es wird noch etwas dauernd, bis gewisse Gernegrosse in Russland begreifen, dass die "Vertragsfreiheit" beider Seiten etwas damit zu tun hat, dass die Vertragspartner besser als die Geldüberweiser wissen, welche Risiken und Möglichkeiten in einem Geschäft stecken ...

        Diese Entwicklung wünsche ich mir für Russland!

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






        

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