Es war an Tatyanas Namenstag – am vorigen
Sonntag, dem 25. Januar 2015. Also vorgestern. Tanya, unsere Freundin in
Odessa, bei der und ihrem Mann ich zu Gast war, hatten zum Nachmittag den
Besuch zweier Freundinnen zum Kaffee und Gebäck angekündigt. Der davor geplante
Besuch in einem grusinischen (georgischen) Nationalitätenrestaurant war durch
alle Eingeladenen übereinstimmend abgesagt worden. Wegen der blutigen
Ereignisse in Mariupol, der ukrainischen Hafenstadt am Schwarzen Meer.
Hervorgerufen durch den Beschuss der Stadt aus russischer Waffentechnik, die
sowohl von ukrainischen Separatisten als auch von russischen Söldnern bedient
wird.
Am Sonntagmorgen sagten die
Freundinnen ihren Besuch auch noch ab. Also wollten wir uns gemeinsam zu dritt
erst Kuchen und Kaffee einverleiben, danach eine deutsche Filmkonserve zu einem
ernsthaften Thema.
Als wir beiden Männer neben den
Blumen für die Dame des Hauses auch noch einige Flaschen Wasser, Limonade und
Bier für den „Radler“ einkauften und etwas Obst sowie eine kleine Torte, gab es
im Geschäft in der ersten Etage des von den Freunden mit bewohnten Hauses noch
eine nette kleine Situation. Ich hatte gehört, dass jemand die Kassiererin
Tanya gerufen hatte. Als sie fragte, ob wir bar oder mit Karte bezahlen würden,
hängte ich an meine Antwort die Frage an, ob sie denn wirklich Tatyana heiße
und an ihrem Namenstag arbeiten müsse. Sie bejahte und ich wünschte ihr von
ihren beiden Kunden das Allerbeste.
Sehr erstaunt waren wir aber, als
sie mir dankend sagte, dass ich meiner Tochter oder Schwiegertochter, welche
doch ebenfalls Tanya wäre, beste Wünsche übermitteln solle. Eine erfreuliche
Gedächtnisleistung.
In der Wohnung musste ich mich
anschließend lachend entscheiden, ob ich lieber Schwiegertochter und Sohn in
Odessa haben will oder die andere Kombination.
Wie Frauen so sind – sie wurden die
Überraschung, als sie am Nachmittag entgegen der morgendlichen Absprache
plötzlich vor der Haustür standen. Mit ihnen der Ehemann einer Dame – Kapitän für
große Fahrt. Mit ihm wurde die Unterhaltung besonders interessant für mich. Wir
haben politische Fragen nur am Rande gestreift.
Abends erfuhr ich über Skype, dass mehrere
Freundinnen meiner Frau und auch sie die Skype-Verbindung zu einer ehemaligen Klassenkameradin
abgebrochen haben. Diese hatte ihnen geschrieben, dass sie jeder ukrainischen
Familie ihren eigenen Helden wünsche. Mit anderen Worten – einen Gefallenen,
einen waffenlos Getöteten.
Noch selten habe ich eine so geschlossene
Stimmungsänderung bei Frauen als eine patriotische Reaktion empfunden.
Andererseits aber erfasst, dass Herr
Taruta aus meinem Post vom 12. Januar dieses Jahres völlig recht hatte mit
seiner Meinung zur gefährlich starken russischen Fünften Kolonne in der
Ukraine.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger