Dienstag, 31. Dezember 2013

Abschluss 2013

              Heute Nacht fällt sicher keine Entscheidung, die morgen früh politische Wirklichkeit wird. Auch wenn viele Ukrainer, vor allem Hauptstädter, sich vielleicht an der geschickt motivierten Aktion „Die Ukraine ins Guinness-Buch der Rekorde“ beteiligen. Es geht mit fast sportlich geprägter Argumentation darum, denn Rekord eines – wenn ich richtig verstand – asiatischen Landes zu brechen. Dort haben über 100.000 Personen gemeinsam die Nationalhymne gesungen. Das und mehr will die Opposition auch in Kiew erreichen. 
              Zur Woche nach dem Jahreswechsel sind allukrainische Warnstreiks ausgerufen. Eine Zerreisprobe für die in 2013 schon recht angeschlagene Wirtschaft und damit für die gegenwärtige Staatsmacht. 
           Als Gast im Lande habe ich zwar Einsichten zum Geschehen – aber zu wenig Kenntnisse von Hintergründen und Bedingungen. Vielleicht auch zu wenig politische Fantasie, um den besten, genauer: um überhaupt einen Ausweg zu sehen. 
                  Vielleicht hat der russische Satiriker Sadornow recht: "Es gibt immer Leute, die daran glauben, dass ein guter Onkel vom Himmel fällt und es allen über Nacht viel besser geht." Die das verbreiten, sind davon aber nicht wirklich überzeugt - sie möchten gern dieser gute Onkel sein...

            Mich interessiert deswegen auch der nördliche Nachbar mehr – Russland. Es ist deutlich zu sehen, dass dort ständig in kleinen Schritten auf eine Vereinheitlichung der russischen mit den internationalen Normen hingearbeitet wird. Man sieht das zum Beispiel daran, dass hintern den neuen russischen technischen/technologischen Festlegungen in Klammern in etwa steht: „(Dies entspricht der EU-Norm … – und dann folgt die entsprechende Bezeichnung). 
             Die Botschaft des russischen Präsidenten an die Politiker des Landes, seine große Pressekonferenz und die folgenden, teilweise offenen Beratungen in den Gremien zur Verteidigungsindustrie und andere, die große Amnestie, die sehr deutlichen Forderungen und Handlungen bezüglich der Bestechungen im Bürokratenapparat, dazu andere internationale Auftritte – für mich ein Zeichen, dass unter der Leitung der gegenwärtigen Führungskräfte Russland seinen positiven Weg geht. 
               Mich können auch die Kritiker aus den Reihen der russischen Intelligenz nur dann überzeugen,  wenn sie machbare Lösungen für Probleme vorschlagen. Ihnen würde ich in einer gemeinsamen Diskussion immer die Frage stellen: wie würdest du mit – immer vorhandenen – Oppositionellen umgehen oder, was schlimmer ist – mit Terroristen? Wie sehen brauchbare gewaltlose Entscheidungen aus? 
              Als letztes sind die beiden Terror-Anschläge in Wolgograd zu nennen. Mich bewegt nicht nur die Zahl der unschuldigen Opfer von unverständlichen, unmenschlichen Selbstmordtätern und deren Hintermännern. Sondern die Tatsache, dass diese von anderen auch als „Widerstandskämpfer“ eingeordnet werden. 
             Da spielt für mich auch keine Rolle, dass genannte hochintelligente Personen von Putin oder Medwedjew erwarten, dass diese mehr Charisma haben sollten und sich vielleicht ästhetischer äußern. 
               Das ist eine Forderung, die klingt sehr schön (bei den anderen Zugehörigen zur dieser Intelligenz) – aber sie ist in der täglichen politischen Praxis für ein Verständnis bei allen Bürgern nicht unbedingt förderlich. Da ist das Kriterium: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ wesentlich sinnvoller. Für mich. 
            Dazu gehört auch, dass die amnestierten „Damen“ von Pussy riot sich für einen Boykott der olympischen Winterspiele in Sotschi durch ausländische Politiker einsetzen, um die Rechte der in Russland inhaftierten Gesetzesverletzer zu sichern. Das ist ein neues Element – aber es wird beide Seiten des Problems „Verbrechen-Strafe“ nicht aus der Welt schaffen. 
           Wissen diese Mädchen, dass in den USA 25 % aller weltweit Inhaftierten einsitzen, obwohl deren Bevölkerung nur etwa 5 % der Weltbevölkerung  ausmacht? Was sagen sie zu Guantanamo? 

Zum Neuen Jahr wünsche ich Ihnen vor allem: bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Montag, 23. Dezember 2013

Potpourrie

          Wenn ich die Informationen in anderer Reihenfolge bekommen hätte, brauchte ich diesen Post nicht zu ändern. Ein spanischer Politiker, Herr Martinez (wenn ich richtig erinnere) hat wohl den Politikern der baltischen Staaten vorgehalten, dass sie eine ungerechtfertigte Russland-Diskussion anheizen. Das große und wichtige Land hätte das nicht verdient. 
        Deswegen war ich darauf gespannt, was wohl zur Pressekonferenz mit Wladimir Wladimirowitsch Putin am 19. Dezember 2013 von einigen der mehr als 1300 Journalisten an Fragen kommen würde. 
          Das Erwartete folgte gleich nach der Eröffnung – vom russischen Reporter Shudodejew und dem ukrainischen Berichterstatter Zimbaljuk. Obwohl von Putin schon lange geäußert, dass Russland die ukrainische Wirtschaft nicht weiter subventionieren wolle, plötzlich ein großer Kredit von 15 Milliarden US-Dollar und eine 30 %-ige Senkung des Gaspreises. Worauf er rechne – Zurückzahlung mit Geld oder politischen Zugeständnissen wie Abkehr von der Europäischen Union und Beitritt zur Zollunion? Der ukrainische Journalist war in seiner zweiteiligen Frage etwas aggressiver – sprach aber ebenfalls zu diesem Thema. 
            Putin blieb gelassen. Er würde kommentieren – und das ohne jede Ironie.  Die Ukraine sei in einer schwierigen Situation – ökonomisch, sozial und politisch. Wer häufig die Worte vom Brudervolk und ähnlich nutzt, sollte dann auch zu denen stehen – also dem Volk der Ukraine wie ein guter Verwandter helfen. Ohne nach den Gründen für die bestehende Situation zu fragen und ohne Bedingungen zu stellen. Russland habe einen Stabilitätsfond von 175 Milliarden US-$ angespart und dazu Valutareserven in Gold mit einem Wert von 515 Milliarden US-$ und könne deshalb diese Entscheidung auch finanziell bewältigen – der Ukraine Geld zu borgen mit 5 % Zinsen. Das geschieht einerseits wegen der besonderen Beziehungen, andererseits auch wegen der noch existierenden wirtschaftlichen Kooperation in vielen Bereichen. Es würden also keine finanziellen Mittel verschleudert. 
             Putin analysierte anschließend ganz ruhig die Exportstruktur der Ukraine für die EU und mit Russland. Danach stellte er die zu erwartenden Veränderungen vor und wies darauf hin, dass Russland sich gegen absehbare ungünstige Veränderungen der außenwirtschaftlichen Bedingungen schützen müsse. 

           Am darauf folgenden Tag sah ich einen Ausschnitt aus dem „Runden Tisch“ der vier ukrainischen Präsidenten. Und hörte vom ersten unter ihnen einen bemerkenswerten Satz (sinngemäß zitiert): „Wir alle hier sind für die heutige Situation mitverantwortlich.“ 
            Es ist sehr selten, dass ein lebender Politiker so offen seine eigene Mitverantwortung anerkennt! Anschließend reichte Leonid Makarowitsch Krawtshuk eine Mappe mit einem Entwurf an Herrn Justshenko und formulierte: „Machen sie doch aus den zwei Seiten ein sechsseitiges Memorandum, für das wir uns weder vor Gott noch vor unserem Volk zu schämen brauchen.“ 
           Obwohl vom „Maidan“ die Forderung der führenden Leute erschallte (Herr Jazenjuk), genau wissen zu wollen, was wo unterschrieben worden sei, hörte ich von dort bisher keine mich überzeugenden Programmpunkte für wirtschaftliche Stabilisierung. 
          Das  erinnert mich an die Äußerung eines deutschen Politikers: „Nach der Wahl staunen gewöhnlich die Sieger darüber, dass von ihren Vorgängern so wenig in der Kasse geblieben ist, um die Versprechungen dieser Nachfolger einzulösen.“ 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Mittwoch, 18. Dezember 2013

Rathenau aktuell?

           Hier beginne ich mit einem Zitat vom 1922 ermordeten deutschen Außenminister Walther Rathenau. Weil im Internet nicht gefunden, zitiere ich sinngemäß: „In Europa kenne ich einige hundert Personen, die selten an die Öffentlichkeit gehen. Man nennt sie auch Wirtschaftskapitäne. Von ihren Entscheidungen hängt in der Politik mehr ab als von jenen der Politiker.“ 
         Weil ich das wohl unterschreiben könnte, hier einige Bemerkungen. Aus aktuellem Anlass meine Übersetzung aus einer öffentlichen Äußerung des ukrainischen Milliardärs Rinat Achmetow vom 13. Dezember 2013: „ Ich bin für eine starke, unabhängige und geeinte Ukraine. Wir sind ein Land – das darf nicht geteilt werden. Ich bin für einen Tisch der Verhandlungen. Damit sich Politiker, Staatsmacht, Opposition, moralische Lenker an diesen Tisch setzen und die Entscheidungen treffen, auf welche wir stolz sein können. Wiederhole: stolz sein, nicht sich schämen müssen. Entscheidungen, von denen die Ukraine und jeder Ukrainer etwas gewinnen, in kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive. Diesen Tisch würde ich den Tisch für Frieden, Kompromisse und für die Zukunft unseres Landes nennen. Auch wenn die Politiker an diesem Tisch ihr Rating verlieren. Das Wichtigste ist, dass das Rating der Ukraine aufwärts strebt.“ 
            Hier passt nun ein weiteres Wort von Rathenau her: „Ich habe niemals einen wirklich großen Geschäftsmann gesehen, dem das Verdienen die Hauptsache war.“ Es gibt keinen Grund für mich, Herrn Achmetow zu lobhudeln. Jedoch wird auch von ihm das politische Schicksal der Ukraine mit geprägt werden… 
             Wie schon in anderen Post`s ausgedrückt, bewährt sich auch heute wieder das, was ich angedeutet habe. Der russische Präsident ist der US-amerikanisch dominierten anderen Seite wieder einen Schritt voraus. Bevor Sie weiterlesen, schauen Sie sich vielleicht erst diese Videos an: http://www.youtube.com/watch?v=3ZpnOX4l7XA und auch die Fortsetzung http://www.youtube.com/watch?v=wEIWJx8GiGA
        Danach meinen hierher passenden Kommentar vom 15.12.2013 auf einer Website http://hdreinartz-ua.com/2013/12/14/gespannte-ruhe-in-kiew/

           Denn wenn wir nur Einzelheiten betrachten, verlieren wir ein wenig das ganze Bild aus den Augen. Ein typisches Beispiel für die Erarbeitung eigener Schlussfolgerungen ist für mich die Reaktion in Washington. Nach hier zu lesenden Meldungen wird dort so kommentiert: die in Moskau vom ukrainischen Präsidenten unterschriebenen Dokumente entsprechen nicht den Forderungen des „Maidan“! 
             Weil der Kredit wesentlich größer als jener von der Weltbank angebotene ist und dazu ohne die von ihr bekannten knebelnden Bedingungen (Lohn- und Rentenbegrenzungen, Tariferhöhungen…), hat sich jetzt die Opposition gleich etwas einfallen lassen. Klingt logisch: wenn das russische Gas wirklich um 30 % billiger wird,  sind folglich ab 01. Januar alle Tarife im Lande um 30 % zu senken. Popularismus reinsten Wassers! Dazu später. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger







Dienstag, 10. Dezember 2013

Familienpolitik...

          Die „Kriegsberichterstattung“ aus der Ukraine sollte eigentlich deutlich weniger werden. Denn es sind Verhandlungen angekündigt. 

         Wahrscheinlich weniger des Ultimatums der Opposition wegen, das auf nur 48 Stunden befristet ist. Die wichtigste Forderung darin: Rücktritt von Präsident und Regierung – mit allen daraus folgenden extrem teuren organisatorischen Maßnahmen (Wahlen u. a. m.) sowie deren Wirkungen. 

        Die an der Macht befindlichen Kräfte haben diese Macht noch und könnten die einsetzen. Ein syrisches Szenarium ist allerdings denkbar. Denn es gilt immer noch und immer wieder, was der amerikanische Schriftsteller Isaac Asimov formulierte: „Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen.“ 

        Und an der staatsmännischen Weisheit beider Seiten hier habe ich seit gewisser Zeit Zweifel entwickelt. Auch wenn heute als Vermittler die drei ehemaligen Präsidenten der Ukraine auftreten werden. Denn unter ihrer Führung haben sich doch die Voraussetzungen der gegenwärtigen miserablen wirtschaftlichen Situation des Landes entwickelt. Oder nicht? 

        Die Diskussion zum Thema in der eigenen Familie ist nicht selten hitzig. Denn der einfache Weg, unter Einfluss gewisser Bilder und angepasster Kommentare eine begründete politische Meinung zu bilden, ist nicht selten Streitpunkt. Weil:zu den Bildern habe ich Fragen. Wenn es heißt: „Es wurde auf Kinder eingeschlagen!“ Warum haben die leitenden Oppositionsführer Familien zu Protestaktionen eingeladen? War nicht mit „Entgleisungen“ zu rechnen? 

       „Die Sicherheitskräfte haben selbst provoziert!“ „Was wissen wir, was ihnen zugerufen wurde? Du (der Stiefsohn) bist aus dem Auto gesprungen und hast dem Beleidiger deine Mutter die Fre… poliert – richtig?“ „Das war etwas ganz anderes!“ „Hast du etwas gehört? Nur die Reaktion mit dem Knüppel gesehen – oder? Auf die Beleidigung (Schläge mit Worten).“ 

        Etwas später: „Woher kommen auf einmal die vielen Knüppel her bei den „friedlichen“ Demonstranten? Aus Holz oder kurze Metallstäbe (Moniereisen). Liegen die gewöhnlich auf dem Kretschatik umher? Hat man die vielleicht „vorsorglich“ mitgebracht?“ 

           An anderer Stelle: „Mit welchem Geld haben die Leute, welche eine miserabel bezahlte oder keine Arbeit haben, sich denn die Reise in die Hauptstadt geleistet? In Hoffnung auf bessere Bedingungen in der EU über Nacht?“ 

          Die Reaktionen auf diese und ähnliche meiner Fragen wie auf jene zur Orangen-Revolution (siehe Post „Was war vor dem Maidan?“). „Du hast keine Ahnung und verstehst uns nicht!“ Man wird doch fragen dürfen… Um Ahnung oder gar Wissen zu erwerben. 

        Dann wird mir erklärt, dass der deutsche Außenminister Westerwelle ein Prachtkerl sei. Er hätte – ganz im Gegensatz zu mir – für das ukrainische Volk, für die Opposition öffentlich Verständnis gezeigt. Der Versuch zu erklären, dass ich das Verhalten dieses ranghohen deutschen Politikers als absolut unzweckmäßig und politisch instinktlos empfinde, weil es diplomatischer Etikette widerspricht (Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Staates), wurde mit Protest erwidert. Viel fehlte nicht, um zum Gegner des ukrainischen Volkes erklärt zu werden. 

       Als ich dann den Stiefsohn erinnerte, wie sehr die Untergebenen des deutschen Außenministers in der Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Kiew seine persönliche Assoziation mit der EU durch Verweigerung eines Visums verhinderten, wurde er zeitweilig etwas ruhiger. Der Vorgang kann unter „Die Kuh im Propeller“ (5 Post`s) im Archiv dieses Blogs nachgelesen werden. 


          Für das ukrainische Volk wünsche ich das erdenklich Beste. Wie das erreicht werden kann, weiß ich nicht. 


Bleiben Sie recht gesund! 


Ihr 


Siegfried Newiger






Montag, 9. Dezember 2013

Der schwarze Mann?

           Die Situation in der Ukraine ist unübersichtlich. Weil ich nicht berichten kann, was ich direkt gesehen und gehört habe, kommentiere ich ein wenig die ukrainischen Fernsehsendungen – von deren Fragen und Kommentaren ich allerdings nur etwa die Hälfte verstehe. Jedoch sind die Bemerkungen meiner Familie mit Rücksicht auf mich in Russisch. Also kann ich mir doch eine Meinung bilden. Allerdings werde ich die in Fragen verpacken. 
          Cato der Ältere (vor rund 2200 Jahren gelebt) soll, unabhängig vom Thema der Senatssitzungen, jede seiner Reden dort mit den Worten beendet haben: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss." Darf ich mich daran erinnert fühlen, wenn im ukrainischen Teil des Internets am Sonntagmorgen (08.12.2013) die eigenartige Formulierung eines ukrainischen Journalisten auftaucht: „Putin wird Janukowitsch bis 2015 (Wahljahr Präsident in der Ukraine) nicht in Ruhe lassen.“ Darf ich daran zweifeln? 
       Der russische Präsident hat bei seinen Pressekonferenzen im italienischen Triest (26.11.2013) und in Jerewan (Armenien, 02.12.2013) sehr eindeutig formuliert und mit Zahlen unterlegt, welche Unterstützung die russische Regierung und einzelne wirtschaftliche Bereiche der Ukraine gewähren. Alles in allem etwas über 35 Milliarden US-$! 
             Darf andererseits der Präsident Russland nicht darauf aufmerksam machen, dass nach vorliegenden Dokumenten die Ukraine von der EU veranlasst wird, zwei Monate nach Unterschrift unter den Assoziationsvertrag die Zollschranken der Ukraine gegenüber der EU drastisch zu verringern. Wenn die Ukraine im gegenwärtigen Status mit Russland verbleibt, bedeutet dieses „Anlehnen an die EU“ sachlich, dass die Waren von dort unter der Maske ukrainischer auf den russischen Markt strömen können. 
               Wer von Ihnen, meine Leser, würde als Präsident seines Landes dafür sorgen wollen, dass die bei 5,3 % stabilisierte Arbeitslosenquote im eigenen Land durch Überflutung mit Waren aus dem Ausland (unter Umgehung wirkender Verträge!) sich schlagartig erhöht? Dass ganze eigene Industriebereiche von Stilllegung bedroht werden? Oder würden Sie auch den Partner bitten: entscheide dich – so oder so. Sei dann auch bereit, die Folgen abzuwägen und zu tragen. 
          Wladimir Putin hat zweimal eindeutig – international hörbar – diese Einstellung ausgesprochen. Haben Journalisten Tatsachen zu berichten oder zweifelhafte Kommentare zu schreiben? Warum musste sich der sonst extrem ruhige russische Außenminister Lawrow etwas erregt mit dem Gerücht beschäftigen, es bestünden Pläne zum militärischen russischen Eingreifen in der Ukraine? Wer hat das niederträchtig erfunden? 
            Die politische russische Führung hat für mich deutlich gemacht, dass sie weitsichtig genug war, um die amerikanischen Bomber von Syrien abzuwenden, das dortige Giftgasproblem einer Lösung zuzuführen und die iranische Führung zum Einlenken in der nuklearen Problematik zu veranlassen. Das meiste davon durchsichtig und öffentlich – im Sinne internationaler Vorgaben (UNO). Dass einzelne Bereiche auch vertraulich sein müssen, ist unbestreitbar und für Unvoreingenommene verständlich. 
            Doch die Geheimverhandlungen der USA mit dem Iran wurden der Welt erst später bekannt. Wie auch ihre Geheimdienstanstrengungen. Vielleicht ist dieser Post auch schon gespeichert… Die Parallelen zu den Geheimverhandlungen der Westmächte während des 2. Weltkrieges hinter dem Rücken der Sowjetunion mit Hitlers Abgesandten zu einem Separatfrieden sind für mich unübersehbar. 
           Putin und seine Mannschaft haben aus der Geschichte gelernt. Das ist für mich deutlich. Auch im eigenen Land macht er sauber. Genauer: er versucht das. Denn ihm geht es wie einem der letzten russischen Zaren, welcher formulierte: „Nicht ich regiere Russland, sondern seine 247 (Zahl kann falsch sein) Gouverneure.“ Das bewies mir sein Auftreten vor den Delegierten der Allrussischen Volksfront (05.12.2013). Dort haben die Delegierten ihm direkt Beispiele angeboten – und er hat reagiert und notiert. Ich möchte nicht in der Haut jener stecken, die sich werden verantworten müssen.  

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger    





Sonntag, 8. Dezember 2013

Was war vor dem "Maidan"?

           Es gibt immer wieder Einschnitte – in jedem Leben. Einzeln, in der Familie, bei Verwandten und Freunden. Auch in Staaten oder bei Völkern. 
             Hier in der Ukraine erlebe ich zum zweiten Mal einen solchen Einschnitt. Den Euro-Maidan. Davor die Orangen-Revolution. 
             Als Erläuterung: ein Maidan ist in der Landessprache ein Platz. Hier ist der „Alexanderplatz“ von Kiew gemeint. 
            Damals schon, zur Orangen-Revolution, hatte ich eine, genauer meine eigene, abweichende Meinung. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Justschenko versprach doch dem ukrainischen Wahlvolk 5 Millionen neue, gut bezahlte Arbeitsplätze. Bei etwa 42 Millionen Einwohnern! Neue Arbeit für jeden achten Ukrainer, Greise und Babys eingerechnet! 
          Ich erinnerte mich daran, wie der deutsche Exkanzler Schröder vor seiner Wahl 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze versprach – um die Arbeitslosigkeit in Deutschland stark zu verringern. Und wie er bei aller ökonomischen Macht der Bundesrepublik an dem Versprechen jämmerlich scheiterte. 
           Also suchte ich im Internet nach Analysen zum Thema „neue Arbeitsplätze“ und wurde auch fündig. Der neue Arbeitsplatz einer Verkäuferin wurde mit etwa 60.000 Euro ausgewiesen, für einen Reinstraum in Mikrobiologie oder Mikroelektronik wurden etwa 300.000 Euro veranschlagt. Der Mittelwert für einen „statistisch neuen Arbeitsplatz“ in Deutschland wurde mit 100.000 Euro angenommen. 
         Ein Überschlag mit etwa 40.000 Euro im Mittel je neuen Arbeitsplatz in der Ukraine – also bei ortsüblichen Kostenanschlägen von etwa einem Drittel der deutschen – ergab für das „Versprechen“ Justschenko`s einen Finanzbedarf von rund 200 Milliarden Euro. Woher sollte diese Summe kommen?
       Die meisten meiner ukrainischen Gesprächspartner waren der Meinung, dass ich „Ausländer“ keine Ahnung von Land und Leuten hätte – obwohl ich damals schon 12 Jahre im Lande lebte. Außerdem hatte ich durch meine Arbeit einige tiefe Einblicke in wirtschaftliche Abläufe bekommen. 
           Bei meiner Meinung blieb ich – aber ich beharrte nicht darauf, meine Gegenüber zu überreden. Einzelne waren nachdenklich geworden. Nach Ende der Ära Justschenko waren die meisten so ehrlich, ihre Fehleinschätzung zuzugeben. 

    Heute ist die Situation eine ganz andere. Meine Auffassung: die leitenden Politiker haben versäumt, die Bevölkerung rechtzeitig zu informieren. Einverstanden, die Verhandlungen mit West (EU) und Nord (Russland) sind vertraulich. 
        Aber die Informationen zur allgemeinen Situation hätten sich bei mehr politischer Voraussicht doch allgemein und verständlich formulieren lassen. Das hätte der anderen Seite Denkanstöße vermittelt – und den eigenen Leuten nicht das Gefühl, übertölpelt geworden zu sein. Mit der unerwarteten Entscheidung, auf dem Summit in Vilnius das Dokument zur Assoziation mit der EU nicht zu unterschreiben. 
   In zwei regelrecht "erzwungenen" Fernsehauftritten haben Präsident und Premierminister der Ukraine kurz vor der politischen Großveranstaltung in Vilnius doch sehr klare Argumente vorgebracht. Nur: wer aus dem Volk, das sich etwa zur Hälfte um seine Hoffnungen und Wünsche betrogen sah, wollte diese Begründungen hören? Man reagierte in diesen Gruppen wie das „vorbildliche“ Parlament, die Rada – politische Gegner niederschreien, statt deren Argumente anzuhören und zu entkräften. 

           Soviel zur Ausgangssituation - wie ich sie sehe. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Sonntag, 13. Oktober 2013

Sehen, hören und verstehen...

       Der russische Theater- und Filmregisseur Mark Sacharow feiert heute seinen 80-sten Geburtstag. In einem seiner Filme formuliert der Held der Geschichte: „ Ein kluges Gesicht zu machen bedeutet noch nicht, klug zu reden oder zu handeln. Die meisten Dummheiten in dieser Welt werden auf diese Weise begangen.“ 

            Als ich mir aus dem Verzeichnis der Abgeordneten des Europa-Parlaments – mit Fotografien –  den polnischen Politiker Jacek Saryusz-Wolski herausgesucht hatte, musste ich an obiges Zitat denken. Zwischen seinen Kollegen sieht der Herr recht respektabel aus. 

           Im Weiteren beziehe ich mich auf alles das, was in der ukrainischen „Kommentare“ veröffentlicht wurde. Darin ging es um ein Interwiev, welches der Berater des russischen Präsidenten Putin, Herr Glasjew, im russischen Fernsehen gegeben hatte. 

           Der Reporter hatte ihn provokativ gefragt, wieso er der Äußerung seines Chefs Putin widerspricht, in welcher jener erklärte, die Einreisebedingungen für Bürger der ehemaligen Sowjetrepubliken nicht durch unnötige Visaformalitäten zu verschärfen. 

         Die Antwort von Herrn Glasjew habe ich gesehen, gehört und sehr wohl verstanden. Seine Überlegungen halten sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen, welche gegenwärtig und zukünftig für beide Seiten gültig sind, wenn die Ukraine mit der EU assoziiert sein sollte. 

    Er betonte, dass man in diesem absehbaren Zusammenhang auch an mögliche wirtschaftspolitische Änderungen in naher Zukunft voraus denken müsse. Denn dann gilt doch, dass russische Bürger für eine Reise in die Ukraine Visa bekommen müssen. Verständlich.


           Hier nun die Übersetzung des Kommentars von Herrn Jacek Saryusz-Wolski dazu. Bei mir entstand der Eindruck, dass er dieses Interwiev nicht kennt – also wie der Blinde von Farben redet. 


        „Die Europäische Union erlaubt es nicht, das Visaregime einzuführen bis zu dem Moment, da wir die Visapflicht für die Ukraine aufheben. Die Handlungen, welche Russland gegenüber unseren Partnern im Osten vornimmt, werden wir auch gegen es selbst ausüben. Wir müssen die Länder schützen, mit denen wir assoziiert sind. Und Russland weiß, dass es selbst darunter leiden wird, wenn es diese Sabotage an der freien Wahl unabhängiger Staaten fortsetzt.“ 


    Nun ist erstens diese Assoziation noch nicht vorgenommen. Der vorletzte Satz also unlogisch. Da bisher die russischen Spitzenpolitiker sich an die Buchstaben geschlossener Verträge gehalten haben, sind Erdöl- und Erdgaslieferungen in die EU vertragsgerecht erfolgt – und das seit Jahrzehnten. Das ist im ureigensten Interesse Russlands. Der Staat ist inzwischen wieder stark genug, zu handeln, wie es seine Interessen erfordern – lässt sich das auch nicht von der EU erlauben oder verbieten. Außerdem hat Herr Glasjew deutlich davon gesprochen, dass die angesprochene Visapflicht erst greifen wird, wenn dafür Voraussetzungen und Notwendigkeiten bestehen - also nicht schon Morgen. Nur begreift Herr Saryusz-Wolski, dass die so noch erschwerte Verbindung zwischen unzähligen Familien in Russland und der Ukraine zu einem Faktor wird, welcher ukrainische Politiker neben weiteren von Glasjew erwähnten triftigen Gründen zu anderen Überlegungen veranlassen könnte.


        Hat der Herr Abgeordnete eigentlich das Recht, so politisch gewichtige Erklärungen im Namen des gesamten Gremiums abzugeben? 


         Diesen Post beende ich mit Worten von Dr. Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Bundeskanzler. Nie war ich sein politischer Anhänger – aber er hat viel Vernünftiges gesagt. Zu den Äußerungen von Herrn Jacek Saryusz-Wolski passt: „Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.“ Oder in Sinne des Volksmundes: „Wenn man eine Möglichkeit zum Schweigen hat, sollte man die nicht vorübergehen lassen.“ 


Bleiben Sie recht gesund! 


Ihr 


Siegfried Newiger






Samstag, 12. Oktober 2013

Wieder Putin?

          In meinem Post „Fliegerhelm“ habe ich meine Meinung zu Wladimir Wladimirowitsch schon gesagt. Ob das, was in westeuropäischen Hauptstädten in der Sprayerszene ablief, ein Abklatsch oder gelenkte Bestellung war, kann ich nur rätseln. Denn die Texte für den „Vater der Einigung in der syrischen Frage“ waren einander sehr ähnlich. Allerdings haben künstlerisch veranlagte Personen nicht selten eine feine Witterung für echte Vorgänge. 
    Dann gab es die Meldung von einer erneuten Eheschließung Putins in den "gelben" russischen Massenmedien. Anlass dafür die war die zeitweilige Abriegelung einer russischen Klosterkirche. 
       Der Pressesekretär des Präsidenten, von den Journalisten nach einer solchen Zeremonie befragt, konnte keine Auskunft geben. Ihn würden die persönlichen Angelegenheiten seines Chefs nicht sehr interessieren – schließlich sei der ein eigenständiger Mann. Außerdem arbeite Putin dermaßen intensiv, dass er, der Pressesekretär, sich frage, woher beim Präsidenten die Zeit für familiäre Beziehungen herkommen sollte. 
           Danach kam das Summit der  APEC auf Bali. Dass der indonesische Ministerpräsident per Gitarre das von Staatschefs und Diplomaten gesungene „Happy Birthday“ für Wladimir Putin begleitete, ist eine Seite des Vorgangs. 

      Im Internet unter http://youtu.be/Z2FfF1aOSYY zu finden. 

          Später hat Wladimir Wladimirowitsch auf dieser Tagung einige Gedanken zur wirtschaftlichen Situation in der Welt geäußert, welche seine und seiner Mannschaft wirtschaftspolitische Ideen deutlich machten und auch entsprechende Vorstellungen zur Stabilisierung bzw. genauer zur Ankurbelung der Weltwirtschaft.
           Für mich waren  alle jene Passagen wesentlicher, die mit meinem Post „Oberlehrer Obama“ auf diesem Blog zusammenhängen. Denn Präsident Putin gab keine Schelte zurück – was er hätte tun können. Seine Bemerkung dazu, weshalb Präsident Obama nicht auf der Tagung dabei war, obwohl dies geplant wurde, war äußerst sachlich und korrekt. Sinngemäß: „Für das Fehlen des amerikanischen Präsidenten hier habe ich volles Verständnis. Ich wäre auch nicht gekommen, würden in unserem Land solche innenpolitischen Probleme bestehen.“ Alles. Politisch und menschlich integer. 

           Schließlich noch eine Wertung eines Politikers, vor dem ich besondere Hochachtung habe – Jewgenij Maximowitsch Primakow, ein exzellenter Kenner aller mit den arabischen und anderen östlichen Ländern verbundenen Fragen. Er hat für mich erstmals besonders deutlich gemacht, welche wesentliche Rolle Wladimir Putin mit seinen Bemühungen um eine friedliche Lösung der syrischen Problematik gespielt hat, welche weit über das gewöhnliche Verständnis hinaus geht. 
       In einem Fernseh-Interwiev sagte er dem Reporter sinngemäß: „Verstehen sie bitte, dass diese konsequente politische Haltung Putins den weiteren Bestand der UNO gesichert hat. Schon die militärischen Handlungen im ehemaligen Jugoslawien und in Libyen waren nicht im Einklang mit dem UNO-Reglement. Ein erneuter militärischer Einsatz der USA, dazu im Alleingang und gegen die erklärte Meinung von ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, hätte die Grundlagen für das Bestehen der UNO endgültig zerstört.“ 

    Es gibt für mich hier allen Grund, Wladimir Wladimirowitsch Putin auf diese Weise nachträglich zum Geburtstag zu gratulieren! 

Bleiben Sie alle recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Sonntag, 6. Oktober 2013

Fliegerhelm

          Es ist nicht selten, dass von meinen ukrainischen Gesprächspartnern meine Meinung zum Verhältnis der Politiker des eigenen Landes zu Russland erfragt wird. Meistens rede ich mich damit heraus, dass ich mich nicht in die Angelegenheiten politischer Natur einmischen will – immerhin bin ich nicht Bürger ihres Landes. Als Ausländer muss ich unter ungünstigen Umständen befürchten, einfach außer Landes geschickt zu werden. Weil mir aber meine Frau ungern nach Deutschland folgen will, bleibe ich lieber zurückhaltend. 
       Nun hatte ich vor kurzem einer Diskussion zur russischen Politik nicht ausweichen können. Sie wird immer ein wenig mit nationalistischem Hintergrund geführt. So etwa: Putin will uns vereinnahmen wie das zu sowjetischen Zeiten war, wir aber wollen uns dann lieber an Westeuropa anschließen. Denn dort sind wir wirklich frei. 
              Meine Meinung dazu ist eindeutig. Die Mitglieder der (west-) Europäischen Union sind an die Vertragsklauseln gebunden, auf welchen juristisch dieses Bündnis beruht. Das bedeutet nicht selten, die gewohnte Souveränität auf bestimmten Gebieten aufzugeben und den Vorgaben aus Brüssel fein zu folgen. Das geht nicht immer ohne Widerstand der eigenen Bevölkerung ab. Das sollten meine Gesprächspartner aus den Massenmedien erfahren haben. 
          Es ist in unserer Welt eben doch nicht so, dass eine Entscheidung in beliebiger Sache nur positive Seiten aufweist. Wer ein nettes Mädchen heiratet, muss damit leben, dass sie auch unangenehme Verwandte hat – gewöhnlich sind nach sehr umstrittener Meinung meist die Schwiegermütter jene Personen, welche für die Auseinandersetzungen in eigener Familie sorgen. 
           International ist das häufig für die einfachen Leute nicht so durchsichtig und folglich schlecht einzuordnen. 

            Was einen slawischen Verbund nach völkerrechtlichen Prinzipien angeht – da bin ich dafür. Denn in ihm treffen sich gleichartige oder sehr ähnliche Kulturkreise. Außerdem sind die Bedürfnisse der meisten Menschen an vielen Waren sehr typisch und die inneren Märkte der beteiligten Länder für die Aufnahme spezifischer Produkte offener. Dazu die gemeinsame, wenn auch nicht immer einfache Geschichte… 
           Ukrainische Wissenschaftler haben bewiesen, dass sowohl die Kosten einer solchen Annäherung als auch ihr Nutzen wesentlich günstiger sind als die Hinwendung zur westeuropäischen Partnerschaft. Aber vor allem die rechtsnationalen Kräfte im Land stemmen sich mit Wort und Tat gegen die günstigere Variante. 

              Zurück zum Thema. 
           Wer das Plakat bestellt und bezahlt hat, das wir gestern am Morgen an einer günstigen Stelle unserer Fahrstrecke sahen, weiß ich nicht. Oder ob es eingeschmuggelt worden war. Nur passt es zu meinen letzten Artikeln auf diesem Blog. 
         Mir fiel als erstes der Fliegerhelm auf. Erklärt sich als ein Überbleibsel aus dem langen Berufsleben in dieser Sphäre. Dann hielt das Taxi vor einer Ampel – ich sah, das Bild war ein bekanntes Foto vom russischen Präsidenten Wladimir Putin. Daneben stand in extrem großer Schrift:                        „Putin – wir danken dir für den Frieden.“ 
        
           Eindeutig ein überraschender öffentlicher Dank für die erzielten politischen Ergebnisse in der Syrien-Frage. Da schließe ich mich aufrichtig an. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





Montag, 30. September 2013

Zärtlichkeit...

           Wenn ich mich richtig entsinne, hat der Kubaner Ernesto Cardenal sehr poetisch formuliert: „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.“ 
            Diese Worte kommen mir in den Sinn anlässlich von zwei mich berührenden Ereignissen. Das erste: nach langer diplomatischer Arbeit der russischen Spitzenpolitiker und ihrer Spezialisten ist es dazu gekommen, dass die Syrien-Resolution des UNO-Sicherheitsrates zustande kam, welche von allen seinen Mitgliedern unterschrieben wurde. Diese nicht nur auf russischer Seite sehr wünschenswerte Entwicklung wurde aber nur möglich, weil Russland und seine Sympathisanten sowohl Kraft als auch Intelligenz einbrachten, um nicht nur dem syrischen Volk zu helfen, sondern anderen Völkern Leid zu ersparen. Von den materiellen Verlusten rede ich nicht einmal. Als einfacher User des Netzes danke ich allen Beteiligten für ihre Haltung, politische Fantasie und eingebrachte positive Energie.

        Der vergangene Sonntag war im Vielvölkerstaat Russland der „Tag der Solidarität“ – vielleicht für die Organisatoren genauer ein „Tag der Einheit“. Er verlief unter der Devise des alten slawischen Sprichworts: „Von aller Welt ein Fädchen webt dem Armen ein Hemd.“ Verkürzt als Motto auf „Alle Welt!“ Es ging darum, neben den für die Überschwemmungsgebiete im Fernen Osten eingesetzten staatlichen Hilfsmaßnahmen in Milliardenhöhe ein Scherflein der im weiten Land nicht vom Hochwasser Betroffenen für die mehr als 100 000 Menschen beizutragen, welche im regelrecht monatelangem Kampf gegen die doch übermächtigen Naturgewalten trotz heldenhaftem Einsatz von Hilfskräften wirklich nur noch das nackte Leben retten konnten. 
            Die Telefongesellschaften nahmen den ganzen Tag SMS von Teilnehmern entgegen, welche den Code „Wir sind eins!“ trugen und mit 50 Rubeln abgerechnet wurden. Auf dem Roten Platz begann um 10 Uhr Ortszeit ein Freiluftkonzert führender und auch anderer Künstler der „Szene“, dessen Erlös in den Solidaritätsfond einfloss. Der 1. Kanal des Russischen Fernsehens hatte passende Sendungen dazu gestaltet und blendete die Sammelergebnisse ein. Die Gesellschaft zahlte alle Einnahmen aus der Reklame dieses Tages in den Spendentopf ein. Als ich letztmalig diesen Kanal einschaltete, waren dort rund 142 Millionen Rubel (etwa 3,4 Millionen Euro) zusammengekommen. 
            Was heute Morgen als vorläufiges Ergebnis fest stand: wirklich alle Welt, die Länder der ehemaligen Sowjetunion, aber auch US-amerikanische und deutsche Bürger, viele hier Ungenannte brachten mit ihren Spenden mehr als eine halbe Milliarde Rubel zusammen. Ein Asherbaidschaner, Emin Medshidow, schickte 600 SMS! 
          Was hier nicht berichtet werden kann, sind genaue Angaben zu den Spenden an Sachwerten, welche jetzt noch ständig im Katastrophengebiet eintreffen: warme Kleidung, Schuhe, Bettwäschen, Decken, Lebensmittelkonserven und vieles andere mehr. 
         Berührend und andererseits zukunftsweisend eine Szene aus der Sendung des bekannten Moderators Andreij Malachow: „Lasst sie reden“. Bei ihm zu Gast im Studio eine knapp 90 Jahre alte Frau, Teilnehmerin am 2. Weltkrieg, der hier bekanntlich Großer Vaterländischer Krieg genannt wird. Sie hatte fast bis zuletzt in ihrem Häuschen ausgehalten, um ihre Ziegen nicht zu verlassen, ihre Ernährerinnen, welche nun im Dachgeschoss leben mussten. Ihre Tochter war dort geblieben, sie wegen doch gewisser Gebrechlichkeit fast mit Gewalt evakuiert worden. 
         Man hatte für kurze Zeit eine Fernsehbrücke zur Tochter geschaltet, welche der Mutter die lebenden Ziegen zeigen konnte. Außerdem war eine Tochter mit Enkelin aus der Ferne herbeigeflogen worden – Oma hatte die Tochter lange nicht und die Enkelin noch nie gesehen. Eine tief bewegende Begegnung. Gelungene Regie. 
            Nur eins hatte man nicht gekonnt – vorhersehen, was die Kriegsveteranin sagen würde. Sie war mit Unterbringung und Versorgung zufrieden, wollte aber dennoch unbedingt ihren in Kürze zu erwartenden 90. Geburtstag daheim feiern. Eine junge Frau, Schriftstellerin, übergab ihr etwas Geld in einem Umschlag und versprach öffentlich, mit der Familie in Verbindung zu bleiben. Obwohl Oma sich herzlich bedankte, sagte sie doch auch – in einem anderen Zusammenhang: „Das Geld brauche ich nicht. Wenn nur Frieden bleibt.“ 
     Weil ich plötzlich von meinen Russisch nicht verstehenden Schutzbefohlenen gebraucht wurde, konnte ich die sich um diese Antwort entwickelnde Diskussion leider nicht verfolgen. 
     Nur: was ich zum Verständnis der russischen Bevölkerungsmehrheit und auch der meisten russischen Politiker bezüglich Krieg schon in meinen vorherigen Post´s formuliert habe, bestätigte sich unverhofft und öffentlich.  

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger








Sonntag, 15. September 2013

Genf 14.09.2013

           Erneut habe ich Grund, mich zu freuen. 
           Diesmal für alle Welt – auch für Sie. Die Gefahr, dass sich aus einem örtlichen Spiel mit dem Feuer in Syrien ein Flächenbrand entwickelt, ist vorerst gebannt. 
         Beide in Genf tagenden Außenminister – Kerry und Lawrow – stellten die Ergebnisse ihrer dreitägigen Verhandlungen auf einer Pressekonferenz vor. Dabei wurde auch deutlich, dass es noch viel zu regeln gibt. Wie immer im Leben sind die Einzelheiten nicht vorhersehbar. Die Menge, die Verteilung und die Verfahren zur Vernichtung der geschätzt 1000 Tonnen chemischer Kampfstoffe beziehungsweise ihrer Ausgangsmaterialien sind Sache der Spezialisten auf diesem Gebiet. Die Zeitrahmen sind eng. 
       Über Stil und Inhalt der Pressekonferenz gab es Berichte in den Massenmedien. Es wurde für mich auch deutlich, dass die USA-Politik immer noch mit Drohungen arbeitet, während die russischen Überlegungen sich jedoch nur an Völkerrecht und UNO-Grundsätzen orientieren. 
         Als Beispiel: Mister Kerry sprach direkt wieder von angedrohtem militärischem Einsatz, sein Kollege Lawrow bezog sich auf diesen als eine Möglichkeit, welche aber vom UN-Sicherheitsrat gebilligt werden müsse. 
        Bei "Reuters" fand sich heute Mittag diese eigenartige Formulierung: "Die US-Regierung betonte, ein Militärschlag im Alleingang sei noch nicht vom Tisch." Deshalb der vorsichtige dritte Satz in diesem Post. 
     Dank politischem Verantwortungsbewusstsein, auch politischer Fantasie und ausgeprägter Hartnäckigkeit der damit befassten russischen Spitzenpolitiker sowie ihrer Spezialisten ist es aber zumindest so weit gekommen, dass der in Genf abgefasste Rahmenvertrag vereinbart werden konnte.  

           Der sichtlich müde russischen Außenminister Sergeij Viktorowitsch Lawrow gab am gestrigen Abend (14.09.2013) einem Starreporter des russischen Fernsehens ein – ungeplantes – exklusives Interview. 
          Der wie immer äußerst korrekt formulierende  Sergeij Viktorowitsch antwortete auf einige Fragen und zog nochmals Bilanz seiner Gespräche mit dem US-amerikanischen Außenminister John Kerry. Dass sie erfolgreich sein konnten, sei weniger auf die militärische Drohung der USA begründet, sondern auf das vertrauensvolle und dennoch kritische Verhältnis zwischen Russland und Syrien zurück zu führen. 
         Die Tatsache, dass die syrische Regierung überraschend kurzfristig den Beitritt zum Abkommen über das Verbot von chemischen Waffen erklärt hätte, sei auch diesem Verhältnis zuzuschreiben. 
          Damaskus wäre ja auch noch einen Schritt weiter gegangen. Man habe erklärt, selbst wenn die Anerkennung genannter Mitgliedschaft entsprechend den dafür geltenden Bestimmungen erst nach einem Monat erfolgen könne, sich die syrische Regierung zeitgleich mit ihrer Erklärung an die mit einer Mitgliedschaft verbundenen Auflagen halten wolle. Damit hätten die Verhandlungen ein zusätzliches positives Moment erhalten. 
        Denn das bedeute Zeitgewinn bei der Umsetzung der vereinbarten Vorhaben. 

    Der Reporter formulierte dann noch einige Sätze eigenen Kommentars zu dem Verhandlungsergebnis. Auf denen baut meine folgende Meinung auf. 
     Wer wie ich die lokalen Kriege der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in den Massenmedien miterleben musste, kommt vielleicht wie ich auch zu folgendem Schluss.

        Erstmals seit 1956 konnte Russland – auch als Nachfolger der UdSSR – die USA politisch dazu veranlassen, von einer militärischen Intervention abzusehen. Das bedeutet eine sehr beachtliche Steigerung des politischen Ansehens Russlands in der Welt. 

           Dass das einer Menge an Leuten nicht passt, verstehe ich. Wie immer. Neid muss man sich verdienen. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger






Deutschland über alles...

          Leider muss ich diesen Post mit 2 Tagen Verspätung einstellen. Aber der folgende wird ohne dieses sein Vorwort etwas schlechter verständlich. 
           Als im August 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland A. H. Hoffmann von Fallersleben mit diesen Worten „Das Lied der Deutschen“ begann, wurde es nicht gleich bei allen Leuten bekannt. Erst am 11. August 1922 wurde es vom ersten Reichspräsidenten, Friedrich Ebert, zur Nationalhymne erklärt. Während des Nationalsozialismus (1933-1945) wurde nur die erste Strophe gesungen, welche eindeutig nationalistische Ausrichtung hat. Der Text stellt eine „Sonderstellung“ der Deutschen heraus – sie ist dem persönlichen Nationalgefühl des Dichters zu verzeihen, welcher diese seine Nation vor anderen schätzte. Das wurde aber von den faschistischen Machthabern geschickt zur unterschwelligen Rechtfertigung vor allem außenpolitischer Entscheidungen gebraucht. 
         In der Bundesrepublik wurde die dritte Strophe dieses Liedes von Bundeskanzler und Bundespräsident als Nationalhymne erwählt. 
           Warum diese Einleitung? Weil in der Rede des amerikanischen Präsidenten Obama an die Nation eine Passage enthalten war, welche die Einzigartigkeit oder Außergewöhnlichkeit der amerikanischen Nation hervorhob. Damit im Kontext natürlich auch verbunden einige aus ihr mit etwas Mühe ableitbare besondere Rechte. 
           Es drängt sich mir der Vergleich mit der Zeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland auf. 

           Deshalb ist für mich auch verständlich, warum eben auf diesen Teil des Inhalts Wladimir Putin in seinen Artikel für die „NewYork Times“ besonders einging. Allerdings von einer Seite, die ich nicht erwartet hatte. Sinngemäß hieß es im genannten Text, dass der Herrgott doch alle Menschen mit gleichen Rechten erschaffen hätte. Die geschickte Ausnutzung der häufig von amerikanischer Seite betonten christlichen Grundwerte als ein Gegenargument beweist mir die Flexibilität in Denken russischer Politiker an der Spitze dieses Staates. 
        Eine unter vielen Antworten, welche Putin, um auf meinen Post „Oberlehrer Obama“ zurück zu kommen, eher als einen gelangweilten, jedoch als einen Musterschüler ausweisen. Denn mit dieser begründeten Vorgabe rechtlicher Gleichheit kam auch die nächste Lehre für den Lehrer: es hätten auch die kleineren Nationen ein Recht darauf, vor selbstherrlichen Entscheidungen mächtigerer mittels Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bewahrt zu werden. 
         Die wie auch immer begründeten eigenmächtigen Handlungen starker Länder unter Umgehung des Sicherheitsrates und auf der Basis unbewiesener Verdachtsmomente würde bedeuten, die UNO unwirksam zu machen. Sie könnte so untergehen, wie es mit dem Völkerbund einst geschah. 
       Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass das Recht auf ein Veto der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates auf direktes Bestreben der USA in die UNO-Grundlagendokumente hinein genommen wurde. Erneut beweist mir auch dieser Artikel, dass Präsident Putin und seine Mannschaft aus der Geschichte sehr viel gelernt haben. Anwendungsbereites Wissen! 
         Wahrscheinlich sind auch die USA-Politiker erstaunt darüber, dass innerhalb weniger Stunden zum genannten Artikel mehr als 900 Kommentare bei der Zeitung eintrafen. Selbst von Leuten, die laut eigenem Vorspann Putins politische Gegner sind, in ihrem Beurteilung zu seiner Erklärung aber lobende Worte fanden. Verbunden mit der Kritik an der eigenen Administration, welche keine klaren Worte fände. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger