Beginnen werde ich
mit mir. Als vor langen Jahren in unserer Parteiorganisation die Entscheidung
getroffen werden sollte, welche Losungen – bei den Waidleuten ist Losung der Mist
der Jagdtiere – aus der großen Menge der vom „Zentralorgan der Partei“ vorgeschlagenen
bei uns am und im Gebäude prangen sollten, schlug jemand auch diese vor: Überholen ohne einzuholen! (Wirtschaft DDR gegen BRD!) Nun war ich
nicht der Revolutionär, welcher gegen das Zentralkomitee aufstand. Aber ich gab
denen, welchen die Kürze des Satzes lobten, zu bedenken, dass die physikalische
Logik anders ist. Wer auf einen Punkt vor dem sich bewegenden Objekt kommen will, muss
ihm entgegenlaufen. Weil die Erde rund ist, muss man dem nach Osten rasenden
auf Westkurs begegnen. Das könne von uns doch nicht gewollt sein. Also wurde
eine weniger idiotische Phrase ausgewählt.
Ein Hubschrauberführer
erzählte: wir waren im Anflug auf einen Landeplatz. Im Laderaum einige Passagiere.
Plötzlich ein Knall, der Drehzahlmesser eines Triebwerkes der Mi-8 ging auf
Null. Eindeutig Triebwerksausfall. Die Drehzahl der Tragschraube verringerte
sich ebenfalls. Vor und unter uns eine Erdbeerplantage. Ich leitete einen steilen
Sinkflug ein. Erst kurz vor unserer von mir geplanten Flugzeuglandung bemerkte ich die aufrechten Metallrohre
der Bewässerungsanlage. Da machte ich etwas, das ich unter normalen Umständen
nie gewagt hätte. Das einzige Triebwerk jagte ich auf eine absolut unzulässige
Drehzahl hoch, wodurch die Leistung an der Tragschraube stieg und ich eine Punktlandung
zwischen zwei Wasserrohren hinbekam. Etwas derb – aber ohne Schaden für
Passagiere und Besatzung. Der Hubschrauber jedoch war im Eimer.
Dieser Post wurde
geschrieben, weil ich heute einen ehemaligen Offizier der Sowjetarmee traf, der
mit seiner Familie nach Kiew umzog, als ich einmal nicht in Bila Tserkva war. Er
hatte mir davor etwas zu einem erstaunlichen Vorgang erzählt, versprochen,
genaueres bei Gelegenheit dazu zu fügen. Das bekam ich heuten dank meiner
zielstrebigen Fragen. Beim Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan war
er Oberleutnant und Stellvertreter des Kommandeurs einer Aufklärungskompanie. Er
hatte den Befehl, diese als Vorauskommando durch die letzte Schlucht auf
afghanischem Gebiet zu führen. In der wurden sie plötzlich heftig beschossen. Dann
kamen plötzlich Parlamentäre. Sie boten sehr nachdrücklich an, ihnen einen Teil
der Schützenwaffen dieser Kompanie mit dazu gehöriger Munition zu überlassen. Bei
Weigerung würden die Afghanen gezielt schießen. Der junge Offizier traf eine
schwere, aber vernünftige Entscheidung. Er gab dem ehemaligen Feind die geforderte
Bewaffnung. Dafür brachte er seine Einheit ohne einen einzigen Toten zur Brücke
über den Fluss.
Auf sowjetischer
Seite sah die Militärstaatsanwaltschaft sein Verhalten als verräterisch an. Er
sollte verurteilt werden. Der Einspruch vernünftiger und einflussreicher Personen
bewahrte ihn vor dem Tribunal.
Die oben erwähnten
Personen handelten „nach ihrem Gewissen“ – das hat mit Regeln und Vorschriften konkreter
Art recht wenig zu tun.
Nun zu Nadija
Sawtschenko. Diese schmucke Frau ist Offizier, Pilotin höchster Klasse. Ihr
Angst zu machen ist kaum denkbar. Vor allem nicht von jungen Damen, welche in
einem ukrainischen Fernsehprogramm ihren „Stil“ bemängeln, ihn als PR-lastig definieren.
Nadija trägt ihre Kleidung so, wie es ihr passt. Aus Erfahrung in Hubschraubereinheiten
weiß ich, dass der Umstieg vom Starrflüger Jagdflugzeug auf den Drehflügler
Kampfhubschrauber extrem schwierig ist. Sie hat das gepackt. Interessant war für
mich, wie sie in einer Talkshow den lautesten Teilnehmer fragte: „Haben sie
schon auf Menschen geschossen?“ danach sich ruhig bekannte: „Ich aber ja.“ Anders
gesagt – was weißt denn du von Krieg? Das Geschrei um ihre nach diplomatischen
Regeln fehlerhaften Gespräche in Minsk wird abebben. Ich hoffe und wünsche,
dass die mutige Abgeordnete Nadija Verständnis für ihre vom Gewissen veranlasste
Handlung findet. Als ich gestern vor dem Einschlafen einen ukrainischen Fernsehkanal
abschaltete, waren dort 68 % der Zuschauer für Nadija – Julia Timoschenko
erhielt nur 32 %. Das freut einen denn ja auch...
Bleiben Sie recht
gesund!
Ihr
Siegfried Newiger