Gestern Abend habe ich mich
wieder geschämt für die deutsche Medienlandschaft – ohne etwas Genaueres zu
wissen. Ist eigentlich nicht meine Art, Unbewiesenes zu veröffentlichen. Nur war
die Situation so, dass ich nicht anders konnte.
Als wir gegen 23 Uhr Ortszeit (in
D. 22 Uhr) noch den Fernseher einschalteten, war gerade der russische Präsident
Putin im Bild, umringt von einer Menschenmenge. Sein Arbeitsbesuch aktuell in
Krymsk, der von Fluten fast weggespülten Stadt im Kubangebiet.
Wladimir Wladimirowitsch hatte
nicht nur viel Geduld und Verständnis für die ihn umgebenden Leute – er war
auch in seinen Entscheidungen knapp und konkret. Dass Kinder betroffener
Familien sofort in Ferienlager gebracht werden sollen, war schon geregelt, noch
bevor wir eingeschaltet hatten – man bezog sich anschließend darauf. Denn es
gäbe noch alte Menschen und Invaliden in der Stadt, welche sich beim Aufräumen auch
bei gutem Willen nicht einbringen könnten. Bemerkung zum Gouverneur: „Haben wir
nicht bedacht. Eine Lösung wie für die Kinder sollte gefunden werden für jene,
welche das wünschen.“ Der notierte sich das…
„Was ist mit den Schwangeren,
Wladimir Wladimirowitsch?“ „Wann ist es bei ihnen denn so weit?“ „In zwei
Wochen etwa.“ Mit Vor- und Vatersnamen an den Gouverneur: „Diese Frauen sollten
in besseren Bedingungen ihre Kinder zur Welt bringen dürfen. Sorgen sie dafür.“
Auf die Bemerkung, dass er wohl geantwortet
habe und man sich im Fernsehen doch die Zusammenfassung ansehen könnte, von
weit weg die Stimme einer Frau: „Wie denn - der ist doch mit ertrunken und
weggeräumt.“ „Kommen sie bitte heran.“ Die etwa 70 Jahre alte weißhaarige Frau
wurde von der Menge – ja, sicher auch von der „Securité“ – durchgelassen. Mit Handschlag
begrüßt und befragt. Nach ihrer Antwort: „Das wiederhole ich hier noch einmal laut
für Alle: die Kommission zur Schadensfestlegung hat Mitglieder aus der
betroffenen Bevölkerung bei ihrer Arbeit einzubeziehen.“
Einzelheiten lasse ich hier aus.
Dann mein Ärgernis.
Ein
untersetzter, halb bekleideter Mann formulierte: „Wir haben deutsche Freunde. Die
sagen sehr bestimmt, dass durch Fehlentscheidungen zum Öffnen der Schleusen an
den Talsperren die Situation verschlimmert wurde.“
Lächeln beim ersten Teil der
Antwort: „Seit Peter I. fragen wir schon bei unseren deutschen Freunden nach. Ich
habe dort nicht gerade wenige.“ Dann ernsthaft: „An den Talsperren gibt es
keine Schleusen. Nur Überläufe – in der Art umgekippter Trichter. Die lassen
nur eine begrenzte Menge ablaufen. Außerdem hat – es folgte Vorname und
Vatersname des Ministers für Zivilverteidigung – schon dafür gesorgt, dass sich
Bürger der Stadt bei einem Rundflug per Hubschrauber davon überzeugen konnten.
Wenn sie und andere Anwesende das wollen, gibt es dazu erneut eine Möglichkeit.“
Ein Wink zum Minister – dessen Nicken bestätigte den empfangenen Befehl.
Aus der Menge ein Ruf: „Die
Schleusen sind da – aber unterirdisch.“ „Aber ich bitte sie – das sind Stauwerke
und keine Wasserkraftwerke.“
Doch es kam noch dicker. Allerding
ohne Quellenangabe. Der ebenfalls wegen der Hitze nur notdürftig bekleidete,
kräftig gewachsene Mann wendete sich direkt an den Präsidenten, von welchem er
etwa zwei Meter entfernt stand. „Haben sie schon erfahren, dass durch die Stadt
eine große Straße zum Hafen gebaut werden soll?“ „Zu welchem Hafen?“ „Nach Noworossiisk.“
„Nein. Aber weshalb diese Frage?“ „Durch das Wegschwemmen der Stadt sollte
Bauland dafür preiswerter gemacht werden.“
Die Antwort in etwa – ich habe
sie wegen der Erregung, die mich wegen dieser Gemeinheit augenblicklich packte,
nur zum Bruchteil verstanden:
„Und sie glauben, dass dafür
Menschenleben geopfert werden?“
Schnitt in der Berichterstattung –
ein Arbeitsraum. Wladimir Putin sehr ruhig und konzentriert, vor seinen Notizen.
Seine Fragen an die Verantwortlichen klar wie seine Weisungen. „Was sagen die
Festlegungen über Ausgleichszahlungen aus?“ Der Minister für Zivilverteidigung
hat fast augenblicklich den Text vor sich: „Je Person erste Zahlung einmal
10.000 Rubel, gesamt für eine Familie nicht mehr als 50.000 Rubel.“ „Das muss
geändert werden. Das Geld ist da. Pro Person diese erste Hilfe – ohne Begrenzung,
selbst wenn in der Familie 10 Personen sind. Das gilt auch für alle anderen
Summen. Die eben genannten Festlegungen der Regierung werden geändert.“
Kinderferienlager, Hilfe für Invaliden,
Gebrechliche, alte Leute, Schwangere – nichts bleibt draußen vor. Immer wieder:
„Schnell helfen. Wer organisiert die Auszahlstellen?“ Der Beamte erhob sich. „Nehmen
sie Platz. Die Leute beschweren sich, dass sie bei diesen Bedingungen in
endlosen Schlangen warten müssen. Was hindert sie, mehr und günstiger gelegene „Filialen“
zu eröffnen. Bei meinem nächsten Besuch werde ich mich in eine solche Schlange
stellen…“
Wer gutwillig ist, kann Russland
zu einem so tatkräftigen Präsidenten nur beglückwünschen.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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