Es war damals
nicht ungewöhnlich, kritische Stimmen zum „Imker“ zu hören, wie der damalige
Präsident Justshenko von seinen
Landsleuten weniger liebevoll, sondern eher abschätzig genannt wurde.
Zumindest unter
denen, die in der Armee einmal gedient hatten oder noch aktiv waren, verlor er
nach den hier geschilderten beiden Vorfällen alle Achtung.
Da gab es als
erstes die Parade zum Unabhängigkeitstag 2009. Justshenko neigte schon immer zum Improvisieren. Als Präsident
in Personalunion auch Oberkommandierender, sprach er zur Eröffnung der
Zeremonie anlässlich dieses Feiertags 8 Minuten länger, als im Protokoll
vorgesehen. Ohne Wesentliches zu sagen, wie meine Gesprächspartner
außerordentlich höflich formulierten.
Wenn die Parade nur von reitenden Kosaken
und marschierenden Grenadieren gestaltet worden wäre – kein Problem. Aber
entsprechend Protokoll waren die teilnehmenden Gruppen fliegender Waffensysteme
zur geplanten Zeit in die Luft befohlen worden. Panzer am Boden lassen sich
stoppen, Hubschrauber können mit gebotener Umsicht sehr langsam fliegen. Aber
wie zwingt man unterschiedlich schnell fliegende Jagdflugzeuge, Jagdbomber und
große Transportflugzeuge in Vollkreise, aus denen sie nach Wunsch des OK
jederzeit in voller Ordnung wieder in die Paradeformation abgerufen werden
können?
Außerdem: diese Entwicklung hatte keiner der Kommandeure der Luftstreitkräfte
vorausahnen und in einer Manövervariante planen können. Ein gutes, aus den
Kriegen der Vergangenheit belegtes Beispiel, leider meist offiziell vergessen:
es ist nicht immer der Gegner, welcher unsere Misserfolge und Niederlagen
verursacht!
Zurück zur
Parade: kaum waren die Bodentruppen in Bewegung gekommen, als die
„undisziplinierten“ Teilnehmer der ukrainischen Luftstreitkräfte in bester
Ordnung über die erstaunten Besucher hinwegbrausten. Ihnen alle Achtung – sie
erfüllten ihre friedliche Aufgabe mit der notwendigen Meisterschaft.
Meine
sachkundigen Gesprächspartner redeten in diesem Zusammenhang davon, dass der
Oberkommandierende seinen sich am Boden redlich bemühenden Soldaten und
Offizieren „die Show“ regelrecht gestohlen habe. Nicht nur, dass die extrem
schwierige Vorbereitung der fliegenden Besatzungen durch diese seine
Extravaganz an Effekt einbüßte – auch die marschierenden Einheiten, für deren
Mühe in den heißen Tagen der Vorbereitung ein verdienter Beifall der Besucher
erwartete Entschädigung sein sollte, gingen fast „leer“ aus. Welch eine
untragbare Einstellung zur Arbeit großer Gruppen hochqualifizierter
Spezialisten? – das fragten mich meine Gesprächspartner anschließend.
Ich
kommentierte nicht. Auch hier berichte ich nur.
Allerdings bekam
ich etwa zwei Wochen später, soeben aus Deutschland zurückgekehrt, erneut
Fragen gestellt. Die Fernsehsendung dazu hatte ich in Berlin über die
„Schüssel“ gesehen. War aber nicht darauf gefasst, dass ich erneut so als
„Schiedsrichter“ befragt werden würde.
Nach einem
Manöver der ukrainischen Schwarzmeerflotte hatte der OK den staunenden
Journalisten sehr detailliert geschildert, wieviel Flugzeuge, Hubschrauber,
Schiffe und Boote der ukrainischen Streitkräfte nicht gefechtsbereit sind, auch
die beträchtlichen Prozentzahlen kampfunfähiger Panzer und Artilleriesysteme
genannt.
Die mir bekannten ukrainischen Militärs und Reservisten waren
geschockt. „Wie stimmt das mit unseren Gesetzen überein? Jeder Armeeangehörige,
der solche Angaben nur über seine Einheit ausplaudert, kommt als Landesverräter
vor das Tribunal!“ – das war die Meinung. Ich konnte nur mit den Schultern
zucken. Denn ich habe häufig das Problem, meinen Gesprächspartnern zu erklären,
dass jede „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ des Landes meinen
Aufenthalt hier unmöglich machen kann.
Eine Meinung war
besonders „merkwürdig“. Sie zeigt den hintergründigen Humor, der hier nicht
selten ist. „Wollte er die Russen einladen, sich die Ukraine wieder
einzuverleiben, wenn sie doch so wehrunfähig ist?“ Zwar habe ich vorsichtig gelacht – aber so eine Denkweise ist
eher traurig – denn sie beweist die Wirkung politischer Stereotype.
In einer Umfrage vor den Präsidentenwahlen 2010 hat dieser Politiker mit rund 5 % der Stimmen ein Ergebnis erreicht, dass nach Meinung der Agentur das niedrigste war, das international jemals von einem Präsidenten im Amt erzielt wurde ... (Quelle: Wikipedia russisch)
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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