Samstag, 22. Dezember 2012

Nachlese...


        Die Reaktionen auf die Pressekonferenz von Wladimir Putin sind gemischt. Wie die politischen und moralischen Werte, welche die diskutierenden Personen vertreten. Sehr bekannt und nicht anders zu erwarten. Meine ukrainischen Opponenten sind recht genau in für und wider einzuordnen.
        Der russische Journalist Schuster hat hier mit seiner Sendung "Schuster life" eine relativ große Anhängerschaft. Seine persönliche Haltung ist für mich nicht anders als "stark Ukraine-lastig" zu bezeichnen. Am 18. 12. 2012 gab es die Sendung zur Frage: "Kann die Ukraine es sich leisten, der Zollunion nicht beizutreten"? Die Befragung des Publikums auch mit Hilfe des Internets zu Sendebeginn und am Ende der Sendung gab einen Beitrag zum Thema "Politische Meinungsbildung durch Massenmedien". Während anfangs etwa jeder zweite zur Frage "Ja!" sagte, war zum Schluß bis auf wenige das befragte Auditorium dafür, die Zollunion als für ihr Vaterland nicht brauchbar zu betrachten.

        Die Begründungen vieler Politiker im Saal waren weniger von ökonomischer Zweckmäßigkeit der Vereinigung (bis jetzt Belorussland, Kasachstan, Russland) geprägt - also dem Wegfall der Zollgrenzen mit allen daraus sich ergebenden bürokratischen Abläufen, Personalkosten u. a., sondern mit Zeitgewinnen beim Grenzübergang und so weiter... Deren ökonomischen Nutzen hat sogar die ukrainische Akademie der Wissenschaften belegt. Sondern von einer in meinen Augen historisch gewachsenen, nur unter heutigen Bedingungen unbrauchbaren "Furcht vor dem russischen Bären" sowie in extremem Hang zur "Europäisierung" des Landes. Man will nicht länger "Osteuropa" sein...
        Die politisierte Beweisführung geht sogar bis in Wortspiele. Die ukrainische Zeitschrift "Wochenspiegel der Ukraine" (Зеркало недели Украины) formulierte in ihrer Ausgabe Nr. 13 von 08. April 2012 das so: "Bundesgenosse oder Mithäftling?" (В союзники или соузники?" - W sojusniki ili sousniki?).

        Für mich ist - ohne extrem viel politisches Hintergrundwissen - also als gewöhnlicher Zuschauer/Leser/Hörer - die Antwort doch einfach. Wer in Westeuropa wird ukrainische Waren kaufen, welche im Lande sogar Ladenhüter sind? Wie soll die westeuropäische Wirtschaft mit der dort deutlichen Arbeitslosigkeit den Beitritt eines Landes mit mehr als 40 Millionen auf ein ökonomisches Wunder hoffenden Einwohnern verkraften? Mir schmeckt Buchweizengrütze vorzüglich, nur die Deutschen zum Beispiel wird man nicht an die Teller mit dieser gesunden Speise treiben können, um den ukrainischen Export landwirtschaftlicher Produkte anzukurbeln.

        Andererseits hat in der Pressekonferenz Putin nach meinem Empfinden zu den ukrainischen Problemen klare Antworten gegeben. Hier gibt es ein Sprichwort (sehr grob, ich vereinfache stark): "Du kannst nicht einen Fisch essen, während du Sex hast." Für unsere Zeit ist doch typisch, dass auch das Vertragswerk der EU den nationalen Belangen nicht immer entspricht, aber insgesamt mehr oder weniger eingehalten wird. Putin wies in seiner Antwort an die ukrainische Journalistin (s. Post "Pressemarathon") darauf hin, wie erstaunt seine ukrainischen Kollegen die Einhaltung eines Vertragswerkes durch die russische Seite zur Kenntnis nahmen.

        In Diskussionen mit einigen Ukrainern höre ich nicht selten: "Putin beachtet nicht die ukrainischen Interessen."
        Dann reagiere ich gereizt. Sie sollen mir doch einmal erklären, warum Barack Obama die Interessen der Ukraine nicht vordergründig betrachtet? Oder Angela Merkel? Jeder Präsident hat doch erst einmal sein Land zu vertreten - oder? Ist die Sorge um einen geografisch zusammenhängenden euroasiatischen Wirtschaftsraum unter Beachtung nationaler Besonderheiten auch der Ukraine nicht mehr "Sorge" um die Ukraine als halbherzige Erklärungen aus Westeuropa? Meine Befürchtungen für die mir nahen Ukrainer: sie werden hinter einer sachlich vernünftigen Entwicklung wahrscheinlich aus nationalistischen Erwägungen zurückbleiben...

        Während der Name "Magnitzkij" zur Zeit in aller Munde ist, hat der von Anna Polikowskaja mit dem Augenblick an propagandistischem Glanz für eine Reihe von Journalisten verloren, als das Urteil gegen den Organisator des Mordes an ihr verkündet wurde.
        Wenn ich vergleiche, welche Zeiten die Rechtssprechung in den westlichen Ländern brauchte, um sogenannte "große Fälle" aufzuklären und mit Urteil zu beenden, komme ich nicht an der Erkenntnis vorbei, die Präsident Putin in seiner Antwort an Mister Loijko so formulierte: "Ich verstehe, dass sie in der Zeitung "Los-Angeles Times" arbeiten, nicht bei der "Prawda" oder "Iswestija", und dass sie eine bestimmte Position vertreten." (s. Post "Pressemarathon")

        Tendenziöse Berichterstattung betreibt ein jeder von uns - unsere eigene Meinung zu unseren Erlebnissen ist doch schon Tendenz - oder?

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





     

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