Montag, 28. November 2016

Lustration



Dieses Fremdwort in der ukrainischen Sprache gefällt mir nicht. Vor allem, wenn es mit einem Bild von der Kalaschnikov im Fernsehen zu sehen ist. Natürlich wäre eine Armbrust stattdessen auch eine Waffe. Weil mir die Idee dahinter aus dem Denken „Kein Mensch – kein Problem!“ der schlimmsten Sowjetgedanken stammt. Oder den Denkmustern von Banditen. Das nicht zu dem „Aufhellen“ mit Lüstern (Kronleuchtern) passt.

In der Berichterstattung ukrainischer Massenmedien treffen sich immer häufiger die Argumente vernünftiger Spezialisten und jene der ungezügelten Straße. Letztere bringt die Kalaschnikov mit in die Diskussion. Hatte auch die – von vorausschauenden Politikastern genutzte – Kraft, das „Kreuzigte ihn!“ in Fällen einzubringen, wo es zweifelhaft war.

Aus der etwas entfernteren Geschichte vieler Länder ist bekannt, dass das Lenken der Geschicke eines Landes Persönlichkeiten erfordert, die auf einigen Spezialgenbieten die erforderlichen Kenntnisse besitzen. Nehmen wir an – ein Wasserwerker, der auch den Bereich Abwasser beherrscht. Ob Kutschma, Justshenko oder Janukowitsch – der Mann mit Spezialkenntnissen dient der Bevölkerung in erster Linie. Er kann, falls auch noch wissenschaftlich tätig, ehrlich zu einigen materiellen Mitteln gekommen sein. Ihn nun zu „lustrieren“, wie einige Neider in Sozialen Netzen fordern, ist idiotisch. Wenn keine Gesetzesverletzungen vorliegen.
Die absoluten Herrscher der mittleren Vergangenheit haben sehr wohl besiegte Könige etc. hinrichten lassen. Aber die „Kader“ aus dem mittleren Bereich haben sie geschont. Weil vor allem das wirtschaftliche Räderwerk des eroberten Staates laufen sollte. Ohne Produktion keine Reichtümer zum Abpressen! Also wurden die mit Situation und Mentalität Vertrauten unter scharfer Kontrolle am Ruder belassen!  
Wenn heute in der Ukraine die Klage nach Fachleuten laut wird, dann wegen der – nicht selten unsinnigen – Lustration.

Das sagt nichts gegen diese. Denn zunehmend kommt bei den politisch durchblickenden Personen aus den Massenmedien die andere Seite zum Tragen. Dass sie die Frage nach jenen stellen, welche gegenwärtig die Aufklärung zu einer Reihe von Untaten der nahen Vergangenheit verschleppen bzw. die Ergebnisse vertuschen oder abschwächen. Aus – möglicherweise berechtigter – Befürchtung, dass noch weitere eigene Verfehlungen aus vorhergehenden Zeiten aktenkundig werden.
Wer die Biographie des gegenwärtigen ukrainischen Präsidenten durchgeht, hat es mit dem zeitweiligen Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates zu tun, dem Notenbankpräsidenten und auch dem Außenminister dieses Landes. Also auch ein hochrangiger Spezialist.
Gegenwärtig kommt von Seiten der damit vertrauten Persönlichkeiten zunehmend kompromittierendes Material aus der jüngsten Vergangenheit ans Tageslicht. Im Gegensatz zu einst auch schon mit Namen und Adressen. Unter anderem auch zum ehemaligen Premierminister Jazenjuk.  Allerdings ist der Filz im Bereich Rechtsprechung noch dick genug, um nicht wenigen der gegen hohe Kaution aus der U-Haft entlassenen Rechtsbrechern den Weg ins Ausland frei zu machen. Es wird für mich deutlich, dass die Bemerkungen einzelner Personen mir gegenüber, dass sich nichts Wesentliches geändert hat seit den „Revolutionen der Würde“, ihre Berechtigung hatten.

Die Fernseh-Vernehmung des ehemaligen Präsidenten Janukovitch in Rostov (Russland) sehen die meisten Leute als Farce. Wer hier im Lande um das nackte Überleben kämpfen muss, hat für das so bezeichnete „Polittheater“ keinen Kopf frei.
Außer den Eltern und anderen Angehörigen der auf dem Maidan getöteten Personen. Die vor dem als Gegenpart ausgewählten Gericht in Kiew dagegen protestierten, dass Herr Janukowitsch nur als Zeuge vernommen wird. Die ihn auf der Anklagebank sehen wollen.

Bleiben Sie recht gesund!  

Ihr

Siegfried Newiger

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