Donnerstag, 21. August 2014

Mein Peter Scholl-Latour

Erst gestern erfuhr ich aus dem sehr einfühlsamen Nachruf von Ullrich Wickert in der FAZ davon, dass der für mich fähigste deutsche Journalist gestorben ist - Peter Scholl-Latour. Wollte ich politkorrekt sein, müsste ich deutsch-französische geschrieben haben. Aber ich kenne eben die gekauften Bücher von ihm nur in meiner Muttersprache. Sein umfangreiches Wissen hat er immer sachlich passend und sprachlich deutlich, erzählerisch meisterhaft verpackt.

Da ist z. B. in seinem "Kampf dem Terror - Kampf dem Islam" (ISBN 3-548-36679-1) auf Seite 10 zu lesen und, wie mir scheint, mit Sicht auf sein Lebenswerk zu zitieren würdig: 
"In dem vorliegenden Buch werde ich - getreu dem von Montaigne entlehnten Grundsatz "je n'enseigne pas, je raconte - ich belehre nicht, ich erzähle" - ausschließlich auf persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zurückgreifen, auf eine Chronistentätigkeit am Ort des Geschehens, die mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt. Daran werde ich kein Wort verändern." 

Was sein Werk mit meinem Blog zu tun hat? Auf Seite 487 des genannten Taschenbuches fand ich einen besonderen Text. Ihn zitiere ich deshalb, weil ich die auf kühler Analyse und tiefgründigem Wissen beruhende Schilderung eines Eindrucks als zutiefst prophetisch ansehe:
"Symbolische Gesten und Riten spielen eine große Rolle in Fernost. Dehalb hat sich mir die Fernsehübertragung einer Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs des sogenannten APEC-Rates ..... im Oktober 2001 eingeprägt. Vor dem Hintergrund der futuristischen Skyline von Shanghai, über der ein grandioses Feuerwerk explodierte, hatten sich alle Großen dieser Weltregion um den "Drachensohn" Jiang Zemin zum Abschlußfoto versammelt. Wie die amerikanischen Präsidenten ihre Staatsgäste mit dem Überstülpen von riesigen Texashüten zu vereinnahmen pflegen - selbst Deng Xiaoping war mit diesem Cowboy-Attribut versehen worden -, so hatte der kleingewachsene Jiang seine pazifisch-asiatischen Partner in reichbestickte himmelblaue Chinesen-Jacken gekleidet und sich allein die rote Farbe der Herrschaft vorbehalten. Sogar George W. Bush und Wladimir Putin machten gute Miene zu dieser Maskerade, zu diesem allegorischen Spiel, das den Untertanen der Volksrepublik wohl als eine neue Form des Kotau, der ergebenen Huldigung vor dem "Himmlischen Thron" erscheinen mochte."

Ein nach meiner Empfindung warmherziger Mensch mit überragenden Fähigkeiten zum Erfassen und Beschreiben dieser widersprüchlichen Welt hat seinen Lebensweg beendet.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






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