Vor rund 20 Jahren nahm ich an, dass das Wort „Klassenjustiz“
wie viele andere aus meinem Wortschatz verschwinden würde. Denn ich war ja
damals in ein freies demokratisches Land gekommen worden. Versuchte man mich
glauben zu machen. Aus der ach so unfreien Deutschen Demokratischen Republik.
Weil ich in den letzten Jahren
zunehmend vor allem aus russischen Massenmedien erfahren habe, was alles an den
Berichten über unmenschliche Behandlung von Dissidenten in der Sowjetunion in
deutschen Veröffentlichungen der Wahrheit entsprach, bin ich noch etwas
dünnhäutiger geworden. Allerdings sind nicht wenige deutsche Berichte – wie auch
diese meine Meinung – subjektiv. Der Menschenrechtsgerichtshof in Strasbourg
hat keinen politischen Grund für die Verurteilung von Herrn Chodorkowski festgestellt.
Das wird – weil nicht ins Meinungsbild passend – als falsche Entscheidung
kritisiert. Folglich müssen – was nicht gesagt wird – in den Augen der
Strasbourger Richter die russischen Beweise für einen richterlichen Entscheid gegen
Chodorkowski stichhaltig gewesen sein. Was das genannte Gericht bemängelte, waren Formfragen - Ch. habe "keinen fairen Prozess" gehabt. War seine Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe gegenüber den anderen Mitgliedern der Gesellschaft, gegenüber seinem Staat fair? Oder etwa das, was ihm als "Auftragsmord" vorgeworfen und in Strasbourg nicht gerügt wurde?
Es gibt im Vaterland Deutschland eine Reihe von
Vorgängen, die ich mit meinen zunehmend kritischen Vorstellungen vergleiche und
die mir Fragen aufdrängen. Das letzte, was mir zu unserem deutschen Vaterland
besonders unangenehm auffiel, kam aus Bayern. Sehen Sie sich die Schande aber
bitte selber aufmerksam an: http://www.youtube.com/watch?v=8z99MO8uv2U .
Das Einschließen eines Menschen
in eine psychiatrische Anstalt, der bei einem deutschen Gericht beweiskräftige Unterlagen für größere
verbotene Finanzmachinationen beigebracht hatte, ist ein Beispiel dafür, dass
Geld auch die deutsche Welt regiert. Denn was das Video berichtet, ist doch
deprimierend.
Außerdem gehört diese Praxis mit
ihren vielen Ungereimtheiten zu den einst an der UdSSR mit Recht heftig
kritisierten. Klassenjustiz eben.
In Russland laufen gegenwärtig
viele Prozesse, die im Lande aufmerksam verfolgt werden und langsam das
Vertrauen in die Rechtsprechung wieder aufbauen. Die Untersuchungen in den
vielen Bestechungs-Skandalen, aber auch jene gegen Machtmissbrauch und anderes
mehr. Dazu gehört das Durchgreifen gegen die aus den ehemaligen
Sowjetrepubliken eingereisten Fremdarbeiter, die nicht selten mit Billigung von
Amtsinhabern unerlaubt über die gestattete Zeit im Lande bleiben. Findige
Unternehmer lassen diese rechtlosen Arbeitskräfte für sich schuften, erwirtschaften
riesige Gewinne, weil die in ihren Heimatländern arbeitslosen Personen unter
entwürdigenden Bedingungen existieren und notgedrungen für „einen Appel und ein
Ei“ arbeiten. Vergleiche mit der Situation in manchen Bereichen in Deutschland
haben da wohl Modell gestanden… Auch das geschickte Umgehen von Steuerauflagen
hat doch in Russland nach Übergang zur Marktwirtschaft begonnen. Der Ring zum
Fall Mollath schließt sich hier für mich…
Sowohl Präsident als auch Premierminister
haben es schwer, ihre Programme durchzusetzen. Denn ich glaube beiden ihre
Bestrebungen, aus Russland ein zunehmend demokratischeres Staatswesen zu
schaffen. Dazu gehört, wie beide nicht müde werden zu betonen, nicht in erster
Linie die Schaffung vieler neuer Gesetze, sondern das Handeln nach den meisten
schon bestehenden. Was die Nachbesserung unzureichender Vorschriften nicht
ausschließt. Daran wird gearbeitet. Wenn aber sich eine Reihe von Personen aus
eigensüchtigen Motiven gegen diese Vorschriften vergehen, dann haben es die
führenden Leute schwer.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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