Wir hatten den zweiten Tag etwas unglücklich
geplant – uns zu viel vorgenommen. Nach dem Besuch von Balaklawa gab es nur
eine kurze Fahrt durch Jalta und danach die Reise nach Sewastopol.
Die Stadt gefiel mir. Sowohl was die Lage, aber
auch die wiederhergestellte Bausubstanz betrifft. Die halbstündige Kutterfahrt
über die Buchten bei gutem Wetter mit einer sehr überlegten Darstellung der
wirtschaftlichen und militärischen Geschichte des Hafens und seiner Erbauer wie
auch Nutzer bot viel Bedenkenswertes. Erneut kam der Krimkrieg von 1853 bis
1856 ins Gespräch.
Er kostete zur Abriegelung der Einfahrt in den
Hafen einen Teil der russischen Schwarzmeerflotte – die Schiffe wurden dort
versenkt. Ihnen zum Gedenken wurde eine Säule mit einem Adler darauf errichtet
– auf Höhe ihrer Versenkung. Wir bekamen sie bei einem ausgedehnten Spaziergang
am gut ausgebauten Ufer erneut zu sehen.
Die britische Leichte Brigade vor Balaklawa verlor
von 463 Kämpfern 110 an Toten und fast vierhundert Pferde, die an dem Krieg
sicher nicht mitschuldig waren. (siehe vorheriger Post) Dann kam von russischer
Seite die Opferung der Schiffe und die fast einjährige Verteidigung von
Sewastopol – die Menschenopfer sind schwer zu erfahren.
Was aber sind das für Zahlen im Vergleich mit jenen
aus dem Zweiten Weltkrieg, in welchem in Sewastopol während 250 Tagen
Belagerung fast kein Stein auf dem anderen blieb?
Dann ergab sich anschließend für mich die Frage aus
dem Besuch der unterirdischen Werft: wer hätte das Recht auf Überdauern in den
Kasematten von Balaklawa vor einem Kernwaffenschlag auf sie bekommen? Von wem
war die Entscheidung über Tod oder späteres Vegetieren in der Atomwüste zu treffen? Wie
verdrängt militärisches Kalkül auf allen Seiten die dringend
überlebenswichtigen Überlegungen: was ist vorrangig zur Stabilisierung von
Frieden in allen Regionen der Erde zu tun? Alle diese Fragen habe ich unseren
Gastgebern nicht gestellt.
Denn wir hatten noch ein Treffen vor uns. Schon in
der Dämmerung fuhren wir nach Simferopol. Dort trafen Anatolij und Natascha, die
beiden Absolventen des Bautechnikums, ihren Studienfreund – nach extrem kurzer
telefonischer Anmeldung. Die Telefonnummer hatte meine Frau mit fast
kriminalistischer Findigkeit herausbekommen. Wie das so häufig mit ähnlichen
Treffen ist – das unvorbereitete Wiedersehen nach 38 Jahren wurde ein voller
Erfolg. Wir fanden ein kleines preiswertes Cafe, in dem wir etwa zu Abend aßen,
wo vor allem aber Erinnerungen ausgetauscht wurden. Nach etwa zwei Stunden
fuhren wir weiter und kamen gegen ein Uhr nachts endlich ins Bett. Mit dem
Plan, am nächsten Tag gut ausgeschlafen den „Löwenpark Taigan“ zu besuchen.
Er ist bei dem Ort Belogorsk zu finden und der
einzige Tierpark in Europa, in welchem auf einem Gelände von 32 Hektar mehr als
50 Löwen leben – vorwiegend im Freigehege. Aber dazu mehr im folgenden Post.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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