Mittwoch, 22. Januar 2014

Schweigen?


          Die Vorgänge in der Ukraine – genauer: in der Hauptstadt Kiew und einigen Gebietshauptstädten möchte ich eigentlich nicht kommentieren. Uneigentlich – ich kann mich nicht daran vorbeimogeln. Dazu veranlassen mich die Fakten, die mir zugänglich werden.
          Wenn mich ein Bekannter in Belaja Zerkov beim Morgenspaziergang mit Hund so begrüßt: „Komme mit in unseren Stab. Da kannst du nachträglich General werden!“ – dann ist das kein gutes Zeichen. Selbst wenn das Angebot als solches ehrenhaft scheint.
         Dem Vorschlag habe ich mich entzogen mit der Bemerkung, ich würde mich als Ausländer im Gegensatz zu Anderen – auch hochgestellten Politikern – nicht in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einmischen. Für politische Unkorrektheiten besitze ich nicht genügend diplomatischen Schutz.
          Dann bekomme ich von einem anderen so beiläufig gesagt, dass jeder Krieg die Nation säubere. Das „reinigende Stahlgewitter“ unseliger deutscher Vergangenheit lebt auf!?... 
            Am Abend des 21. Januar 2014 sah ich einen Teil des Fernsehauftritts von Arsenij Jazenjuk. Einer der Anführer der Protestbewegung der Opposition. Die Formulierungen in seiner Ansprache in Ukrainisch verstehe ich nicht ganz, bin aber zu Familiendisziplin vor der Mattscheibe angehalten. Allerdings habe ich die heimische Sitzung verlassen, als ich folgende Sentenz sinngemäß voll verstand. „Wir haben zwei Handlungsmöglichkeiten. Für eine bleiben uns 24 Stunden Zeit. Dann ist nur noch eine offen. Ich werde nicht mit Schande weiterleben. Dann lieber eine Kugel ehrlich in die Stirn.“ 
            Der für mich große Politiker Vaclav Havel hat einmal in etwa formuliert, dass Politik nicht nur bedeute, das erdenklich Mögliche umzusetzen, sondern auch das scheinbar Unmögliche einer vernünftigen Lösung zuzuführen.
         Mir erscheint der mit einer scheinbaren persönlichen Entscheidung getarnte Aufruf des Arsenij Jazenjuk zur Erduldung von Gewalt bis hin zur Todesfolge, um einen Bürgerkrieg auszulösen, eine „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ – wie ich das einmal gelehrt bekam. Für sich kann er das ja gerne entscheiden  aber anderen zu empfehlen, das Unwiderbringliche zu opfern das LEBEN erscheint mir denn doch als sehr bedenklich.  
            Vor den möglichen Opfern der „Revolution“ habe ich in meinem vergangenen Post gewarnt („Führer gesucht…“). Nun sind auch sie da. Jazenjuk will offensichtlich weitere. Da muss ich erneut auf Vaclav Havel zurückkommen – mit einem belegten Zitat: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Politik kein unredliches Geschäft ist. Und insofern sie es doch ist, wurde sie von Politikern dazu gemacht.“
        Auch habe ich zu der politischen Aktivität der Opposition formuliert, mir scheint, dass für die „Zeit nach der Machtübernahme“ keine deutlichen Konzepte existieren. Letztmalig Havel in diesem Post: „Solange wir um die Freiheit kämpfen mussten, kannten wir unser Ziel. Jetzt haben wir die Freiheit und wissen gar nicht mehr so genau, was wir wollen.“ Bestürzend ehrlich – damals. Die Oppositionäre hier haben – wie mir scheint – noch nicht begriffen, was ich am 18. Dezember 2013 in „Rathenau aktuell?“ schon schrieb und der deutsche Satiriker Dieter Hildebrandt sehr knapp formulierte: „Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.“.
          Denn die ukrainische Wirtschaft ist mehr mit dem nördlichen Nachbarn verzahnt, als vor allem Herr Tjagnibok wahr haben will. Und als Premierminister – was das Schicksal verhüten möge! – anzuerkennen genötigt wäre.
          Bei mir entsteht der Eindruck, dass im Interview mit dem ukrainischen Journalisten Olesj Busina seine Gesprächsbasis passend zu „westeuropäischer Demokratie“ war. Er bezog sich auf die ständigen handgreiflichen Auseinandersetzungen im ukrainischen Parlament und wies darauf hin, dass er in seinen Artikeln und Reportagen immer Formulierungen gebraucht hätte, welche bei aller Kritik nie persönlich verletzend waren. So dass immer die Möglichkeit weiterer fruchtbarer beruflicher Kontakte erhalten blieb.
           Er verwies weiter darauf, dass in keiner der westlichen Demokratien während Protestdemonstrationen durch Besetzung der Arbeitsräume von Behörden die tägliche Funktion des gesellschaftlichen Lebens (Munizipalität) gefährdet wurde. Warum verschlechtern, was so schon nicht ordentlich läuft... Hierher passt eine Formulierung von Robert Quillen: „Diskussion ist ein Austausch von Intelligenz, Streit ein Austausch von Dummheit.‘‘

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






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