Am 03. Februar 2014 musste ich 800 km ostwärts durch die Ukraine reisen – per
Eisenbahn nach Lugansk. Als Dolmetscher für ein mittelständiges deutsches
Unternehmen.
Daheim umsorgte mich wie immer meine Frau. Ob das Handy richtig
eingesteckt ist, das Billet für die Hinfahrt in der Jacke steckt und nicht das
für die Rückreise… „Lasse dich auf keine politischen Diskussionen ein. Du
kennst doch den Witz?“ Ich kannte nicht.
„Wie siehst du denn aus?“ „Politik! Klingelt es an der Tür, ich mache auf. Einige Kerle. „ Für wen bist du – weiß oder
rot?“ „Für die Weißen!“ „Hosen runter!“ Bekam mörderlich Prügel. Nach einer
halben Stunde klingelt es wieder. Erneut einige Kerle. „ Für wen bist du – weiß
oder rot?“ „Für die Roten!“ „Hosen runter!“ Bekam wieder mächtige Prügel. Als es zum dritten Mal
klingelte, ließ ich gleich die Hosen runter. Das war die Nachbarin, zum Tee
trinken.“
Die ukrainischen Fernsehberichte und was in die Welt geht – ein einziger
großer Maidan – und fast nur. Mir gefiel die Meinung eines Schriftstellers: „Wir
sollten erst einmal festhalten, dass
dort auf ihm nicht das gesamte ukrainische Volk versammelt ist.“
Aber wieder
eine Warnung meiner Frau: „In Lugansk sind die Kosaken einmarschiert. Mische
dich nur nirgends ein!“
Meine Gute schickte mich dann, damit ich
rechtzeitig zum Zuge komme, in Erwartung eines Verkehrschaos schon gegen 15.30
Uhr per Kleinbus zum Kiewer Hauptbahnhof. Ganz im Gegenteil – wir kamen zeitig
genug dort an, mit 90 Minuten Reserve. Auf den Straßen ruhig – nix von Maidan. Auf
dem Bahnhof belebt wie immer. Im Zug Leute – keine Diskussion zum von meiner
Holden gefürchteten Thema. In Lugansk keine Reiterhorden, alles normal.
Zurück zur
Überschrift.
Im gestrigen ukrainischen Teil des Internets gab es ein Banner mit
dem Text: „Jazenjuk und Tjagnibok beerdigen Klitschko.“ Weil meine Frau in dem
Moment von mir eine Antwort erwartete, wurde ich abgelenkt. Danach war das
Banner verschwunden. Weil hier nur von einem politischen Vorgang die Rede sein
konnte, fand ich nichts Entsprechendes heute.
Allerdings gab es in den letzten Tagen vier kleine
Szenen in der Berichterstattung, die mir auffielen.
Zuerst die Reaktion auf die
Frage, ob jemand wüsste, wo Jazenjuk sei. Unter Lachen der Umstehenden: „Der
mit der ehrlichen Kugel in der Stirn? Ist heute noch nicht hier gewesen.“
Sinngemäß: traut sich wohl doch nicht in die vorderste Front.
Als zweites die deutliche Weigerung von sogenannten „Aktivisten“,
der Aufforderung von Vitalij Klitschko nachzukommen, ein besetztes Gebäude zu
räumen. Man wendete sich einfach ab. Sinngemäß: wer bist du denn? Er sah nicht
wie ein Sieger aus.
Dann ein Auftritt von Herrn Tjagnibok in der Westukraine,
noch vor dem Maidan: „…unsere Erde schützen vor Moskowitern, Juden und anderem
Dreckzeug!“ Das ukrainische „neschistj“ lässt sich anders als dem letzten Wort
im vorigen Satz nicht übersetzen. Diese Art zu sprechen ist in Deutschland von
1933 bis 1945 üblich gewesen. Wehret den Anfängen!
Zuletzt: ein römisch-katholischer
Priester hat in der Westukraine fast die gleichen Worte wie Tjagnibok gebraucht, wurde anschließend von seinen
Oberen rasch in ein Kloster gesandt – zum „Nachdenken“.
Nur ist Herr Tjagnibok
in bester Gesellschaft. Der Oberkommandierende des „Wehrschutzbundes namens
Bandera „Dreizack““, welcher als eine Art „grauer Kardinal“ diese
paramilitärischen Formationen lenkt, hat Ziele, welchen die „Lugansker Kosaken“
nicht gutheißen.
Bleiben Sie am Ball und recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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