Montag, 31. Oktober 2016

Polit-Striptease



Nun ist der Endspurt zum „ukrainischen Einkommensstriptease“ fast gelaufen. Die mir aus anderen Ländern nicht bekannte Weise einer „öffentlichen elektronische Offenlegung“ von Einkünften und Besitz des Deklarierenden (vorwiegend höchste Vertreter von Staatsmacht und alle Parlamentsabgeordnete) bringen eine Menge bösen Bluts hervor. Der Speaker der Werchowna Rada hat inzwischen für die vorige Woche erst beschlossene Diätenerhöhung eine neue Debatte angekündigt – Ziel: diese zurückzunehmen. Denn die Ukrainer machen schon Witze darüber.
Erinnert an eine alte Geschichte. Der König sandte seine Steuereinnehmer jedes Mal aus mit der Weisung, den Untertanen noch mehr abzupressen. Nach Rückkehr fragte er: „Was tut das Volk?“ Bekam regelmäßig die Auskunft: „Es weint.“ Also verlangte er noch höhere Abgaben. Bis eines Tages ein Steuereinnehmer sagte: „Man lacht!“ Der König antwortete: „Mehr Steuern werden nicht erhoben!“…
In den Wochenendsendungen des ukrainischen Fernsehens haben auf unterschiedlichen Kanälen gleich zwei Abgeordnete der Werchowna Rada zum Thema „Gastarife“ und die mit denen eng verbundene, neu festgelegte und viel höhere Heizungskosten gesprochen. Unterschiedlich waren ihre Aussagen nur im Umfang der Eigenförderung im Land. Aber zwei Milliarden Kubikmeter spielen wohl nicht die Rolle…
Hier beziehe ich mich auf die Analyse des Abgeordneten Murawjow, der von  den höheren 17 Milliarden Kubikmetern Eigenförderung ausging. Er sprach von einem Gesetzentwurf, den er und Gleichgesinnte eingebracht haben, dass diese Gasmenge vorwiegend für den Verbrauch der Bevölkerung einzusetzen sei. Wenn davon die hohen Gewinne der in den Prozess der Verurteilung eingebundenen ukrainischen Oligarchen auf eine vertretbare Gewinnspanne eingekürzt werden, kann der Gastarif auf etwa die Hälfte festgelegt werden. Folglich sinken die veranschlagten Heizkosten ebenfalls  Die von der Bevölkerung nicht verbrauchten Gasmengen können der Industrie zu Verfügung gestellt werden und was darüber hinaus gebraucht wird, lässt sich wie gegenwärtig schon über die europäischen Staaten liefern, welche heute schon das ihnen aus Russland zuströmende Gas teilweise abgeben. Alle diese Überlegungen lassen sich realisieren, weil ukrainische Erdgasförderung und Verteilung zum größten Teil noch in staatlicher wirtschaftlicher Verfügungshoheit sind.
In einer anderen Sendung war die Rede davon, dass sich in den 25 Jahren Unabhängigkeit kein Politiker echt um die Fragen der Energieeinsparung gekümmert habe. Damit verbunden um durchgängig angewendete Technologien der energoeffektiven Bauten, der nachträglichen Thermoisolation an Gebäuden. Diese Fragen werden sehr umfangreich und verständlich erst jetzt öffentlich diskutiert. Erstaunlich eindeutige Berechnungen zu den Kosten, die im Haushalt durch Energiesparsamkeit, vernünftiges Lüften und anderes mehr eingespart werden können.
Der Abgeordnete Vadim Rabinovitch erklärte, dass er sein Haus im Zentrum Kiews bereits 1993 gekauft habe, 161 Quadratmeter Wohnfläche. Weil er schon zu dieser Zeit ordentlich verdient habe. Er wies auf die Tatsache hin, dass ein großer Teil derjenigen, welche nun ihre finanziellen und anderen Vermögenswerte offenlegen müssen, in der Vergangenheit nicht wie er diese Erklärungen regelmäßig und ehrlich bei den Steuerbehörden abgegeben haben. Sie waren häufig auch nicht erfolgreich geschäftlich tätig wie er. Sondern Beamte aller Art. Staatsanwälte, Richter…
Das Volk glaube ihnen nun angesichts der immensen von ihnen deklarierten Werten ihre angebliche Redlichkeit nicht. Ungeachtet dessen rufe er die Stimmberechtigten dennoch auf, zu den anstehenden Wahlen zu gehen. Er bitte nur darum, nach ihrem Gewissen abzustimmen. Nicht nach den Bitten jener, die eine einzelne Stimme mit einigen Kilogramm Buchweizen kaufen wollen. Sie sollen den Buchweizen nehmen – aber nach Gewissen abstimmen. Recht schlitzohrig…

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

P. S.
Vadim Rabinovitch hat noch eine Bemerkung gemacht, die ich unbedingt nachreichen muss. Die soziale Politik der letzten Jahre habe unter anderem die gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung ständig verschlechtert. Vor allem der medizinische Nachwuchs verlässt in beunruhigenden Anzahlen das Land. Er rief dazu auf, hier zu bleiben und durch Entmachtung der existierenden  Strukturen das Land aus der Krise zu bringen. Er hoffe auf die nächsten Wahlen - nach Gewissen.

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