Dienstag, 25. Oktober 2016

Andererseits...



In der Facebook-Gruppe „Deutsche in der Ukraine“ hat Andreas Brandes soeben seinen 15-ten Beitrag zu positiven Erscheinungen in der Ukraine gepostet. Mir gefällt dieses Engagement. Mir fällt dabei J. W, von Goethe ein: „Wahrheitsliebe zeigt sich darin, dass man überall das Gute zu finden und zu schätzen weiß.“ Es ist bei der Suche für Andras sicher eine Fleißarbeit. Wer meinen Blog liest, kennt mein Verhältnis zu den vernünftigen Menschen hier. Deshalb habe ich mich in dem auf einige Dinge spezialisiert, die ich meine zu kommentieren das Recht und auch die Pflicht zu haben.
In meinem Post http://mein-ostblock.blogspot.com/2016/10/zivilist.html habe ich schon am 12. Oktober 2016 vorausgesagt, dass die Warmwasserausbrüche im ganzen Land vor der Tür stehen. Zu  Mittag des 14. Oktober lief durch unsere leicht schräg zum Fluss Ros geneigte Straße ein eindeutig aufgeheiztes, weil sichtbar dampfendes, starkes Rinnsal Wasser. Ich habe es nicht zur Quelle verfolgt – erst Stunden später und tausende Liter mehr wurde das Leck abgestellt. Wer den Link nicht nutzen kann: überall in der Welt ist die Alterung der Rohrleitungen ein technogenes Problem.
Mit der Heizperiode kommt die nächste Prüfung auf die ukrainische Gesellschaft zu. Die extrem gestiegenen Tarife für Dienstleistungen wie z. B. Heizung. Der große Trick des Premierministers, die Zahlung für Bedürftige ein Jahr lang zinslos in „vertretbaren Raten“ zu gestatten, ist in Wirklichkeit mies. Zieht die Verschuldung der Bevölkerung nur in die Länge.

Ein Abgeordneter der Werchowna Rada hat in einer der letzten Sitzungen einen mich verblüffenden Vergleich angestellt. Im „Warenkorb“ für die Bestimmung der finanziellen Mittel des Existenzminimums in der Ukraine ist an Lebensmitteln zwischen 40 und 50 % der Mengen festgelegt, welche in der Sowjetunion als Norm für deutsche Kriegsgefangene im Jahre 1942 gültig waren. Die Information kann ich nicht kontrollieren. Aber allein die Tatsache, dass sie im Parlament auftaucht, ist doch beunruhigend. 
Denn dass aus den größeren Mitteln des Budgets (siehe Andreas Brandes) unter anderem gegenwärtig an rund sieben Millionen Haushalte Subsidien ausgereicht werden, ist zu bedenken. Weil nach Prognosen in 2017 es rund neun Millionen Haushalte sein werden. Nehmen wir drei Personen je Haushalt, dann lebt heute schon fast die Hälfte der Ukrainer mit staatlicher „Stütze“ gerade so, mehr schlecht als recht. Da ich häufig auf dem Basar bin, kann ich die schleichende Kaufkraftminderung aktuell verfolgen. Und den Stimmungsverfall bei Käufern und Verkäufern… Welche es zu fühlen bekommen, dass die gegenwärtige Staatsmacht eine unzureichend soziale Innenpolitik betreibt.
Das alles auch angesichts der Tatsache, dass sich die Abgeordneten (Volksvertreter!) soeben eine saftige Erhöhung ihrer Diäten bewilligt haben. Der genannte Grund: um der Korruption eine ihrer Voraussetzungen zu entziehen.

Der gegenwärtige Trubel um die Präsidentin der ukrainischen Nationalbank, Frau Gontarewa, ist ein weiteres innenpolitisches Element mit Sprengkraft. Wenn es stimmt, was ein Redner in einer Sendung behauptete, dass noch vor der durch sie betriebenen Liquidierung von mehr als 50 nicht den Finanzrichtlinien entsprechenden Banken durch diese etwa 830 Millionen US-$ außer Landes transferiert wurden, ist das unverantwortlich dann, wenn eine genauere Kontrolle dies hätte verhindern können. Diese Summe ist ja im Verhältnis zu den Kredittranchen des IWF recht bedeutend.
Schließlich etwas, was mich persönlich anrührte. Zur Visafreiheit mit Westeuropa sagte in einer Sendung von „Kanal 112“ ein Politologe sinngemäß: „Diese Freiheit ist eine politische Fiktion. Die Mohrrübe vor der Nase des Esels. (Steht wörtlich so in einem Post von mir.) Von den Ukrainern, die weniger Arbeitsplätze zu besetzen haben, welche sinkende Einkünfte bei steigenden Preisen und Tarifen verkraften sollen, werden nach Umfragen nur 4 (vier) Prozent diese Visafreiheit in Anspruch nehmen. Eine durchgreifende Erhöhung der Wirtschaftsleistung und damit verbunden eine Verbesserung des Lebensniveaus für die Bevölkerung ist dieses System schuldig geblieben.“

Leider nichts zu ergänzen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger

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