Es sagte einst Lord
Byron: „Eine Träne zu trocknen ist ehrenvoller als Ströme von Blut zu
vergießen.“ Was hat dieser wahre Satz mit der heutigen Ukraine zu tun?
Der Präsident
dieses Landes, Petro Poroshenko, hat anlässlich einer Arbeitsreise in die
Westukraine dort – vom Fernsehen ausgestrahlt – sinngemäß Folgendes gesagt: „Wir
können aktuell eine großflächige Annexion durch Russland nicht ausschließen. In
einem solchen Fall werden wir den Kriegszustand ausrufen und die volle
Mobilmachung verkünden müssen.“ Damit werden meine Bemerkungen zur
militärischen Lage in meinem Post „Krieg?“ vom 16.08.2016 natürlich sachlich
entkräftet – wenn das eintritt, wovon der Oberbefehlshaber der ukrainischen
Streitkräfte spricht.
Für die Bürger beider Staaten hoffe ich verstärkt auf das
Gegenteil. Denn ich habe ausreichend Fantasie, mir die Ströme von Blut auf
beiden Seiten und die Meere an Tränen auszumalen. Vor meinen inneren Augen sehe
ich die Vorgänge von April-Mai 1945 wieder ablaufen.
Sie haben mit dazu
geführt, dass ich mit meiner Berufswahl als Offizier der Nationalen Volksarmee
der DDR habe den Frieden schützen wollen. Es hat sehr lange gedauert, dass bei
mir innerlich der Glaube an den ehrenhaften Friedensdienst eines jeden Militärs
erloschen ist. Denn die Aufgabe jedes Soldaten – und Partisanen, Freischärler
oder wie auch immer bezeichnet – ist es, „…materielle Mittel und lebende Kraft
des Gegners außer Gefecht zu setzen…“. Bis zur physischen Vernichtung. Der
schon vor deutschen Gerichten behandelte Satz von Kurt Tucholsky „Soldaten sind
Mörder!“ ist im Lichte dieser obigen Aufgabenstellung für Angreifer wie auch
für Verteidiger beliebiger Armeen sachlich relevant.
Wie sagte der französische
Dichter Voltaire so passend: „Zwanzig Jahre braucht der Mensch, um es aus dem
Wesen, das er im Mutterleib war, zum rein animalischen Zustand der Jugend und
zur beginnenden Entfaltung seines Verstandes zu bringen. Jahrhunderte bedurfte
es, bis er seinen Körperbau nur annähernd kennenlernte. Die Ewigkeit müsste man
haben, um etwas von seiner Seele zu wissen. Aber…, ein Augenblick genügt, um
ihn zu töten.“
Der allergrößte Teil der DDR-Armeeangehörigen hat die ihm
anerzogenen Fähigkeiten und Fertigkeiten glücklicher Weise nie einsetzen
müssen. Darunter auch ich.
Den ukrainischen Soldaten und Offizieren, welche
sich auf die Militärparade am 24. August in Kiew vorbereiten, wird vielleicht
das Schicksal nicht so gnädig sein. Nur wird Pflichterfüllung gewiss vor humanitären
Vorstellungen gehen. Selbst, wenn die bei einzelnen vorhanden sind.
Mir wurde
von Ukrainern wegen der prekären ökonomischen Situation schon die Frage
gestellt, ob ich die Parade für sinnvoll ansehe. Die Frage habe ich sie selbst
beantworten lassen. Denn auch ohne Krieg gibt es im Lande ausreichend Leid. Die
Ausgaben für die militärische Demonstration hätten für Unterstützung
Bedürftiger besser angewendet werden können.
Eine gute Bekannte hat in den
letzten Jahren durch Krankheiten und Unfälle den Ehemann verloren, beide Söhne,
die Tochter und den Lebenspartner. Ist mit 60 Jahren jetzt für den vierjährigen
Enkel die einzige Stütze. Ihre winzige Rente und das klägliche Kindergeld
reichen mit Mühe für Überleben. Wir haben vor kurzem finanziell ein wenig zu
ihrem Lebensunterhalt beigesteuert. Als ich das meinem langjährigen Freund
beiläufig berichtete, kam von ihm eine großzügige Spende.
Seine Begründung: ihm
hätten 1945 sowjetische Soldaten das Leben gerettet. Medikamente gegen seine
toxische Angina besorgt und eine Tafel Schokolade geschenkt. Er wolle dem
Vierjährigen helfen. Vor 70 Jahren der Beweis, dass trotz ihrer mörderischen
Pflicht in Soldaten humanistische Vorstellungen lebendig sein können. Wir trocknen
Tränen…
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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