Dienstag, 10. Februar 2015

Nach eigenen Auffassungen...

Die gemeinsame Geschichte der Ukrainer und Russen lässt sich mit der hier in der Ukraine juristisch offiziell erlaubten Vernichtung von Denkmalen aus der Sowjetzeit nicht einfach liquidieren. Denn sie reicht länger zurück als die 70 Jahre Sowjetunion. Es ist dabei unerheblich, welcher Teil von wem als für die Ukraine schändlich angesehen wird. 
Denn hier lebt man immer noch nach dem alten Spruch: "Russland ist groß und der Zar ist weit." Wer nicht besonders gesetzestreu war, konnte sich zur Zarenzeit in den riesigen Weiten damals ohne besondere Anstrengung verstecken. Auch der, welcher von anderen unbelästigt leben wollte - eben nach seiner Fasson. 

Daher stammt - nach Information der Einheimischen - die heute anzutreffende Manier, nicht nach der offiziellen Auslegung von Gesetzestexten, sondern nach "eigenen Auffassungen" von jenen Vorschriften (po ponjatijam) zu leben. Ausgeprägt ist das vor allem in Kreisen der Gesetzesbrecher. Sie haben in den Strafanstalten und auch außerhalb ihre eigenen Gesetze und Machtstrukturen. 
Das ist aber in anderen Staaten ebenso. Wo der ständige Kampf um das "Sagen" (und Handeln!) selten zu Gunsten staatlicher Ordnungskräfte entschieden wird. Denn bekanntlich sind alle jene viel kreativer, welche Vorschriften umgehen wollen oder müssen. Sind den  Gesetzeshütern immer einen Schritt voraus. 

Aber das für mich Unangenehme hier im Lande ist die auf dieser Basis (ich bestimme, was Recht ist!) häufig fehlende Disziplin. Sie führt beispielsweise dazu, dass die Straßenverkehrsordnung nur lässig befolgt wird. Ergebnis: je 100.000 Verkehrsteilnehmer ist die Zahl der Verkehrstoten etwa das Dreifache der in Deutschland erfassten Angaben.
Im Freundeskreis wurden, weil der Fahrer sein Handy nutzen wollte und abgelenkt war, heute er und seine junge Frau beerdigt, ihre Mutter und das zweijährige Kind sind nun Invaliden. 
Auf einem kleinen Bahnhof wurden zwei Frauen vom Zug erfasst - mit Todesfolge. Die verbotene Abkürzung hätte Zeit gespart. So kostete sie Leben und Leid.
Am Straßenübergang zum so genannten "geschlossenen Markt" (eine Markthalle nach deutschem Begriff) macht die Polizei regelmäßig Kontrollen. Dort sitzen alle jene armen Händler, welche die Standmieten nicht aufbringen können oder wollen. Ihre Markttische bestehen aus übereinander gestapelten oder nur umgedreht auf die Erde gelegten Obst- oder Gemüsestiegen. Abends werden die im Gebüsch am Straßenrand abgelegt. Diesen offiziell verbotenen Marktplatz benutzen zunehmend Leute - bis zur nächsten Kontrolle. Nach welcher das Spiel erneut beginnt.

Nach offizieller Statistik sitzen in den USA, bezogen auf je 100.000 Einwohner, die weltweit meisten Personen hinter Gittern. Deshalb ist für mich selten nachvollziehbar, wenn das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" von seinen Verehrern ständig nur von der Sonnenseite betrachtet wird. Den Ukrainer sogar die Überlegung vorgeführt wird, die in den USA recht großzügig gehandhabten Vorschriften für Waffenbesitz hier in einer eigenen Variante einzuführen. Da ich die oft extrem heftigen Auseinandersetzungen (auch im Parlament) hier fast hautnah miterlebe, könnte das Gesetz in seiner individuellen Anwendung die Anzahl der Toten und Einsitzenden drastisch erhöhen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger 




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