Die ersten Tage der Teilmobilmachung in der Ukraine sind vorbei. Von außen
betrachtet geht das Leben seinen geregelten Gang. Auch, wenn in den vergangenen
Tagen gewisse Angstkäufe nicht zu übersehen waren.
Für den deutschen Leser
besteht die Möglichkeit, sich umfangreich aus der Vielfalt journalistischer
Meinungen zu bedienen. Hier möchte ich nur einiges als jemand sagen, der „in diesem
Volk“ lebt – und etwas empfehlen. Dazu später.
Wer ein wenig interessiert nicht
nur die Reportagen vom Maidan verfolgt hat, konnte möglicherweise etwas von
offiziellen Einschätzungen vor dem ukrainischen Parlament erfahren, in welchem heruntergekommenen
Zustand sich die ukrainische Wirtschaft und auch die hiesige Armee befinden.
Die
wirtschaftliche Entwicklung können Frau und Mann von der Straße kaum
beeinflussen. Um die Lage der Mobilisierten und der bewaffneten Kräfte insgesamt
eine Kleinigkeit zu verbessern, gab es eine gesellschaftliche Initiative. Jeder
Handybesitzer konnte eine SMS zur Adresse 565 senden. Der entsprechende
Provider überwies danach laut Auftrag 5 Hrywna (gegenwärtig etwa Euro-35 Cent) auf ein
Sammelkonto. Am folgenden Tag nach dem Aufruf waren bereits 2,5 Millionen Hrywna zusammengekommen (ca. 175.000 €).
Dazu
werden von der Bevölkerung an den unterschiedlichsten Standorten zu den
Kasernen Hilfsgüter gebracht. Z. B. bekam ein Spezial-Nachrichtentruppenteil
Akkumulatoren für seine Kraftfahrzeuge. Der Offizier, den die Reporterin
befragte, formulierte: „Das ist für uns besonders wichtig, auch, was für
unseren goldenen Reparaturfonds gespendet wurde.“
Auf dem Morgenspaziergang
traf mich ein Bekannter. Auf die Frage, ob er als ziviler technischer
Mitarbeiter einer militärischen Einrichtung von der Nachtschicht käme, antwortete
er, man habe ihn abgestellt. Schon seit Tagen arbeite er in einem
Materiallager, aus dem Feldbetten für die Einberufenen in alle Gebiete verladen
würden. Das schon vor 40 Jahren eingelagerte Material wäre kaum auseinander zu
bekommen.
Schlimmer jedoch wäre, was an dem Sammelort in der Stadt geschieht. Die
rund 2000 Männer müssten ja alle zumindest grob untersucht werden. Schon unter
den jungen Burschen zwischen 18 und 25 Jahren gäbe es viele Untaugliche –
Verfettung mit begleitenden zivilisatorischen Beschwerden. Der Anteil sei bei
den bis 40-jährigen noch höher. Die anderen hielten nicht viel von Disziplin,
die Kommandoverteilung sei ungenau, die Anrufe der Frauen: „Komm heim, du
verlierst deine Arbeit!“ verschlimmerten die Situation.
Auch die abgegebenen Zusicherungen
erster Banken, für Kreditnehmer einen „Zahlungsurlaub“ zu garantieren, stoßen
auf Misstrauen. Nicht wenige Männer flüchten in eine bekannte Haltung – sie trinken.
Diese Versorgung wird listenreich gesichert. Was offiziell zur militärischen
Situation über die weit höheren Kommandostrukturen des ukrainischen
Verteidigungsministeriums herüberkommt, ist beruhigend gedacht, wird aber durch
die Mimik und Gestik der Auftretenden widerlegt.
Ehrenhaft war die Haltung
junger ukrainischer Offiziersschüler der Marinehochschule in Sewastopol. Der
junge Mann, welcher die ukrainische Fahne einzuholen veranlasst war, weinte. Als
die russische Hymne gespielt wurde, sang der angetretene Block junger
ukrainischer Männer laut, unüberhörbar die ukrainische Nationalhymne. So leisteten
sie ihren gewaltfreien, aber „Mannesmut vor Fürstenthronen“ erfordernden Widerstand.
Wer auf die versprochene Empfehlung wartet: es gibt den – in meinen Augen –
ausgezeichneten Blog NachDenkSeiten.de Ihn noch bekannter zu machen, lohnt
sich. Vor allem auch im Zusammenhang mit selten bekannten Hintergrundinformationen zum
Euro-Maidan in Kiew.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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