Sonntag, 23. März 2014

Ukraine aktuell


          Die ersten Tage der Teilmobilmachung in der Ukraine sind vorbei. Von außen betrachtet geht das Leben seinen geregelten Gang. Auch, wenn in den vergangenen Tagen gewisse Angstkäufe nicht zu übersehen waren. 
         Für den deutschen Leser besteht die Möglichkeit, sich umfangreich aus der Vielfalt journalistischer Meinungen zu bedienen. Hier möchte ich nur einiges als jemand sagen, der „in diesem Volk“ lebt – und etwas empfehlen. Dazu später.
         Wer ein wenig interessiert nicht nur die Reportagen vom Maidan verfolgt hat, konnte möglicherweise etwas von offiziellen Einschätzungen vor dem ukrainischen Parlament erfahren, in welchem heruntergekommenen Zustand sich die ukrainische Wirtschaft und auch die hiesige Armee befinden.
         Die wirtschaftliche Entwicklung können Frau und Mann von der Straße kaum beeinflussen. Um die Lage der Mobilisierten und der bewaffneten Kräfte insgesamt eine Kleinigkeit zu verbessern, gab es eine gesellschaftliche Initiative. Jeder Handybesitzer konnte eine SMS zur Adresse 565 senden. Der entsprechende Provider überwies danach laut Auftrag 5 Hrywna (gegenwärtig etwa Euro-35 Cent) auf ein Sammelkonto. Am folgenden Tag nach dem Aufruf waren bereits 2,5 Millionen  Hrywna zusammengekommen (ca. 175.000 €).
    Dazu werden von der Bevölkerung an den unterschiedlichsten Standorten zu den Kasernen Hilfsgüter gebracht. Z. B. bekam ein Spezial-Nachrichtentruppenteil Akkumulatoren für seine Kraftfahrzeuge. Der Offizier, den die Reporterin befragte, formulierte: „Das ist für uns besonders wichtig, auch, was für unseren goldenen Reparaturfonds gespendet wurde.“
         Auf dem Morgenspaziergang traf mich ein Bekannter. Auf die Frage, ob er als ziviler technischer Mitarbeiter einer militärischen Einrichtung von der Nachtschicht käme, antwortete er, man habe ihn abgestellt. Schon seit Tagen arbeite er in einem Materiallager, aus dem Feldbetten für die Einberufenen in alle Gebiete verladen würden. Das schon vor 40 Jahren eingelagerte Material wäre kaum auseinander zu bekommen.
         Schlimmer jedoch wäre, was an dem Sammelort in der Stadt geschieht. Die rund 2000 Männer müssten ja alle zumindest grob untersucht werden. Schon unter den jungen Burschen zwischen 18 und 25 Jahren gäbe es viele Untaugliche – Verfettung mit begleitenden zivilisatorischen Beschwerden. Der Anteil sei bei den bis 40-jährigen noch höher. Die anderen hielten nicht viel von Disziplin, die Kommandoverteilung sei ungenau, die Anrufe der Frauen: „Komm heim, du verlierst deine Arbeit!“ verschlimmerten die Situation.
         Auch die abgegebenen Zusicherungen erster Banken, für Kreditnehmer einen „Zahlungsurlaub“ zu garantieren, stoßen auf Misstrauen. Nicht wenige Männer flüchten in eine bekannte Haltung – sie trinken. Diese Versorgung wird listenreich gesichert. Was offiziell zur militärischen Situation über die weit höheren Kommandostrukturen des ukrainischen Verteidigungsministeriums herüberkommt, ist beruhigend gedacht, wird aber durch die Mimik und Gestik der Auftretenden widerlegt.
       Ehrenhaft war die Haltung junger ukrainischer Offiziersschüler der Marinehochschule in Sewastopol. Der junge Mann, welcher die ukrainische Fahne einzuholen veranlasst war, weinte. Als die russische Hymne gespielt wurde, sang der angetretene Block junger ukrainischer Männer laut, unüberhörbar die ukrainische Nationalhymne. So leisteten sie ihren gewaltfreien, aber „Mannesmut vor Fürstenthronen“ erfordernden Widerstand.

        Wer auf die versprochene Empfehlung wartet: es gibt den – in meinen Augen – ausgezeichneten Blog NachDenkSeiten.de Ihn noch bekannter zu machen, lohnt sich. Vor allem auch im Zusammenhang mit selten bekannten Hintergrundinformationen zum Euro-Maidan in Kiew.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger






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