Samstag, 22. März 2014

Ukraine zu sich selbst


           Dieser Post ist eine reine, leicht gekürzte Übersetzung aus dem Russischen. Da vom Autor ins Internet gestellt, sollte kein Verbot zur Verbreitung in einer anderen Sprache bestehen. Da trotz des Euro-Maidans im Abgeordnetenhaus keine Veränderungen erfolgten – bis auf Massenaustritte aus der ehemals bestimmenden „Partei der Regionen“ – sind die Konstellationen geblieben.
       Die von K. Marx schon geäußerten Ideen zur Kapitalflucht sind bekannt.

Quelle: RIA Nowosti, Ukraine
Verfasser: Politologe Jurij Gorodnenko

Oligarchen
      Unter den Abgeordneten der gegenwärtigen Werchownaja Rada (ukrainisches Parlament) gibt es zurzeit folgende Gruppierungen: die „Leute der Familie“ (ehem. Präsident Janukowitsch 49 Personen), die Gruppen der Oligarchen Rinat Achmetow (40 Leute) Dimitrij Firtasch (28 Abgeordnete – er selbst gegenwärtig in Österreich verhaftet auf Ersuchen von USA-Untersuchungsbehörden), Andrej Klujew (18 Leute), Sergej Tigipko (5 Personen), Igor Kolomoiskij (6 Volksvertreter), ebenfalls 6 davon für Viktor Pintshuk, Petro Poroshenko (5 Personen) und so weiter.
Um die erforderlichen Entscheidungen durchzubringen, „werben“ der eine und der andere Oligarch zusätzlich Abgeordnete aus anderen Fraktionen an (darunter auch aus der ukrainischen Kommunistischen Partei). Die Gefahr dieses Systems besteht darin, dass die Käufer selbst leicht von anderen Ländern aufgekauft werden können. Das macht der Westen heute eben auch.

Liberale Wirtschaft
        Der Anteil des staatlichen Sektors an der ukrainischen Wirtschaft - 9,5 %. Zum Vergleich: in den letzten Jahrzehnten schwankt dieser in Frankreich im Bereich  17-30 %. Alle Schlüsselindustriezweige sind in der Ukraine bereits privatisiert (Energetik, Rohstoffförderung, Produktion metallischer und chemischer Ausgangsstoffe). … Die Einkünfte aus diesem staatlichen Sektor betragen in der Ukraine 45 % (in Europa unter 40 %). Es kommt dabei also heraus, dass noch vorhandene ukrainische staatliche Unternehmen dem Staat mehr Profit sichern als in Europa. Entgegen jeder Logik überzeugt uns der Internationale Währungsfond vom Gegenteil: der staatliche Sektor der Ukraine ist uneffektiv, er sollte privatisiert werden.
         Eigenartiger Weise stimmen hier die Interessen des Westens überein mit denen der von ihm kontrollierten Clans von Oligarchen, welche die Ukraine gegenwärtig lenken. Wo ist der Grund für solche Seelenverwandtschaft? Die Sache ist die, dass praktisch alle von den Oligarchen privatisierten großen Betriebe nach  Schattenschemata arbeiten, welche die Verbringung finanzieller Mittel über Offshore-Länder voraussetzen. Die offshore-Zonen sind aber nichts anderes als Transitterritorien für die weitere Bewegung dieser Finanzströme. Endstation sind westliche Banken, auf deren Konten die Gelder sich auch absetzen. Wenn man berücksichtigt, dass alle diese Mittel aus „Schattenquellen“ stammen (Steuerhinterziehung) – könnten ausländische Kontrollorgane ohne Schwierigkeiten ihnen gegenüber Sanktionen verhängen entsprechend dem Paragraphen „Geldwäsche“.

          Jedoch bewegt sich Kapital immer dorthin, wo es Nutzen bringt (dem Besitzer – d. Ü.), aber nicht dorthin, wo es gebraucht wird (Realisierung strategischer Projekte, Schaffung von Großbetrieben… u. a.). Deshalb ist ein beliebiger Oligarch seiner Natur nach unpatriotisch. Die Mobilität von Privateigentum ist für die Wirtschaft nützlich, jedoch ist dessen Prinzipienlosigkeit – eine Bedrohung der nationalen Sicherheit des Staates. Hier die goldene Mitte zu finden ist schwierig, erfordert einfühlsame und überlegte Politik der Zentralgewalt.

Was wird weiter?
         Wie sichtbar, ist das der Regierung Nikolai Asarows nicht gelungen, aus von ihr nicht immer abhängigen Gründen. Nun ist es eindeutig, als hauptsächliche Lehre der ukrainischen Krise, vor allem für Russland: die Oligarchen können leicht die aktiven Teilnehmer an der Zerstörung eines ganzen Landes werden im Interesse ihres eigenen Kapitals. Außerdem wäre auf die Frage zu antworten: weshalb wurde, anstatt bei den vorhandenen Möglichkeiten, nur den in seinen Überlegungen recht unabhängigen Asarow von der politischen Bühne zu entfernen, von Washington speziell die Verschärfung gesucht und der Umsturz mit solchem Lärm durchgeführt?
         Aller Wahrscheinlichkeit nach geschah das als Hinweis für andere: sieh her, wie es jenen ergeht, welche so „frech“ sind, eine eigene Meinung zu haben! Gleichzeitig eine Warnung an Russland: „Steck deine Nase nicht in fremde Dinge!“
       Am Beispiel der Ukraine sollte sich Moskau nochmals davon überzeugen – in den nächsten kommenden Jahren wird das Weiße Haus keinerlei Gleichberechtigung dulden. Das heißt, sich auf neue Heimsuchungen vorzubereiten.
       Schließlich drängt sich zum Vergleich für die Ukraine eine Parallele zum Februar 1917 auf. Damals nutzten  die Beamtenschaft, die Industriellen und der Westen (in Person der englischen und französischen Botschafter) ebenfalls die Welle des Unwillens der Bevölkerung, den willenslosen Zaren zu stürzen. Und die Wirtschaft des russischen Imperiums war ebenso liberal wie gegenwärtig die in der Ukraine. Jedoch nun, will man der Analogie folgen, werden in Meshigorie (Palast Janukowitschs – d. Ü.) bald die eigenen Gutschkows und Schulgins erscheinen mit dem Manifest über die Abdankung.

         Wie jedoch die Ereignisse von Oktober 1917 zeigten, kann der einmal in Gang gesetzte Mechanismus zum Umsturz den Autoren einen üblen Streich spielen. Dann kommt an Stelle einer schwachen Macht eine neue, radikale Kraft. 

          In diesem Kontext wurde besonders beachtenswert das Auftreten der Führer des „Rechten Sektors“ vor den Fernsehkameras am 28. Januar 2014, welche durch Dmitrij Jarosch ihre eigenen Forderungen an die Staatsmacht kundtaten. Auf diese Weise proklamierten die Radikalen sich selbst zu einer politischen Kraft, unabhängig von Tjagnibok, Klitschko, Jazenjuk. Interessant ist, dass die von ihnen formulierten Thesen eindeutig und klar ausgeprägten sozialen Charakter tragen: Kampf mit der korrumpierten Macht, der Armut, das Prinzip Solidarität („unsere Brüder“) mit allen ukrainischen Patrioten (unabhängig von ethnischer Herkunft), Unversöhnlichkeit mit Feinden.

          Besonders diese unerwartete Genauigkeit, die Klarheit und die Konkretheit ihrer „Aprilthesen“ (oder „25 Punkte“) bringt auf den Gedanken, dass der Mechanismus eines neuen Umsturzes schon ausgelöst wurde.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger











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