Montag, 10. September 2012

Entsetzen ...

        Wenn wir eine besonders positive Auffassung von etwas oder jemandem haben, sind wir selten besonders kritisch. Oder einfach naiv. Kommt ein wenig auf die Persönlichkeit in uns selbst an. Unter uns gesagt: da bin ich eher der Naive ...

        Die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR (Deutsche Demokratische Republik, Staat in der Vergessensphase) habe ich bejaht und aktiv gestützt. Als Offizier der Nationalen Volksarmee.  
        Das Studium an einer sowjetischen Militärakademie hat erstmals einige kritische Aspekte in mein Denken bezüglich der Gesellschaftsordnung eingebracht. Denn die Ehe mit einer Frau aus diesem Lande hat behutsam einige Hintergrundinformationen mit sich gebracht. 

        Nun lebe ich seit langem bei meiner ukrainischen Ehefrau in deren Heimatland. Mit jedem Tag werde ich klüger - was die Vergangenheit angeht. Siehe den Post "Wieso?" auf diesem Blog. Mir geht es da allerdings wie den meisten Menschen. Im Nachhinein sind auch die alle schlauer ...

        Zur Fortsetzung von "Wieso?"
        Als 1953 nach  Stalins Tod und Chrustschows Enthüllungen zum "Personenkult"die Amnestie für Straftäter verwirklich wurde, brachte das in das von den Kriegsnachwehen und der politischen Haltung "Wer nicht unser Freund ist, der ist unser Feind!" in ein Wettrüsten gezwungene Sowjetreich zusätzliche Belastungen. Im Kampf um das nackte Überleben bei den einfachen Leuten und um "besser leben" sowie Machtpositionen in der Oberschicht kamen sehr bemerkbare Spannungen hinein. 
        In der Wirtschaft ging "nach Plan" vieles nicht wie gewünscht oder nur mit hohem Aufwand, gegen schwache Stimmen aus den Reihen der Intelligenz wurden wahnwitzige Projekte angeschoben (z. B. Umleitung der nach Norden fließenden großen Flüsse ...)
        Viele Entscheidungen waren (wie überall in der Welt) von "Vettern" abhängig - also ein Deal unter Bekannten oder Befreundeten. Die "Beziehungen" machten es möglich ...

      Die Bestechlichkeit wucherte auf dem Boden der sich ausweitenden Mangelwirtschaft über alle Maßen. 
        Sogar der ehemalige Innenminister Schtscholokow wurde nach dem Tod seines Gönners Brehnew wegen Amtsmissbrauch und Korruptionsvorwürfen in Unehren aus seinem Amt gejagt (Dezember 1982).
        Da wir damals nur die Presse der DDR für Informationen hatten - Westfernsehen war verboten und vor allem hinter dem "Tal der Ahnungslosen" um Dresden (in Bautzen) auch nicht zu empfangen - bekam ich doch spärliche Informationen über die Literaturzeitschrift "Literaturnaja gaseta". Ich hatte die abonniert. 

        Allerdings taucht heute der "Sumpf Sowjetunion" um ihre unbescholtenen Bürger sowie ihre Helden wie Jurij Gagarin und andere erst langsam aus den Schleiern der stark manipulierten Informationen auf. Dazu gehören solche Ausnahme-Personen wie der Physiker Sacharow, Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe, der Schriftsteller und Philosoph Solshenizyn, auch der Raketenkonstrukteur Koroljow, dessen Verwundungen beim "Verhör" mit Anlass seines relativ frühen Todes waren ... Das ist nur die bekannteste winzige Spitze eines ungeheuren Eisbergs ...

        Es ist hier nicht der Platz, aller der Opfer zu gedenken.

        In dieser für sie schon mit der ihnen "geschenkten Freiheit" extrem günstigeren Umgebung fühlten sich die entlassenen Straftäter so recht in ihrem Element. Ihnen gelang es, die Nischen zu finden, welche ihren speziellen Vorlieben, aber auch Fähigkeiten entsprachen. Manch "Spekulant", für "illegalen Handel" (z. B. mit den gefragten Jeans, die sie meistens bei Besuchern aus Westeuropa oder USA unkriminell "erbeuteten") gab es Gefängnis. Was lag näher, nach der Entlassung eine unlizensierte Näherei zu betreiben und das Geschäft mit "Vertriebspersonal" in größerem Stil weiter zu führen?

        Die in der Sowjetunion vertriebene Literatur über Mafia und Camorra und deren wirtschaftliches Engagement - als "Abschreckung" gedacht -  waren die Lehrbücher für nicht wenige heute "ehrenwerte Geschäftsleute". 
        Dann begann eine ungeahnte "Verschwägerung" von Macht- (besser: Ohnmacht) und Verbrechensstrukturen. Jede neue Enthüllung - für mich das reine Entsetzen ...

        Ein weiterer Post wird die Überlegungen fortsetzen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger





         

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen