Eine Woche in
Berlin macht den Unterschied aus und spürbar. Zu dem Teil des einstigen
Ostblocks, in welchem ich lange schon lebe. Zumindest empfinde ich das so.
Im Kleinen
ist es die deutliche Disziplin bei der überwiegenden Anzahl aller Verkehrsteilnehmer.
Oder die Regelmäßigkeit des Personennahverkehrs.
Auf höherer Ebene die
zumindest in Deutschland sprudelnden Steuereinnahmen. Zu behaupten, sie wären
das Verdienst von Finanzminister Schäuble, erlaube ich mir mangels Wissen
darüber nicht.
Mit den Wahlen habe ich keine Probleme. Die Diskussionen um Parteipolitik
sind in den Massenmedien noch einigermaßen brauchbar. Der einfache Bürger, der mir
hier sprachlich sofort hörbar ist, wenn auch nicht selten unverständlich in der
Argumentation – sie oder er urteilen häufig sehr eigenartig.
Da hat mir der
Altbundeskanzler Helmut Schmidt mit seinem Buch (ISBN 978-3-548-37446-8): „Religion
in der Verantwortung – Gefährdungen des Friedens im Zeitalter der
Globalisierung“ regelrecht ein Geschenk gemacht. Auf Seite 79 beginnt sein in
der Marktkirche zu Hannover am 01. Juli 1986 gehaltener Vortrag „Christliche
Ethik und politische Verantwortung“.
Nie zuvor habe ich eine deutlicher
verständliche Darlegung zum Regieren und zum Regiert werden in ihrem wahrhaft sachlichen
Zusammenhang gelesen. Jeder lesekundige Bürger könnte diese Anleitung zum
Durchdenken seiner Informationen – und damit seiner Kritik – allein aus diesem
Vortrag nehmen.
Hier zitiere ich einige Sätze: „Eine der größten Belastungen besteht
darin, dass die „Regierten“ im Sinne der Barmer Erklärung das Geschehen gar
nicht genau überprüfen können. Sie lesen die Zeitung und gucken in die
Fernsehröhre und denken, sie hätten alles mitgekriegt. Aber sie kennen nur
einen Ausschnitt aus dem wirklichen Geschehen.“ (S. 91-92)
Bei Helmut Schmidt
wird aber daraus kein Vorwurf – er fächert auf, in welchen Zwickmühlen vor Beschlussfassung
oft die Regierenden stecken und welche engen Grenzen für Handlungsspielräume
des jeweiligen Entscheidungsträgers nicht selten sind. Vortrag und Buch – sehr empfehlenswert.
Bei Heinrich Heine gibt es im Gedicht „Enfant perdu“ den Satz: „Ich kämpfte
ohne Hoffnung, dass ich siege…“. Max Scharnigg hat es dennoch angefangen – für gute
Manieren im Internet zu streiten. „Herrn Knigge gefällt das!“ heißt sein
Büchlein. (ISBN 978-3-37036-2)
Auch hier ein Zitat – aus dem Kapitel „Schaulust
und Katastrophentourismus“ (S. 29): „Ist die Nachricht ganz frisch, darf sie
jeder verbreiten. Es ist wie der Griff zum Warnblinker, wenn man an ein
Stauende oder einem Hindernis ankommt. Man weiß nicht, ob die anderen es
gesehen haben und gibt deshalb die Nachricht weiter. Sobald der Hintermann auch
den Warnblinker anhat, sobald also die Informationskette funktioniert, schaltet
man selber aus.“ Wer das Buch liest, hat sicher einige Einsichten – als Minimum
wie gültig gute Sitten doch sogar über Zeiten hinweg sind.
Dann ist da noch – in der Ukraine
für mich gänzlich unsichtbar – der einstige griechische Finanzminister Yanis
Varoufakis. Seine Abrechnung mit der EU in der von ihm neu gegründeten
transnationalen Bewegung „Democracy in Europe Movement“ ist hart, aber nach
meiner Auffassung gerecht.
Auch hier zitiere ich: „Fünftens: gemeinsam in den nächsten
18 Monaten die umfassende progressive Agenda von DiEM25 für Europa entwickeln,
die vernünftige, bescheidene und überzeugende Vorschläge zur „Reparatur“ der EU
(und sogar des Euros) und für einen progressiven Umgang mit dem Zerfall der EU
und des Euros umfasst, wenn und falls das Establishment diesen Weg gehen
sollte.“
Meine ukrainischen Leser werden mir vielleicht verzeihen, wenn ich den
Satz „Die EU befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Auflösung.“ wegen
der Hoffnungen der meisten Ukrainer auf einen Beitritt zu einer starken,
einigen EU hier zum Schluss zitiere. Als Meinung eines mit den Problemen vertrauten
Mannes mit Zivilcourage.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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