Dienstag, 28. Juli 2015

Sind Soldaten Mörder?



Von einer kurzen Erholung am Rand von Odessa ohne Massenmedien zurückgekehrt, sind aktuelle Informationen unbedingt zusammenzufassen. 
Der heutige Tag begann im Gebiet Kiew mit reichlichen Niederschlägen. Das hielt aber etwa 20.000 Gläubige nicht davon ab, sich in Kiew zum Pilgermarsch einzufinden. Dort fand die Feier zum Jahrestag der Taufe des Kiewer Rus statt. Mit seiner etwas gewaltbetonten Massentaufe vor allem der Kiewer Bürger im Jahr 988 führte Großfürst Wladimir I. im damaligen Russland den orthodoxen Glauben ein. Die Feier heute hat eine Besonderheit: der Großfürst Wladimir I. ist vor 1000 Jahren aus dem Leben geschieden. Daran wurde durch den Metropoliten von Kiew und der ganzen Ukraine in seiner Ansprache erinnert. Präsident Poroshenko, der mit Ehefrau am Gottesdienst teilnahm, betonte, dass gegenwärtig die orthodoxe Kirche und die ukrainische Armee zwei Säulen der Gesellschaft sind, welchen die Bevölkerung besonders vertraut. 
Am heutigen Tag wurden erstmalig Zahlen zu den Menschenverlusten des Landes in den Kämpfen gegen die ukrainischen Separatisten und ihre russischen Helfershelfer genannt. Seit Beginn der bekannten Kampfhandlungen im Donbass sind rund 2300 ukrainische Soldaten gefallen. Überlegen Sie bitte: das sind bisher monatlich mehr als 200 Männer im besten Alter, dazu Verwundete und Vermisste. 
Nicht enthalten sind in dieser Zahl die vielen Zivilisten, welche durch den scheinbar wahllosen Beschuss von Ortschaften in Nähe der Frontlinie durch die Feinde der geeinten Ukraine umkommen. Es wurde in dieser Information auch nicht daran erinnert, dass wegen fehlender Medikamente und sogar Mangel an Lebensmitteln in den umkämpften Gebieten vor allem ältere Leute ums Leben kommen. 
Aus einer anderen Reportage entnahm ich eine Zahl, die ich nennen will. Der Milliardär Rinat Achmetov hat seit Beginn der Hilfe durch einen vor allem durch ihn gesponserten Fond bisher 49.000 Tonnen vor allem langfristig haltbare Lebensmittel und unbedingt notwendige Waren vor allem an bedürftige Personen und Familien in Donezk und Umgebung verteilen lassen. Auf allen Waren ein Aufdruck „Humanitäre Hilfe – keine Handelsware“. Die Empfänger meinen: „Ohne diese Hilfe lebten sicher viele von uns nicht mehr.“ 

Noch eine Information brachte mich ins Grübeln. Selbst Berufsmilitär, habe ich in meiner Dienstzeit sehr intensiv über die Meinung Kurt Tucholskis zum Soldatensein nachgedacht. Unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel schrieb er in der „Weltbühne“ zum 1. Weltkrieg: „Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.“ 
Dieses Zitat darf ich laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1995 hier verwenden. Auch anderswo. 
Erst seit heute weiß ich dank Google, dass nicht nur der Krieg an sich, sondern auch speziell der Soldatenberuf schon seit langem immer wieder als unethisch kritisiert und das Töten im Krieg auf eine Stufe mit Mord gestellt wurde. In einem Brief vor knapp 2000 Jahren schrieb der Bischof Cyprian von Karthago: „Der Mord ist ein Verbrechen, wenn ein einzelner ihn begeht; aber man ehrt ihn als Tugend und Tapferkeit, wenn ihn viele begehen! Also nicht mehr Unschuld sichert Straflosigkeit zu, sondern die Größe des Verbrechens!“ 
Mir scheint, das die russische Justiz mindestens auf dem Auge blind ist, mit dem sie anscheinend auf die ukrainische Pilotin und Bordschützin Nadija Sawtschenko blickt. Denn unter Beachtung des Zitierten sollten alle angeblich so „freiwilligen“ russischen Kämpfer im ukrainischen Donbass mit unter Anklage gestellt werden. Jedenfalls hat Nadija nicht böswillig gehandelt, sondern in Erfüllung eines (Mord-) Befehls. Die ukrainischen Frauen und Mütter, welche ihre Lieben nicht an die Front lassen wollen, haben dazu ebenfalls ein moralisches Recht – wie ein jeder Kriegsverweigerer in Deutschland. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger  





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