Die Gerüchteküche brodelte seit langem. Geht er selbst – wird er gegangen?
Dabei handelte es sich um den Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU –
Slushba Bespeki Ukrainy. Deutlich ausgedrückt um den Dienst, welchen mit der
DDR-Stasi und dem heutigen Bundesnachrichtendienst in etwa zu vergleichen nicht
falsch sein sollte.
Ihr oberster beamteter Dienstherr hieß bis zum 18. Juni
2015 Valentin Alexandrovitsch Naliwaitshenko. Dieser lange im diplomatischen
Dienst der Ukraine tätig gewesene Politiker (Norwegen, USA) hat auf mich bei
seinen Fernsehauftritten immer einen sehr seriösen Eindruck gemacht. Wer wie er
in bestimmten Dienststellungen nicht nur im Inland tätig war, hat aus
politischer und Lebenserfahrung ein Gefühl dafür, was im Interesse des Landes
wie gesagt (oder verschwiegen) werden sollte. Der zeitweilige
Hochschullehrer für russische Sprache hat auch noch aus dieser Richtung her die
Voraussetzungen für sachlich richtige Aussagen.
Als vorgestern Abend in der
Sendung „Schuster live“ Herr Naliwaitshenko fast direkt gefragt wurde, ob er
denn nun gegangen worden sei, hat er sich nach meiner Auffassung wie ein echter
Offizier verhalten. Er hat zum seiner Entlassung durch die Werchowna Rada
vorausgegangenen Gespräch mit Präsident Poroschenko nur das Allernotwendigste
gesagt. Jenen, welche sein einziges A4-Blatt bemängelten, das er zu seinen
Ergebnissen in etwas über einem Jahr Amtszeit beim Parlament vorgezeigt hatte,
antwortete er im vollen Ernst und für mich nachvollziehbar: „Die vorzeigbaren
Ergebnisse des SBU sind durch die einfachen Mitarbeiter erzielt worden, von
denen sogar einige an der Ostfront gefallen sind.“ Die Ausführungen zu
Personalfragen im Rahmen der Reform des SBU waren ebenso schlüssig, zeigten mir
echte Reformbestrebungen. Das, was Präsident Poroschenko zur Überwindung der
Bestechlichkeit als Programm formuliert hatte. Ist der Bürger Naliwaitshenko
etwa nur naiv, gutgläubig gewesen? Wie anders ist sonst die Unzufriedenheit des
Präsidenten mit der Arbeit seines Sicherheitschefs zu verstehen?
Umso
wesentlicher erschienen den im Studio Anwesenden und mir seine Bemerkungen zur
Staatsanwaltschaft, welche er, recht vorsichtig von mir so formuliert, als eine
bestechliche Gruppierung bezeichnete. In einer diesbezüglichen Abstimmung haben
87 % der Studiogäste dafür gestimmt, dass eben diese Haltung Grund für die Ablösung
des einstigen SBU-Chefs gewesen ist.
Offensichtlich bröckelt es auch im Lager
von Präsident Poroschenko. Der Austritt eines bekannten Journalisten aus Lwow
aus der Parlamentsfraktion „Block Poroschenko“ und dessen sehr überlegte
Antwort im Fernsehen lassen von den im Hintergrund brodelnden Leidenschaften
ahnen.
Die sechste Welle der teilweisen Mobilisierung ist mit dem gestrigen Tag
in der Ukraine eingeleitet. Wie während den vorherigen werden außer
Wehrpflichtigen alle jene einberufen, welche nach kurzer Neuformierung
vorhandener militärischer Kenntnisse und Fertigkeiten die in der dritten Welle
Einberufenen an der Front ersetzen können. In diesem Zusammenhang war auch kurz
etwas zur russischen Waffenschau zu sehen mit der Bemerkung von Präsident Putin
zu neuester Nukleartechnik inclusive deren Transportmitteln. Meine Ansicht:
hier wird versucht, den Eindruck zu vertiefen, dass die von Herrn Turtshinow
formulierte Idee, der NATO die Stationierung von Teilen der Systeme des
US-amerikanischen Raketenabwehr-Schildes in der Ukraine vorzuschlagen, reale
Notwendigkeit ist. Allerdings haben einige Journalisten schon vermutet, dass
diese angedachte Möglichkeit den Handel um eine Umschuldung bzw. einen Schuldenerlass für die
Ukraine für diese positiv beeinflussen soll.
Auf diesem schillernden
politischen Hintergrund kommt noch eine vernünftige Gesetzesinitiative zum
Tragen. Auf die bin ich gestoßen, als ich kurzzeitig dem Fraktionschef der
ukrainischen Radikalen zuhörte. Sein Ukrainisch ist laut, dafür aber recht
sauber und sehr deutlich. Er befürwortete einen Gesetzentwurf, der 14 Millionen
Bürger des Landes von einem Teil Bürokratie befreien könnte. Von den Anträgen
auf Subsidien im Ausgleich für die extrem gestiegenen Energiekosten sowie
Mieten und Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft. Denn Rentenbescheide,
Nachweise für Invalidität und ähnliches liegen gesammelt vor. Daraus lassen
sich automatisch die Berechtigten für Subsidien herausfiltern und die
entsprechenden Zahlungen anweisen. Die zentralen Mittel sind im Haushalt ausgewiesen,
Laufereien, Kosten und Ärger könnten vermieden werden.
In erster Lesung ging
der Vorschlag durch.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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