Sonntag, 21. Juni 2015

Turbulenzen...



Die Gerüchteküche brodelte seit langem. Geht er selbst – wird er gegangen? Dabei handelte es sich um den Chef des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU – Slushba Bespeki Ukrainy. Deutlich ausgedrückt um den Dienst, welchen mit der DDR-Stasi und dem heutigen Bundesnachrichtendienst in etwa zu vergleichen nicht falsch sein sollte. 
Ihr oberster beamteter Dienstherr hieß bis zum 18. Juni 2015 Valentin Alexandrovitsch Naliwaitshenko. Dieser lange im diplomatischen Dienst der Ukraine tätig gewesene Politiker (Norwegen, USA) hat auf mich bei seinen Fernsehauftritten immer einen sehr seriösen Eindruck gemacht. Wer wie er in bestimmten Dienststellungen nicht nur im Inland tätig war, hat aus politischer und Lebenserfahrung ein Gefühl dafür, was im Interesse des Landes wie gesagt (oder verschwiegen) werden sollte. Der zeitweilige Hochschullehrer für russische Sprache hat auch noch aus dieser Richtung her die Voraussetzungen für sachlich richtige Aussagen. 
Als vorgestern Abend in der Sendung „Schuster live“ Herr Naliwaitshenko fast direkt gefragt wurde, ob er denn nun gegangen worden sei, hat er sich nach meiner Auffassung wie ein echter Offizier verhalten. Er hat zum seiner Entlassung durch die Werchowna Rada vorausgegangenen Gespräch mit Präsident Poroschenko nur das Allernotwendigste gesagt. Jenen, welche sein einziges A4-Blatt bemängelten, das er zu seinen Ergebnissen in etwas über einem Jahr Amtszeit beim Parlament vorgezeigt hatte, antwortete er im vollen Ernst und für mich nachvollziehbar: „Die vorzeigbaren Ergebnisse des SBU sind durch die einfachen Mitarbeiter erzielt worden, von denen sogar einige an der Ostfront gefallen sind.“ Die Ausführungen zu Personalfragen im Rahmen der Reform des SBU waren ebenso schlüssig, zeigten mir echte Reformbestrebungen. Das, was Präsident Poroschenko zur Überwindung der Bestechlichkeit als Programm formuliert hatte. Ist der Bürger Naliwaitshenko etwa nur naiv, gutgläubig gewesen? Wie anders ist sonst die Unzufriedenheit des Präsidenten mit der Arbeit seines Sicherheitschefs zu verstehen? 
Umso wesentlicher erschienen den im Studio Anwesenden und mir seine Bemerkungen zur Staatsanwaltschaft, welche er, recht vorsichtig von mir so formuliert, als eine bestechliche Gruppierung bezeichnete. In einer diesbezüglichen Abstimmung haben 87 % der Studiogäste dafür gestimmt, dass eben diese Haltung Grund für die Ablösung des einstigen SBU-Chefs gewesen ist. 
Offensichtlich bröckelt es auch im Lager von Präsident Poroschenko. Der Austritt eines bekannten Journalisten aus Lwow aus der Parlamentsfraktion „Block Poroschenko“ und dessen sehr überlegte Antwort im Fernsehen lassen von den im Hintergrund brodelnden Leidenschaften ahnen. 

Die sechste Welle der teilweisen Mobilisierung ist mit dem gestrigen Tag in der Ukraine eingeleitet. Wie während den vorherigen werden außer Wehrpflichtigen alle jene einberufen, welche nach kurzer Neuformierung vorhandener militärischer Kenntnisse und Fertigkeiten die in der dritten Welle Einberufenen an der Front ersetzen können. In diesem Zusammenhang war auch kurz etwas zur russischen Waffenschau zu sehen mit der Bemerkung von Präsident Putin zu neuester Nukleartechnik inclusive deren Transportmitteln. Meine Ansicht: hier wird versucht, den Eindruck zu vertiefen, dass die von Herrn Turtshinow formulierte Idee, der NATO die Stationierung von Teilen der Systeme des US-amerikanischen Raketenabwehr-Schildes in der Ukraine vorzuschlagen, reale Notwendigkeit ist. Allerdings haben einige Journalisten schon vermutet, dass diese angedachte Möglichkeit den Handel um eine Umschuldung bzw. einen Schuldenerlass für die Ukraine für diese positiv beeinflussen soll. 

Auf diesem schillernden politischen Hintergrund kommt noch eine vernünftige Gesetzesinitiative zum Tragen. Auf die bin ich gestoßen, als ich kurzzeitig dem Fraktionschef der ukrainischen Radikalen zuhörte. Sein Ukrainisch ist laut, dafür aber recht sauber und sehr deutlich. Er befürwortete einen Gesetzentwurf, der 14 Millionen Bürger des Landes von einem Teil Bürokratie befreien könnte. Von den Anträgen auf Subsidien im Ausgleich für die extrem gestiegenen Energiekosten sowie Mieten und Dienstleistungen der Wohnungswirtschaft. Denn Rentenbescheide, Nachweise für Invalidität und ähnliches liegen gesammelt vor. Daraus lassen sich automatisch die Berechtigten für Subsidien herausfiltern und die entsprechenden Zahlungen anweisen. Die zentralen Mittel sind im Haushalt ausgewiesen, Laufereien, Kosten und Ärger könnten vermieden werden. 
In erster Lesung ging der Vorschlag durch. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger





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