Durch eine
Operation am linken Kniegelenk war ich für sechs Wochen in der Heimat
ferngehalten, habe ich hier nichts geschrieben. Weil ich nichts davon halte,
nur die Meinung Dritter wiederzukäuen oder zu kommentieren. So wichtig wie das
Letztere ab und an sein kann. Aber eben auch nur bei genauerer Kenntnis der
Dinge.
Seit Mitte August hat sich hier im Inneren nichts für die Allgemeinheit wesentlich positiv
Wirkendes ereignet. So sagen es zumindest die ernst zu nehmenden Leute aus
unserer Umgebung. Aber auch im Fernsehen werden recht offen erst vor kurzem
abgelaufene Vorgänge kritisiert, die dem Land insgesamt keine Ehre machen.
Was
alle Menschen begrüßen, ist gemäß den Verhandlungen von Paris die Einstellung
der Kampfhandlungen an der „Nordost-Front“ und dazu noch der Abzug einiger Arten von
Maschinenbewaffnung mit Geschoßkalibern unter 10 cm auf 15 km von der
Frontlinie. Darauf sollen bis 18. Oktober alle Granatwerfer ebenso abgezogen
werden.
Weil aber die Separatisten ihre Anhänger entweder nicht unter Kontrolle
haben oder es darauf anlegen, kommen ständig Provokationen mit Schützenwaffen vor.
Also Verstöße gegen den abgesprochenen eingestellten Waffeneinsatz, die häufig
unter den patriotisch gesinnten Verteidigern wieder Opfer kosten.
Der ukrainische
Premierminister rief das Parlament – die Werchownaja Rada – auf, doch unbedingt
das Paket der von der Regierung eingebrachten Gesetzesvorschläge anzunehmen,
weil nur dann die Visafreiheit in Sicht und die nächste Tranche der Finanzhilfe
vom internationalen Währungsfond kommen wird. Für den Fall, dass einzelne
Abgeordnete die Stimme verweigern, schlägt er vor, ihnen die Diplomatenpässe zu
entziehen, damit sie sich wie alle anderen Bürger in die Warteschlangen vor den
ausländischen Konsulaten einreihen könnten. Eine Art "Strafe für sowjetische Verbraucher".
Während einerseits der ukrainische Justizminister
verkündet, dass die bisher sehr aufwändige Registrierung eines neuen
Unternehmens nun in einem Tag erledigt sein kann – ein Fortschritt im
Computerzeitalter – ist das Schließen vieler Kleinstunternehmen (Kioske)
deutlich sichtbar, weil sich die Inhaber keine der amtlich geforderten Registrierkassen
leisten können.
Der „Bernsteinkrieg“ in der Westukraine geht weiter. Kaum ein
Westeuropäer weiß, dass in den sandigen Gebieten Wolhyniens und nahe dabei
(ähnlich der polnischen und russischen Ostseeküste) Bernstein im Tagebau
abgebaut werden kann. Das nutzen einerseits viele Arbeitslose für einen
schmalen Lebensunterhalt aus, müssen das gefundene aber veräußern. Das große
Geschäft machen jene, die den ohne Lizenz gegrabenen Bernstein aufkaufen und im
großen Stil ins Ausland verbringen. Da geht vieles nur mit Bestechung und
Vetternwirtschaft, gegen welche das „Antikorruptionsbüro“ wirksam vorgehen
soll.
Jedoch stellen die meisten meiner Gesprächspartner darauf ab, dass es
bisher über die Vorwürfe wegen Bestechung hinaus noch nirgends von
rechtskräftigen Verurteilungen zu hören war.
Meine Entgegnung, dass vielleicht
die Reform in der Rechtsprechung noch nicht beendet sei, man von den
amtierenden Richtern also keine gerechten Urteile erwarten könne, wird zur
Kenntnis genommen - mehr nicht. Eine Antwort: viele der Beschuldigten haben
inzwischen das Land bereits verlassen. Aber immer noch flössen beachtliche
Valutabeträge in die offshore-Banken…
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried
Newiger
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