Sonntag, 16. November 2014

Troubadur in Odessa

Am 11. November waren wir in Kiew, um nacheinander einige Freunde zu treffen, ebenfalls sachliche Dinge zu klären und außerdem den Busfahrschein nach Odessa zu kaufen. 
Unsere Freundin Xenia berichtete von ihrem Weg in die Ferne - sie hat in Lugansk ihr eben endlich bezahltes kleines Haus verlassen, ihren Eltern in Obhut gegeben und ist mit Familie in die Nähe von Kiew geflohen. Von ihr habe ich erfahren, welche Einbußen sie und Freunde sowie Verwandte durch die "regulierenden Maßnahmen" der Separatisten und ihrer Hintermänner erlitten. 
Auch die relativ hohe Beteiligung an den "Wahlen" wurde durch die gleichzeitige Koppelung an die Vergabe von Rentenberechtigungen, Lebensmittelkarten und außerdem von Berechtigungsscheinen für medizinische Behandlung erreicht. 
Perfider geht es bald nicht mehr. Personen, die nichts anderes sein wollen als ukrainische Staatsangehörige, die sie bisher waren - also nicht zu den Wahlen gingen, werden ökonomisch abgestraft! Sollen sie durch Hunger und fehlende medizinische Betreuung langsam und sicher die ukrainische Diaspora ausdünnen?

Mit meinen Freunden in Odessa, bei denen ich seit dem Abend des 13. November zu Gast bin, herrscht auch eine angespannte Stimmung. Sie haben ebenfalls Familien aus den Krisenregionen in der Nähe und authentische Informationen zu den Bedingungen dort vor Ort. Aber sie wollten dem Gast doch etwas mehr bieten als nur politische Gespräche. 
Nach einem Spaziergang auf einer Uferstraße parallel zum Badestrand "Lansheron", gingen wir in das dem Cafe "Mozart" gegenüber gelegene Cafe "Salerie". 
Die bestellten Getränke und Desserts waren vom Feinsten. Ich hatte einen Sanddornbeeren-Tee mit frisch gepressten Sanddornbeeren darin - köstlich. 
Anschließend begaben wir uns rechtzeitig in das nahe gelegene Opernhaus. Architektonisch entworfen von einem Wiener Architektenbüro. Die Innenräume im Rokoko-Stil, für mich zwar beeindruckend, aber nicht extrem herrlich.  Die Besucher zahlreich und unter ihnen viele Jugendliche. Positiv. Zur Qualität der Vorstellung: die meisten Solisten, Chöre und Orchester erstklassig, insgesamt ein Erlebnis.

In der Mitte der Aufführung etwa blitzartig ein gedanklicher Vergleich. Auf der Szene die Forderung, jemanden zu töten, blitzende Schwerter wurden geschwenkt. Die Gedanken fliegen über hunderte von Kilometern. Dort in den Gebieten von Lugansk und Donezk liegen die Jungen frierend in Schützengräben mit dem Auftrag, andere gegenüber zu töten. Hier künstlerische Erhöhung der Spannung - dort blutige Wirklichkeit. Eine bizarre Gedankenverbindung. 

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




 

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