Samstag, 6. September 2014

Noch leben wir Kriegskinder...

Vor einiger Zeit kaufte ich das Taschenbuch von Sabine Bode "Kriegsenkel" (ISBN 978-3-608-94808-0). Der Untertitel: "Die Erben der vergessenen Generation". Die von der Autorin geschilderten Schicksale sind uns einzelnen noch Überlebenden des Zweiten Weltkriegs im Grunde bitter bekannt und verständlich. 
Allerdings habe ich ein irrsinniges Glück gehabt. Unsere einfühlsame Mutter hat es verstanden, uns vier Jungen selbst den Verlust unseres Vaters, den wir wegen eigenartiger Umstände am 19. Januar 1945 noch zum letzten Mal sahen, so verständnisvoll zu vermitteln, dass wir alle ohne ein damals und auch später erkennbares Kriegstrauma heranwuchsen. 
In meiner ukrainischen Umgebung ist heute vielen unklar, dass die Zeit der Verarbeitung der unangenehmen Gegenwart mit dem heutigen Tage erst beginnt. 
Es ist dies der erste Tag einer unsicheren Vereinbarung zur Waffenruhe. Die Meldungen zu Toten und Vermissten des unseligen Konflikts in der und um die Ostukraine beginnen langsam in das Verständnis der Einzelnen hinabzusinken. 

Am Tag der Unabhängigkeit waren in den Reportagen Szenen eingeblendet, als die Bevölkerung einzelnen, ersten Invaliden aus den so genannten Antiterror-Einsätzen bei deren Erscheinen Beifall zollten. 
Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Das hat es 1945 nach dem Krieg in Deutschland nicht gegeben. Aber das gesellschaftliche Vergessen wartet auch auf die neuen, ukrainischen und russischen Kriegskrüppel. Letztere werden heute schon offiziell totgeschwiegen. Das gesellschaftliche Vergessen beginnt überall (auch z. B. in den USA), wenn für die meisten Anderen der Kampf um das eigene Stück Brot die Sicht auf den Nachbarn verstellt. Wenn nur noch die Barmherzigsten sich um die Erbarmungswürdigsten kümmern. 

Wenn das Leben einfach weiter geht. Ohne dass die Menschheit sich die Mühe macht, aus den Kriegen und deren Anlässen zu lernen. Sondern bereit ist, aus vielen Gründen erneut in einen Krieg zu ziehen.  In welche jene sie treiben, welche meist einen Eid abgelegt haben, von den Bürgern ihres Landes Unheil abzuwenden.


Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




 

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