Es ist schon etwas Eigenes, wenn du den Leuten vor Ort in der Ukraine als
Bundesbürger bekannt bist. Außerdem als jemand, der die letzten 65 Jahre
deutscher Geschichte und ihre Verflechtung mit der sowjetrussischen
einigermaßen kennt. Weil er sie mit erlebt hat.
Allerdings ist die sofortige Antwort auf
die Frage (aus der Überschrift) bei einem unerwarteten Treffen während des
Morgenspaziergangs nicht gleich zu geben. Weil sie so ganz unerwartet kam: „Wie
gefällt dir unser neuer Lenin?“
Denn ich verstand sie nicht. Meine Rückfrage
wurde mit nachsichtigem Lächeln akzeptiert. „Wer hat denn unter unseren
Politikern einen so ähnlichen und charakteristischen Glatzkopf?“ Das ahnte ich
schon – aber warum gleich Lenin?
Mein Gesprächspartner half mir auf die
Sprünge: „Wer holte sich gestern Rat und Geld für die Maidan-Revolution von den
Deutschen? Alles in der Geschichte wiederholt sich, sagt man. Beim zweiten Mal
gewöhnlich als Farce.“
Nun war ich genügend vorinformiert, um mich in die
ungewöhnliche Denkweise meines ukrainischen Gegenübers einzufühlen. Weil ich
mich nicht weiter in die hiesigen Dinge hatte einmischen wollen, kamen die
jetzt so maskiert auf mich zu.
Die deutsche Kanzlerin erledigt heute im Auftrag
der EU das, was vor rund 100 Jahren durch den deutschen Kaiser über seine
Mittelsmänner geregelt wurde. Damals nur in deutschem Interesse, heute im „gesamteuropäischen“.
Eine durch offizielle politische und wirtschaftliche Anbindung der Ukraine an
die durch Russland dominierte eurasische Zollunion (selbst wenn sachlich von
dort nicht so gewertet) könnte diese Vereinigung so stärken, dass sowohl von Westeuropa
als auch von den USA alle Anstrengungen unternommen werden, um diese Idee nicht
wie geplant Realität werden zu lassen.
Dem russischen Präsidenten, der in
Sotschi mit der Winterolympiade gerade viele Punkte sammelt, doch noch in die
heimische Kohlsuppe spucken.
Dass sich dabei die Partner EU-USA mit ihren
eigenen Problemen wie Abhören und Krisenmanagement sehr schwer tun und
gegenseitig behindern, liegt ja wohl in der Natur der gesellschaftspolitischen
(kapitalistischen) Sache. Es bleibt doch unbestreitbar dabei: das Prinzip vom
ökonomischen „Fressen oder gefressen werden“ existiert weiter, wie man die harte
Konkurrenz auch verniedlichend beschreiben mag.
Es würde mich für meine
ukrainischen Nachbarn und Freunde freuen, wenn meine recht pessimistischen
Voraussagen für eine Anbindung dieses Landes an Westeuropa nicht in Erfüllung
gehen – sondern das Gegenteil.
Aber schon 2008 haben Bosnien und Herzegowina
die Assoziationsvereinbarungen mit der EU unterschrieben. Wo stehen sie heute? Die
Situation für Griechenland, Portugal und Spanien (nach Alphabet geordnet) oder
die Lage in anderen Ländern des Konglomerats EU sind bei weitem nicht nur mit „Krisenfolgen“
zu beschönigen.
Einziger Lichtblick im Zusammenhang mit der Delegation bei der
deutschen Kanzlerin: Herr Tjagnibok war nicht geladen. Darüber dürfte er aber
nun „geladen“ sein. Um im Weiteren zu beweisen, dass man mit ihm rechnen muss…
Wenn auch mit anderem Vorzeichen…
Dass ich für die Lösung des hiesigen „gordischen
Knotens“ keinen Vorschlag habe, aber hoffe, dass die mit dem Schwert nicht
angewendet wird, muss ich selbstkritisch dazu sagen.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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