Montag, 17. Februar 2014

Zweiter Lenin?


          Es ist schon etwas Eigenes, wenn du den Leuten vor Ort in der Ukraine als Bundesbürger bekannt bist. Außerdem als jemand, der die letzten 65 Jahre deutscher Geschichte und ihre Verflechtung mit der sowjetrussischen einigermaßen kennt. Weil er sie mit erlebt hat.
        Allerdings ist die sofortige Antwort auf die Frage (aus der Überschrift) bei einem unerwarteten Treffen während des Morgenspaziergangs nicht gleich zu geben. Weil sie so ganz unerwartet kam: „Wie gefällt dir unser neuer Lenin?“
         Denn ich verstand sie nicht. Meine Rückfrage wurde mit nachsichtigem Lächeln akzeptiert. „Wer hat denn unter unseren Politikern einen so ähnlichen und charakteristischen Glatzkopf?“ Das ahnte ich schon – aber warum gleich Lenin?
         Mein Gesprächspartner half mir auf die Sprünge: „Wer holte sich gestern Rat und Geld für die Maidan-Revolution von den Deutschen? Alles in der Geschichte wiederholt sich, sagt man. Beim zweiten Mal gewöhnlich als Farce.“
        Nun war ich genügend vorinformiert, um mich in die ungewöhnliche Denkweise meines ukrainischen Gegenübers einzufühlen. Weil ich mich nicht weiter in die hiesigen Dinge hatte einmischen wollen, kamen die jetzt so maskiert auf mich zu.
         Die deutsche Kanzlerin erledigt heute im Auftrag der EU das, was vor rund 100 Jahren durch den deutschen Kaiser über seine Mittelsmänner geregelt wurde. Damals nur in deutschem Interesse, heute im „gesamteuropäischen“.
       Eine durch offizielle politische und wirtschaftliche Anbindung der Ukraine an die durch Russland dominierte eurasische Zollunion (selbst wenn sachlich von dort nicht so gewertet) könnte diese Vereinigung so stärken, dass sowohl von Westeuropa als auch von den USA alle Anstrengungen unternommen werden, um diese Idee nicht wie geplant Realität werden zu lassen.
       Dem russischen Präsidenten, der in Sotschi mit der Winterolympiade gerade viele Punkte sammelt, doch noch in die heimische Kohlsuppe spucken.
         Dass sich dabei die Partner EU-USA mit ihren eigenen Problemen wie Abhören und Krisenmanagement sehr schwer tun und gegenseitig behindern, liegt ja wohl in der Natur der gesellschaftspolitischen (kapitalistischen) Sache. Es bleibt doch unbestreitbar dabei: das Prinzip vom ökonomischen „Fressen oder gefressen werden“ existiert weiter, wie man die harte Konkurrenz auch verniedlichend beschreiben mag.
        Es würde mich für meine ukrainischen Nachbarn und Freunde freuen, wenn meine recht pessimistischen Voraussagen für eine Anbindung dieses Landes an Westeuropa nicht in Erfüllung gehen – sondern das Gegenteil.
          Aber schon 2008 haben Bosnien und Herzegowina die Assoziationsvereinbarungen mit der EU unterschrieben. Wo stehen sie heute? Die Situation für Griechenland, Portugal und Spanien (nach Alphabet geordnet) oder die Lage in anderen Ländern des Konglomerats EU sind bei weitem nicht nur mit „Krisenfolgen“ zu beschönigen.
       Einziger Lichtblick im Zusammenhang mit der Delegation bei der deutschen Kanzlerin: Herr Tjagnibok war nicht geladen. Darüber dürfte er aber nun „geladen“ sein. Um im Weiteren zu beweisen, dass man mit ihm rechnen muss… Wenn auch mit anderem Vorzeichen…

       Dass ich für die Lösung des hiesigen „gordischen Knotens“ keinen Vorschlag habe, aber hoffe, dass die mit dem Schwert nicht angewendet wird, muss ich selbstkritisch dazu sagen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger







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