Sonntag, 3. Januar 2016

Die Rada rackerte...




Es ist ab und an problematisch, sich zurück zu halten. Wenn sich Ereignisse überstürzen und Informationen widersprüchlich sind, ist das aber in einem tendenziösen Blog sinnvoll. Denn Halbwahrheiten sind bekanntlich schlimmer als Lügen. Was nicht wenige Journalisten vergessen… 
In meine Ansichten sind einige in letzter Zeit neue Grundlagen eingeflossen. Weil ich das Buch „Ändere die Welt!“ von Jean Ziegler, von 2000 bis 2008 Sonderberichterstatter der UNO für das Recht auf Nahrung, fast in einem Atemzug ausgelesen habe. (ISBN 978-3-570-10256-5) Seit ich die aus den USA stammenden Prinzipien für den so genannten „Neoliberalismus“ des „Washingtoner Konsens“ (S. 74-78 genannten Buches) endlich genauer kenne, bin ich auch bewusst Globalisierungsgegner. Denn ich bemerke deutlich, dass die Ukraine auf diesen Weg gedrängt wird. 
Dazu kommt das mir in Russisch vorliegende Buch „Der Große Vaterländische Krieg – Wie es war … Fakten-Versionen-Kommentare“. Für diese Sprache kennende – ISBN 978-5-9910-0438-1 in Russland, ISBN 978-966-343-973-0 in der Ukraine. 
Das in 2008 erschienene Werk bringt für mich erstmalig eine Zusammenfassung von wirklich gesicherten Fakten aus einer Vielzahl an Archiven. Dieser fürchterliche Krieg, dessen Ende ich vor 70 Jahren  bewusst erlebte, hat unter Sicht auf diese vielfach neuen, dokumentarisch gesicherten Informationen ein weniger heldenhaft verbrämtes Image. Die Soldaten und Offiziere haben gekämpft. Von allen Seiten wurden, wie in allen Kriegen bisher und auch in Zukunft, die Gesundheit der Nationen durch unsinnige Opferung vor allem der Männer aus zwei Generationen tief geschädigt. Die Rolle aller leitend an ihm beteiligten Personen wird relativiert. Meist negativ. Er stellte sich erstmals für mich vorwiegend in einer Art „Fleischwolf für Kanonenfutter“ dar und einer Quelle von Verrat und Grausamkeiten, die heute noch das Verhältnis vieler Völker nicht nur Osteuropas nachhaltig belastet.  Aber mich hat vor allem die Schilderung,  wie sich die sowjetische Generalität mit wenigen Ausnahmen bei bitterster Not in der Truppe mit Verpflegung und Ausrüstung „überversorgte“, zutiefst ernüchtert. Die entsprechenden Erscheinungen von Machtmissbrauch und Bestechlichkeit in den Armeeführungen der russischen und ukrainischen Seite sind logische Fortsetzung einer üblen gewohnten Praxis. 
Die rechtlich heute in Russland noch nicht aufgearbeiteten Verfehlungen des ehemaligen Verteidigungsministers Anatolij Serdjukow sind ein eklatantes Beispiel… 
In der Ukraine geht heute offiziell der Kampf um Säuberungen im Beamtenapparat und gegen Bestechlichkeit über alles. Auch im Bereich Innen- und Verteidigungsministerium. Jedoch werden einige andere Dinge „in der Eile“ übersehen. 
Die Handlungen von Parlament und Regierung werden im Fernsehen unter anderem so kommentiert, dass gegenwärtig die inkompetentesten Politiker seit der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung überall tätig sind. 
Als eine Woche vor Jahresschluss ein neuer Steuerkodex in der Rada durchgesetzt wurde, gab es bei der Diskussion den auf ihm aufgebauten Budgets heftige Kontroversen. Der Abgeordnete Oleg Beresjuk, Fraktion „Selbsthilfe“ (Samopomosht) formulierte, dass man einen fremden Steuerkodex abgeschrieben habe, ohne ihn an die ukrainischen Gegebenheiten anzupassen. 
Am Tag danach waren wieder Bergarbeiter zur Demo in der Hauptstadt, protestierten Mediziner und Lehrer, legten Farmer und gewöhnliche Einwohner wichtige Straßen im Lande lahm. Weil das mit viel Nachtarbeit korrigierte und in letzter Minute angenommene Budget keinesfalls ein „soziales“ ist. 
Schon regen sich Kräfte im Land, welche formulieren, dass die politische Entwicklung keinesfalls dazu geeignet ist, die auf dem Maidan erklärten Ziele durchzusetzen. Die deshalb an einen neuen Maidan laut denken. 
Mein Leser, Sie verstehen: ohne exakte Kenntnis der ukrainischen Sprache sind diese Eindrücke aus für mich besorgniserregenden Bruchstücken entstanden. Aus Reden leitender Politiker und Analysen verständiger Ökonomen und Politologen. Aus Meinungen aus der Bevölkerung, welche durch die neuen erhöhten Tarife für Gas, Elektrizität, Wasser, Preissteigerungen für Lebensmittel und mehr äußerst aufgebracht ist. 
Für den gegenwärtig dennoch  ungebrochenen Geist der Bevölkerung steht mir eine Anekdote. Dazu ist zu sagen, dass die Huzulen darin zu einer sehr abgeschiedenen lebenden, kleinen Völkerschaft gehören. 

Zur Anekdote: Bei Wladimir Putin klingelt das Handy. „Wir ukrainischen Huzulen erklären ihnen offiziell den Krieg.“ „Wie groß ist eure Armee? “ „Wir sind am Tisch acht Männer.“ „Ich habe hunderttausende unter Waffen.“ „Wir rufen gleich zurück.“ Nach fünf Minuten: „Pan Putin, wir ziehen die Kriegserklärung zurück.“ „Habt also Angst bekommen.“ „Nein. Wir können so viele Gefangene nicht durchfüttern.“ (Ein anderer Schluss: „Auf unserem Friedhof ist nicht so viel Platz für alle.“) 

Meinen ukrainischen Freunden und ihren Familien wünsche ich, dass wir gemeinsam durch alle Widerwärtigkeiten kommen und gesund bleiben!
 
Bleiben auch Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen