Samstag, 11. Februar 2017

Vertrauen?



Als ich mich 195 an meinen neuen Arbeitsplatz in der Ukraine begab, sagte mir ein mit der Haltung sowjetischer Menschen zu natürlichen Reserven gut vertrauter deutscher mittelständischer Unternehmer: „Wenn ich dort investieren sollte, würde ich eine Fabrik zur Produktion von Zählern aufmachen. Gas, Wasser, elektrische haben sie schon. Denn die anderen werden bald eingebaut werden müssen. Damit jeder Energie sparen lernt.“ Sehr weitsichtig. Denn bei der allseits verfluchten gegenwärtigen drastischen Tarifsteigerung für Wasser und Gas habe ich das Gefühl, dass die Energieeinsparung endgültig sogar bei den Politikern angekommen ist. Dass sie nun mit Gewalt über das Portemonnaie der bedürftigen Bürger erzwungen werden soll. Weil in der Vergangenheit die Fantasie der politischen Entscheidungsträger nicht ausreichte, die Folgen der – sowjetisch geprägten –
Energieverschwendung für die Wirtschaft des Landes einzuschätzen. Die sich in beim gewöhnlichen Verbraucher in ewig tropfenden Wasserhähnen, nicht ausgeschalteten Lampen und bei niedrigen Außentemperaturen in Heizung der Wohnung mittels Flammen des Gasherds in der Küche bemerkbar machten.

Die betroffenen Ukrainer scherzen: „Ein alter Jude liegt im Sterben. Er fragt mit schwacher Stimme: „Sahra, bist du da?“ „Ja, Moishe.“ „Die Kinder?“ „Ja, Papa.“ „Auch die Enkel?“ „Ja, Opa.“ „Weshalb brennt dann Licht in der Küche?“
Hier im Lande ist die Nationalität der Person meistens kein Beispiel für Antisemitismus, sondern für Weisheit und Geschäftssinn.

Im vorigen Post http://mein-ostblock.blogspot.com/2017/02/unzufriedenheit.html habe ich die Situation im Gesundheitswesen der Ukraine angerissen. Ergänze hier: kritische Sendungen des Fernsehens beleuchteten die Verschwendung von bereitgestellten Mitteln des Budgets, Situationen von Bestechlichkeit, Verletzung der verfassungsmäßig garantierten kostenfreien medizinischen Behandlung, häufiges Fehlen notwendiger Medikamente oder deren bis ins 14-fache gegenüber Westeuropa übersteigerte Preise. Dazu die erbärmlich geringen Gehälter im Gesundheitswesen, die Ausdünnung des Netzes von Krankenhäusern und anderes mehr.
Nicht an allem ist allein das von Frau Suprun geleitete Ministerium schuld. Jedoch nicht völlig unbeteiligt. Denn der Einkauf teurer (häufig stark überteuerter) komplizierter Diagnostik-Ausrüstung muss mindestens auf einer seiner Etagen abgesegnet werden… Es ist so nicht verwunderlich, dass die mit viel Reklameaufwand angekündigten Eröffnungen von „medizinischen Einrichtungen der Zukunft“ in steriles Wasser fielen. Oder die hochmoderne Ausrüstung ungenutzt herumstand. Nicht, weil die medizinisch gebildeten Nutzer die Technik nicht beherrschten, sondern weil viele andere bürokratische Hindernisse auftauchten…

Dass das Vertrauen zu vielen Politikern rapide sinkt, lässt sich am deutlichsten am Fraktionschef der Radikalen-Partei darstellen – an Oleg Ljaschko. Seit im Lande durch das Fernsehen bekannt wurde, dass der mit Worten recht radikale und auch geschickte Jurist Ljaschko sich für rund 11 Millionen Hrywna (heute etwa 380.000 Euro) im ehemaligen reinen „Regierungsviertel“ Kontsche Saspa eine Luxusvilla mit recht großem Geländeabschnitt gekauft hat, ist sein Rating noch intensiver gesunken.

Noch eine Bemerkung zum georgischen (grusinischen) „Gastarbeiter“ Saakaschwili, der nicht mehr Gouverneur des Gebietes Odessa ist. Seine Analyse zum US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat die Ergebnisse der Offenlegung von Einkünften und Besitz ukrainischer Entscheidungsträger auf eigenwillige Weise verwendet. Er sagte sinngemäß: „Wenn die ukrainischen Politiker den Geschäftsmann-Präsidenten Trump um Finanzhilfe angehen, handelt der ganz pragmatisch. Unter Hinweis darauf, dass eben diese Politiker Millionen und Milliarden selbst deklariert haben, verweigert er den Ukrainern Kredit. Denn den brauche sein Land selber. Um beispielsweise das Eisenbahnnetz zu sanieren. Ich habe selbst gesehen, dass die Strecke (zwischen zwei großen Städten – habe ich nicht verstanden) in schlechterem Zustand ist als die zwischen Kiew und Poltawa.“
Dass der amerikanische Präsident eigenwillig ist und so handelt, wie er das am sinnvollsten für die USA einschätzt, werden alle Propheten lernen müssen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger




  





  

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