Mittwoch, 15. Oktober 2014

Alles erlaubt?

Es ist in der Ukraine nicht ruhiger geworden. Die Bürger wurden zwar politisch aktiver, aber auch unberechenbarer. Der Abstand zwischen offiziellem Kiew und "dem Mann von der Straße" hat sich nach meinem Eindruck nicht verringert. Im Gegenteil. 
Der nach außen ruhig wirkende Präsident dürfte diese Probleme wohl sehen. Allerdings hat ihn der Ansatz zu politischer Reform einen Teil formellen Einflusses gekostet. Dennoch versucht der erfahrene Manager das schlingernde Staatsschiff zwischen vielen Klippen durchzulavieren. Im Ministerpräsidenten Jazenjuk hat er nach meinem Empfinden einen zähen und fähigen Verbündeten. Der neue, gestern von der Rada bestätigte Verteidigungsminister macht ebenfalls einen entschlossenen Eindruck. 

Im Gegensatz zu den wohlüberlegten Äußerungen und Handlungen der obersten Entscheidungsträger gibt es die an eine gewisse Schicht Sympathisanten gerichteten Aktionen des "Rechten Sektors". Der einen in Westeuropa stark beachteten Videoclip über die Aushebung der kleinen Drogenküche mit der nicht als zart zu bezeichnenden Behandlung der "Köche" als einen Akt der erforderlichen "Volksgerechtigkeit" darstellte und ganz folgerichtig am nächsten Abend ein illegales Spielkasino "liquidierte".

Die Kommentare der verantwortlichen Entscheidungsträger: "Die Selbstjustiz sollte aufhören. Alle Handlungen zur Abschaffung der genannten Erscheinungen hätten im rechtlichen Rahmen zu erfolgen." In Wahlzeiten bringt auch "schwarze PR" den Extremisten Stimmen. 
Weil die im Osten des Landes in ihrer Intensität abflauenden kriegerischen Aktionen für die rechten politischen Gruppierungen den zeitweiligen aktuellen PR-Vorsprung zunichte machen, geht man nach anderem Muster vor. Als Deutscher sehe ich eine Parallele zur "Stimme des Volkes" vor rund 80 Jahren in meiner Heimat. Die ebenfalls ihre Hintermänner hatte.

Gern würde ich erfahren, wer am Vorabend des hier neuen "Tag des Vaterlandsverteidigers" den Marsch der unzufriedenen Nationalgardisten auf Kiew ausgedacht und organisiert hat. Für den Wunsch vieler Soldaten, nach 18 Monaten Dienst in den Streitkräften, zuletzt in der Nationalgarde und sogar an der "Ostfront" sein Recht auf Demobilisierung erfüllt zu bekommen, habe ich als Offizier volles Verständnis. Sich aber aus seiner militärischen Einheit unerlaubt zu entfernen und auf den Protestmarsch zum Amtsgebäude des Oberbefehlshabers zu machen - das fasse ich als soldatische Pflichtverletzung auf. Im Zeitalter des Handys sind solche Aktionen überraschend organisierbar. 
Dass zum Schutz der Ordnung die nicht mit Palmzweigen ausgerüsteten "Ordnungshüter" ihren einstigen Kollegen in anderem Dienstverhältnis gegenüber standen, ist wenig angenehm. 

Am Nachmittag des 14.10.2014 zogen dann andere Kräfte auf. Viel radikaler in ihren Forderungen nach Wertschätzung der UPA, der einst mit der faschistischen Armee verbündeten "nationalen Kräfte" dieses Landes. Dazu mit etwas zu Werke gehend, dass sich nur mit Mühe als "Feuerwerkskörper" bezeichnen läßt. Bei den von diesen Demonstranten provozierten Zusammenstößen floß dann auch ein wenig Blut und wurden einige Rädelsführer festgesetzt. Ob das noch etwas mit den berechtigten Forderungen des Maidan zu tun hat, wage ich zu bezweifeln.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger
   




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