Montag, 20. März 2017

Bankgeschichten



Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt hat in seinem Buch „Religion in der Verantwortung – Gefährdungen des Friedens im Zeitalter der Globalisierung“ im Kapitel „Ethos des Politikers“ einige Ausführungen gemacht, welche mich bewegt haben, den heutigen Post zu schreiben. Jedem ernsthaft an Politik und ihren Voraussetzungen interessierten Personen rate ich deshalb, dieses Buch zu lesen.
Wenn in der heutigen Ukraine sich Dinge ereignen, welche ich als minimal unzivilisiert bezeichne, will ich meine Haltung dazu an einem Beispiel aus eben der Ukraine erläutern. Vor rund 23 Jahren fuhr ich mit einem Koffer voll Dollars – von einer Bank aus Deutschland überwiesen – über 450 km  in eine nordostukrainische Stadt. Die 220.000 $ waren der Preis für vier Fuhren Trockenvollmilch, welche mein Auftraggeber kufen wollte Damals gab es in der Ukraine als Währungseinheit noch die Karbowanzen. Nach dem aktuellen Kurs hatte ich etwa 3,2 Milliarden Karbowanzen im Gepäck. Auf dem Hinweg am Vormittag hatte ich mir noch wenig Sorgen gemacht, obwohl die kriminologische Situation im Lande angespannt war. Unser Partner, der Molkereidirektor, hatte mit dem Direktor der kleinen örtlichen Bank abgesprochen, dass man mir die nachweislich rechtlich empfangenen Dollar in Karbonwanzen umtauschen würde – denn die Molkerei durfte keine ausländische Währung zur Bezahlung entgegennehmen.
In dem Städtchen angekommen, fuhr ich zur Molkerei. Gemeinsam mit dem Molkereidirektor ging es dann zur Bank. Da damals Geldzählautomaten nicht existierten, wurden drei Kassiererinnen dazu angestellt, die von mir gebrachten Dollars zu zählen. Als das erledigt war, fuhren wir mit dem Molkereidirektor zurück in sein Büro. An meinem Auto hatten seine Schlosser einen Defekt entdeckt und Auftrag bekommen, den zu reparieren. Ich schaute zu – bis die Sekretärin kam und mich zu ihrem Chef bat. Er eröffnete mir, dass wir zurück müssten in die Bank. Dort erfuhren wir, dass eine „wachsame“ Mitarbeiterin bei der Nationalbank angerufen hatte. Denn sie hielt sich an die Anweisung, dass kleine Banken Beträge über 50.000 $ nicht eintauschen dürften. Das, was der Bankdirektor auf eigenes Risiko getan hatte, wurde von „oben“ zurückgepfiffen. Ich bekam das gesamte Geld zurück. Unser Vertrag war auf diese Weise geplatzt. Die Frauen, welche das Geld zweifach gezählt hatten, weinten fast. Denn mit der Wechselgebühr hätte die Bank drei Monate lang ihnen die Löhne zahlen können.
Auf dem Rückweg wurde mir erst recht mein Risiko klar. Was, wenn über den Vogel mit goldenen federn jemand geplaudert hatte?Deswegen fuhr ich extrem schnell und wäre beinahe in eine Katastrophe gerast.
Wenn in der Ukraine gegenwärtig Filialen der Sparkasse von sogenannten Aktivisten zugemauert werden, vergleiche ich das von der Überlegung her mit dem, was die übereifrige Dame vor Jahren drei Partnern angetan hat: wir bekamen die Trockenmilch nicht, die Molkerei nicht die Bezahlung dafür und die Bank nicht die Wechselgebühren. Misserfolg auf der ganzen Linie.
Von der Bezeichnung her sind die Sparkassen in der Ukraine wirklich Überbleibsel der Sowjetunion. Allerdings steckt in ihnen auch eine Menge russisches Kapital. Nur die Bevölkerung (wie die Bankangestellten im Erlebnis) haben bislang einen Teil ihrer Einlagen bei dieser Großbank gelassen. Mit deren erzwungener Schließung haben sie keinen Zugriff auf ihre Ersparnisse.
Mit diesem Ereignis sind auch andere Dinge verbunden. Beispielsweise gab es gestern erste SMS, welche über Einschränkungen im Zahlungsverkehr auf Geldkarten berichteten. Dass das Falschmeldungen waren, konnte ich an einem Geldautomaten meiner Frau beweisen. Aber die Sache als solche kann dazu ausgenutzt werden, die innerpolitische Situation in der Ukraine weiter zu destabilisieren. Ob das die Aktivisten beabsichtigt hatten?

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen